Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 1506
Artelshofen (Vorra, Landkreis Nürnberger Land)
St. Jakobuskirche Artelshofen
Das idyllisch am Flußlauf der Pegnitz gelegene Artelshofen wird ganz von seinem Ensemble historischer Bauten bestimmt, ein mauerumfriedeter Schloßbezirk mit gleich daneben liegender Kirche (links im Bild). Das Herrenhaus (rechts im Bild) ist vom Typ eines Weiherhauses und besteht aus einem mehrstöckigen Wohnturm, der einst von einem Wassergraben umgeben war und in seinen Anfängen auf das 14. Jh. zurückgeht, in seiner heutigen Form aber auf einen Umbau um 1550 zurückgeht, 1552 niedergebrannt und danach wiederaufgebaut. Die Besitzgeschichte ist kompliziert, Besitzerwechsel waren häufig. Bis ins 15. Jh. gehörte Artelshofen den Herren von Sittenbach, einem Sulzbacher Ministerialengeschlecht, danach den Holdolt, den Herren von Freudenberg, den Herren von Egloffstein, den Groß, den von Ploben, den Tucher und den Ebner, danach den Harsdörffer, die von Nürnberg (seit 1504 Landesherr) 1576 das Patronatsrecht über die Kirche übertragen bekamen und den Herrensitz zu Artelshofen 1626 an die Tetzel verkauften. Käufer war Johann Jakob I. Tetzel, geb. 1595, gest. 1646, 1616 vermählt mit Magdalena Schwab. Und diese Patrizierfamilie ist es, die mit ihrer Heraldik das Äußere und Innere der St. Jakobus-Kirche maßgeblich prägt.
Die etwas zurückgesetzt neben der Umfassungsmauer des Schlosses gelegene einschiffige Kirche, etwas hinter dem Pfarrhaus versteckt, ist ein barocker Bau von 1709-1710, der einen gotischen Vorgängerbau ersetzte, der baufällig geworden war. Seit 1576 war der Schloßherr auch der Patronatsherr der Kirche mit allen Rechten und Verpflichtungen, ein Recht, das von den Harsdörffer erworben wurde und zur Bauzeit von den neuen Besitzern, den Tetzel, wahrgenommen wurde. Die Pläne stammten von Baumeister Mösel. Es ist ein Kleinod, das von außen nicht ahnen läßt, daß im Innern eine künstlerisch und heraldisch wertvolle Ausstattung wartet.
Zweimal das Wappen der Tetzel, in Rot eine aufspringende silberne Katze. Die Tetzel waren 1626-1736 Herren von Artelshofen, zuletzt in Form einer Familienstiftung. Die links abgebildete, farbig gefaßte Wappenkartusche in barockem Stil befindet sich am Altaraufbau (eine Arbeit des Bildhauers Leonhard Bronig aus Wöhrd), die rechts abgebildete Wappenkartusche ist außen über dem Haupteingang im Westen eingemauert.
Das Kirchenschiff ist einschiffig und wird durch einen Gurtbogen vom Chor abgetrennt. Die Inschrift (nicht im Bild) datiert den Bau: Soli Deo Gloria 1709. Am Übergang zwischen Gurtbogen und Deckenwölbung des Kirchenschiffes befindet sich inmitten der Stukkaturen von Donato Polli ein farbig gefaßtes Wappenmedaillon mit dem Tetzel-Wappen, diesmal auch mit Oberwappen, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken eine wachsende silberne, hersehende Katze.
Dieses prächtige barocke Allianzwappen befindet sich am polygonalen Chorabschluß mittig über dem Altar, dessen Spitze unten in das Bild ragt. Die beiden asymmetrischen, aufeinander bezogenen Kartuschen werden von üppiger Barock-Ornamentik eingefaßt, sind oben von einer Laubkrone überhöht und werden von zwei geflügelten Stuck-Putten als Schildhaltern flankiert. Es sind die Wappen der Tetzel heraldisch rechts (in Rot eine aufspringende silberne Katze) und der Tucher heraldisch links (geteilt, oben von Silber und Schwarz fünfmal schräglinks geteilt, unten in Gold ein schwarzer Mohrenkopf), passend zu Johann Christoph Tetzel, geb. 1665, gest. 1727, der 1691 Artelshofen von seinem bankrotten Onkel Gustav Philipp zurückkaufte und 1727 den Fideikommiß errichtete, und dessen 1688 geehelichter Frau Maria Katharina Tucher, geb. 1668, gest. 1727. Johann Christoph Tetzel machte im Rat Karriere, wurde 1705 Alter Genannter, 1708 jüngerer Bürgermeister, 1709 Rugherr, 1711 Landpfleger, 1714 älterer Bürgermeister. Das Paar hatte keine Nachkommen, und die Tetzel starben mit seinem Neffen aus.
