Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 1718
Brügge (Belgien, Provinz Westflandern)
Brügge, Freiamt (Staatskanzlei)
Die "Burg" ist das historische Stadtzentrum von Brügge, an dem die wichtigsten öffentlichen Gebäude des Brügger Gemeinwesens eng beieinander stehen und, ganz unterschiedlichen Stilen angehörend, gemeinsam einen Bogen vom 12. bis zum 18. Jh. spannen. Links neben dem Brügger alten Rathaus schließt das Freiamt an (Brugse Vrije), einstiger Sitz der Verwaltung der Brügger Freien, auch als Staatskanzlei und Zivilgerichtsschreiberei (Civiele Griffie) genutzt (Burg 11a). Die Brügger Freie war eine Kastellanei, in der Herrschaft und Gerichtsbarkeit ausgeübt wurde, und sie war zugleich eine Ständevertretung, denn sie nahm die Interessen der Einwohner des Landbezirkes gegenüber dem Grafen von Flandern wahr, und die Brugse Vrije war neben den Städten Gent, Brügge und Ypern eines der vier konstitutiven Elemente ("Glieder") Flanderns. Links neben der Staatskanzlei, an der rechtwinklig dazu stehenden Seite des Burgplatzes, befindet sich der Neubau des Freiamtes aus der Zeit 1722-1726, der schon klassizistische Einflüsse zeigt. Die Fassade der Staatskanzlei, des alten Freiamtes, jedoch hat eine Fassade im schönsten Stil der ersten flämischen Renaissance und wurde 1537 vollendet. Die Grundstruktur des Gebäudes, die Giebelbauweise, die Rippengewölbe im Durchgang etc. sind noch die eines spätgotischen Stadthauses, der gesamte Bauschmuck aber weist klar in die Renaissance. Die drei Giebel mit ihren kapriziösen Formen sind mit vergoldeten Statuen geschmückt, man entdeckt Aaron, Moses, Justitia und weitere Figuren.
Abb. links: giebelbekrönende Figur, Moses mit den Tafeln der zehn Gebote. Abb. Mitte: Das Kanzleigebäude vom Burgplatz (Burgplein) aus im Abendlicht. Im folgenden werden die beiden Wappendarstellungen im Mittelgiebel (am oberen Bildrand) und über der im Schatten liegenden Tür beschrieben. Abb. rechts: ornamentales Fassadendetail.
Abb. links: Detail des ornamentalen Fassadenschmucks. Abb. Mitte: Im mittleren Giebel befindet sich das Wappen Kaiser Karls V. Es zeigt den Hauptschild des Heiligen Römischen Reiches, in Gold ein schwarzer Doppeladler, dem das Hauswappen Karls V. als Brustschild aufgelegt wurde, in Rot ein silberner Balken für das Erzherzogtum Österreich. Um den Hauptschild ist die Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies gelegt mit Gliedern aus Feuerstählen und funkensprühenden Feuersteinen, unten das Widdervlies herabhängend. Auf dem Helm steht der schwarze Reichsadler als Kleinod. In das Wappen Karls V. sind als Bilddevise die beiden Säulen des Herakles aufgenommen worden, um die sich ein rotes Spruchband schlingt mit der französischen Devise "PLVS OVLTRE" - heute "plus outre", lat. "plus ultra", immer weiter darüber hinaus. Zu diesen Devisen vergleiche die Beschreibung zum Steen von Antwerpen. Abb. rechts: giebelbekrönende Figur.
Über dem burgplatzseitigen Eingang befindet sich das Stadtwappen von Brügge, im siebenmal silbern-rot geteilten Schild ein blauer, rotgezungter und ebenso bewehrter Löwe mit einer goldenen Zackenkrone auf dem Kopf, um den Hals ein goldenes Band mit daran hängendem ebensolchem Kreuz tragend. Über dem Schild befindet sich ein weiteres städtisches Symbol in Form eines goldenen gotischen Kleinbuchstabens "b", dessen Schaft von einer goldenen Krone umschlossen ist. Als Schildhalter fungieren rechts ein goldener Löwe, links ein brauner (natürlicher) Bär mit beringtem Halsband, beide hersehend.
Abb. links: Der Durchgang des Gebäudes unter dem Verbindungsgang zum alten Stadhuis (Rathaus) ist mit einem Netzgewölbe von zwei Jochen Tiefe mit steinernen Kreuzrippen und Tiercerons und mit Backsteinfüllung der Gewölbekappen ausgestattet. Abb. rechts: rückseitige Ansicht des schmalen Durchganges. Abb. unten: Die beiden Stadtsymbole, der goldene gotische Buchstabe "b" mit der Krone um den vertikalen Schenkel einerseits und das Wappen mit dem Löwen auf dem siebenmal geteilten Feld werden hier separat auf den beiden Schlußsteinen der beiden Joche wiedergegeben.
Abb. unten: Die Fassade des Freiamtes zieren mehrere Portraitmedaillons mit vollplastisch gearbeiteten Köpfen.
Das eigentliche heraldische Prunkstück befindet sich im Innern: Der linke Zugang ganz im Eck des Burgplatzes führt ins Stadtarchiv, und von dort gelangt man durch den ehemaligen Gerichtssaal in den Renaissancesaal (Schöffensaal, das Brügger Freiamt wurde von Schöffen verwaltet) mit dem berühmten, zwischen 1528 und 1531 aus Holz, schwarzem Dinanter Marmor und Alabaster nach Plänen des Brügger Malers Lancelot Blondeel entstandenen Kamin, dessen hölzerne Verkleidung die ganze Wand einnimmt und eine Apotheose Kaiser Karls V. ist und mit unzähligen Wappenschilden seine Abstammung und seine Herrschaftsansprüche dokumentiert. Der Kaiser wird von seinen vier Großeltern umgeben, Kaiser Maximilian I. (22.3.1459-12.1.1519), Maria Herzogin de Bourgogne (1457-27.3.1482), Ferdinand V. König von Kastilien, Leon, Aragon, Valencia, Mallorca, Navarra und Neapel (10.3.1452-23.1.1516) und Isabella Königin von Kastilien und Leon (22.4.1451-26.11.1504). Das heraldische und ikonographische Programm wurde plastisch umgesetzt von Guyot de Beaugrant, ein Meister aus Mecheln. Diese Kamindekoration ist selbst für Brügger Verhältnisse ein außergewöhnliches Kunstwerk, sowohl im kunsthandwerklichen und gestalterischen als auch im heraldischen Sinne.
Literatur,
Quellen und Links:
Stadtwappen von
Brügge: http://www.ngw.nl/int/bel/b/brugge.htm
Stadtwappen von Brügge: http://vls.wikipedia.org/wiki/Stadswoapn_van_Brugge
Wappen der deutschen Kaiser: http://www.heraldique-europeenne.org/Regions/Allemagne/Empereurs_Germaniques.htm
Wappen Karls V.: Franz Gall, Österreichische Wappenkunde:
Handbuch der Wappenwissenschaft, 3. Auflage, Böhlau Verlag, Wien
1996, ISBN 3-205-98646-6
Detlev Arens, DuMont Kunst Reiseführer Flandern, DuMont
Reiseverlag, Ostfildern, 2009, ISBN-10: 3770130057, ISBN-13:
978-3770130054
Brugse Vrije: http://nl.wikipedia.org/wiki/Brugse_Vrije, http://vls.wikipedia.org/wiki/Brugse_Vrije
Architekturdenkmäler in Brügge: Livia Snauwaert, Gids voor
architectuur in Brugge - http://books.google.de/books?id=MiluvpH6yf0C Nr. 44
Ortsregister - Namensregister
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