Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1613
Andernach (Stadtteil Kell, Landkreis Mayen-Koblenz)

Bad Tönisstein, Heilbad

Bad Tönisstein, mit seinen Mineralquellen einst ein schon bei den Römern bekanntes Heilbad und ein barocker Kurort im Brohltal, in neuerer Zeit (1974-2005) hauptsächlich als Fachklinik für alkohol- und drogenabhängige Menschen bekannt, wobei der Name "Tönis" eine Verballhornung von "Antonius" ist und sich auf das in der Nähe befindliche, 1465 gegründete und 1802 aufgehobene und heute bis auf einige Ruinen zerstörte Karmeliterkloster Antoniusstein bezieht. Bad Tönisstein gehört heute zu der früher selbständigen und seit 1970 eingemeindeten Gemeinde Kell, jetzt Stadtteil von Andernach. Im Grunde besteht Bad Tönisstein nur aus einigen wenigen, einen Hotel-, Heilbad- und Klinikkomplex bildenden Gebäuden, an denen wenig zum Verweilen einlädt, wenn man hier die Straße vom Rheintal in Richtung Laacher See nimmt, die aber dennoch von historischem Interesse sind, denn das Heilbad war einst im 17. und 18. Jh. bei den Kölner Kurfürsten als Sommeraufenthalt beliebt. Bereits Kurfürst Ernst von Bayern (reg. 1583-1612) könnte den Ort schon als Badeort für sich entdeckt haben, sein Nachfolger Ferdinand von Bayern (reg. 1612-1650) hielt sich nachweislich in Bad Tönisstein auf, der nächste Wittelsbacher auf dem Kölner Bischofsstuhl war Maximilian Heinrich von Bayern (reg. 1650-1688), war hier ausbauend tätig und ließ 1666 ein Sommerschloß erbauen, von dem aber nichts mehr da ist. Dessen Neffe folgte als vierter Wittelsbacher in Köln nach, Joseph Clemens von Bayern (reg. 1688-1723), der die Sommerresidenz weiter ausbaute und den Brunnentempel errichten ließ, und der fünfte Wittelsbacher in Köln, Clemens August I. von Bayern (reg. 1723-1761), erwarb 1739 die Heilquelle von der Stadt Andernach im Tausch gegen ein paar Befestigungen in Andernach, wo die kurfürstliche Burg stand. Auch dieser Wittelsbacher ließ das Bad weiter ausbauen, die Pläne waren zeittypisch hochfliegend, wie zeitgenössische Pläne verraten, aber nur wenig wurde ausgeführt. Von der einst mondänen Kuratmosphäre ist heute nichts mehr zu spüren, Barock-Schloß und Rokoko-Kapelle sind untergegangen, 1794 ff. war es in der Franzosenzeit aus mit feudalem Prunk, aus den Mineralquellen wurde schließlich eine Sprudelfabrik, nur einige ganz wenige bauliche Spuren erinnern heute noch an die vergangene Zeit, vor allem der 1700 erbaute zierliche Brunnentempel mit seinen vier toskanischen Säulen und der welschen Haube als Dach und das Wappen über dem Torbogen am rechten Teil des Komplexes, welches hier vorgestellt werden soll.

Der undatierte Wappenstein gehört, wie ein erster Blick auf die Felder verrät, zu einem Wittelsbacher (Herzschild, falsch angestrichen) auf dem Kölner Bischofsthron (Feld 1, korrekt angestrichen), wovon fünf hintereinander den Kurstaat regierten. Welcher ist es nun? Die Möglichkeiten schränkt Feld 2 (falsch angestrichen) ein, denn nur zwei der fünf waren gleichzeitig Bischof von Freising, Ernst von Bayern und Joseph Clemens von Bayern. Feld 3 (richtig angestrichen) schränkt die Wahl noch weiter ein, denn nur der letztgenannte Bischof war auch noch Bischof von Regensburg. Alle fünf waren zeittypische Multi-Bischöfe und Ämterakkumulierer, Ernst von Bayern war Bischof von Köln, Münster, Lüttich, Hildesheim und Freising, dazu noch Fürstabt von Malmedy und Stablo, Ferdinand von Bayern war Bischof von Köln, Hildesheim, Lüttich, Münster und Paderborn, Maximilian Heinrich von Bayern war Bischof von Köln, Lüttich, Hildesheim sowie von Münster und dazu noch Fürstabt von Malmedy und Stablo, Joseph Clemens von Bayern war Bischof von Köln, Lüttich, Hildesheim, Freising und Regensburg und dazu noch Fürstpropst von Berchtesgaden, und der letzte Wittelsbacher dieser Fünferserie, Clemens August I. von Bayern, war Bischof von Köln, Münster, Paderborn, Hildesheim und Osnabrück und Hochmeister des Deutschen Ordens, alles gleichzeitig. Ihm gehörte praktisch der ganze katholische Norden Deutschlands, und wegen seiner fünf Bistümer wurde er auch "Herr von Fünfkirchen" genannt. Zurück nach Bad Tönisstein: Dieser Wappenstein gehört damit zu Fürsterzbischof und Kurfürst Joseph Clemens von Bayern.

Anordnung in Bad Tönisstein, mit korrigierten Tinkturen, denn die momentane Farbgebung ist in weiten Bereichen fehlerhaft:

Ein beiderseits hochgerafftes rotes Tuch rahmt das Wappen als Wappenmantel ein, die herabhängenden roten Schnüre mit ebensolchen Troddeln treffen sich unten in der Mitte. Über dem Wappen ruht eine rot mit nach außen umgeschlagenem Hermelinaufschlag gefütterte Krone mit fünf sichtbaren Bügeln, oben ein kleiner blauer, golden beschlagener Reichsapfel mit goldenem Kreuz, hinter dem Schild schrägrechts der Krummstab und schräglinks das Schwert.

Zum Auftraggeber dieses Wappens, Joseph Clemens von Bayern. Seine Lebensgeschichte erlaubt eine Eingrenzung der Datierung: Es gibt mehrere Phasen in seinem episkopalen Leben, die ihn fünf verschiedene Ämterkombination innehaben ließen: 1685-1688 war er Bischof von Regensburg und Freising, 1688-1694 von Köln, Regensburg und Freising und Fürstpropst von Berchtesgaden, 1694-1702 war er Bischof von Köln, Regensburg, Lüttich und Fürstpropst von Berchtesgaden, 1702-1716 war er Bischof von Köln, Hildesheim, Regensburg, Lüttich und Fürstpropst von Berchtesgaden, 1716-1723 war er Bischof von Köln, Hildesheim, Lüttich und Fürstpropst von Berchtesgaden. Dadurch, daß hier im Schild die Felder der Bistümer Köln, Regensburg und Freising und das der Fürstpropstei von Berchtesgaden zu sehen sind, läßt sich die Herstellungszeit dieses Wappens auf den Zeitraum 1688-1694 einengen, denn der Bauherr war nur in dieser Zeit Fürstbischof von Freising und Köln und dazu noch Fürstpropst von Berchtesgaden, wie folgende Skizze illustriert:

Eine Zeitperiode ist hier gestrichelt gezeichnet, denn es sollte nicht unerwähnt bleiben, daß er nach der über das Rheinland hereinbrechenden militärischen Katastrophe im Exil in Frankreich lebte, 1706 in die Reichsacht kam, genau wie sein Bruder Max Emmanuel, der die gleiche antikaiserliche und profranzösische Politik vertreten hatte, und erst 1714 im Frieden von Rastatt rehabilitiert wurde. So war der Kölner Thron de facto in dieser Zeit vakant, und die Amtsgeschäfte wurden vom Domkapitel geführt. Dennoch war er in dieser Zeit nicht vom Papst suspendiert oder abgesetzt und galt kirchenrechtlich als amtierender Bischof.

Gegenüber Literaturangaben sind hier in Bad Tönisstein nicht nur etliche Felder fehlerhaft tingiert, sondern die Anordnung selbst ist eine andere, denn die Inhalte der Felder 4 bis 7 sind anders verteilt. Anordnung nach Gatz:

Wie oben gezeigt, änderte sich die Ämterkombination für diesen Bischof mehrfach, und entsprechend auch der Aufbau des Wappens. Als Beispiel für eine andere Kombination sei ein späteres, ab 1702 mögliches Wappen beschrieben:

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
http://www.aw-wiki.de/index.php/Bad_T%C3%B6nisstein
http://www.kreis-ahrweiler.de/kvar/VT/hjb1962/hjb1962.47.htm
http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/J/Seiten/JosephClemensvonBayern.aspx
Max Braubach: Joseph Clemens von Bayern, in: Neue Deutsche Biographie, Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, S. 622 f., online
http://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016327/images/index.html?seite=638 ff.
http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Clemens_von_Bayern

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