In den Glasfenstern der Kirche sind einige historische Glasscheiben, die älter sind als der jetzige Kirchenbau. Sie wurden als Schmuck in die neue Kirche übernommen. Dieses Wappenmedaillon zeigt innerhalb einer Lorbeerkranz-Umrandung das Vollwappen der Tetzel wie beschrieben, mit einer Helmzier, die nicht der Blickrichtung des Helmes folgt; optisch unten rechts ist ein Beischild mit dem Stammwappen der Haller von Hallerstein (in Rot ein schwarz gefüllter, schräger, linker, silberner Sturzsparren). Diese Kombination paßt zu Karl Erasmus Tetzel, geb. 1623, gest. 1667, der 1644 Anna Felicitas Haller geheiratet hatte, geb. 1621, gest. 1684, Tochter von Hans Albrecht Haller. Karl Erasmus Tetzel war derjenige, der 1674 Kirchensittenbach verkaufte. Er war übrigens ein Onkel des oben erwähnten Johann Christoph Tetzel. Karl Erasmus Tetzel wurde 1649 Ratsmitglied als Alter Genannter und 1655 Rugherr sowie jüngerer Bürgermeister, 1658 Landpfleger, 1665 älterer Bürgermeister. Die Ehe war kinderlos; die Familie wurde von seinen beiden Brüdern fortgesetzt.
Ein weiteres Glasfenster mit Tetzel-Wappen, mangels Inschrift oder Beischild nicht namentlich zuzuordnen. Das Vollwappen ist eingefügt in eine phantasievolle Scheinarchitektur mit reich verzierten Säulenkapitellen und -Basen, die Freiräume beiderseits der Helmzier werden durch Fruchtgehänge bereichert. Oben in der Mitte ein geflügelter Engelskopf.
Dieses Wappenmedaillon ist ganz analog zum vorher beschriebenen des Karl Erasmus Tetzel aufgebaut, und beide Medaillons bilden stilistisch eine Einheit, sind vermutlich auch zeitnah entstanden. Außer in gestalterischen Details unterscheiden sie sich natürlich durch den Beischild, der hier das Wappenbild der Bayer (im Schöler unter Pair/Pairn geführt, Tafel 106), in Silber ein blauer Greif. Es handelt sich damit bei dem Stifter dieser Scheibe um Philipp Jakob Tetzel, geb. 1624, gest. 1669. Er war der mittlere Sohn des ursprünglichen Erwerbers von Artelshofen, Johann Jakob I. Tetzel. Philipp Jakob hatte Maria Helena Bayer geheiratet und war Pfleger in Engelthal. Artelshofen verkaufte er 1665 für 12000 Gulden an seinen jüngeren Bruder Gustav Philipp Tetzel, geb. 1632, gest. 1696, der 1691 Bankrott machte, floh und zuvor Artelshofen wiederum an seinen Neffen Johann Christoph für 18000 Gulden verkaufte. Seine Schulden waren immens: 131011 Gulden, eine damals schier unvorstellbare Summe. Seine hoffnungsvolle Ratskarriere fand damit auch ein jähes Ende. Zurück zum Stifter dieser Scheibe: Philipp Jakob Tetzel war der Vater des in der Stuckdecke des Chores vertretenen Johann Christoph Tetzel und der jüngere Bruder des Karl Erasmus Tetzel (analoges Glas-Wappenmedaillon, s. o.). Er kam auf eigenartige und seltene Weise um, denn er wurde von einem Hirsch zu Tode gestoßen.
Es ist kompliziert: Der Enkel Johann Christoph kaufte das von seinem Großvater Johann Jakob I. 1626 erworbene, von seinem Vater Philipp Jakob 1646 ererbte und 1665 wegen eigener Schulden an den Onkel Gustav Philipp veräußerte Gut 1691 bei dessen Bankrott wieder zurück.
Der Herrensitz Artelshofen wurde Teil der von Johann Christoph Tetzel errichteten Familienstiftung. Die Verwaltung lag noch vor dem endgültigen Aussterben der Tetzel 1736 seit 1728 in den Händen von Hieronymus Wilhelm Ebner, der 1748 Eigentümer von Artelshofen wurde und dieses dem eigenen Fideikommiß eingliederte, danach waren die Haller Verwalter, und 1816 wurde der Herrensitz zu Artelshofen an den Nürnberger Unternehmer Karl Benedikt Schwarz bzw. von Schwarz verkauft - er wurde geadelt, um die Grundherrschaft ausüben zu können, es ist derselbe, der auch Henfenfeld erwarb. 1932 erwarb die Familie Holzschuher den Herrensitz Artelshofen, im frühen 21. Jh. wurde er an die Familie Bischof verkauft. Weitere Wappenscheiben im Innern entstammen diesen Besitzverhältnissen und zeugen von ihnen, eine Scheibe zeigt das Wappen Schwarz, durch einen blauen, mit drei goldenen, fünfzackigen Sternen belegten Balken von Gold und Silber geteilt, oben ein schwarzer, golden bewehrter Adler, unten zwei rote Zinnentürme, auf dem gekrönten Helm mit rechts golden-silbernen (sic) und links blau-silbernen Decken ein schwarzer, mit einem fünfzackigen goldenen Stern belegter Adlerflügel (von Schwarz auf Artelshofen und Hirschbach, vgl. Siebmacher Band: Bay Seite: 114 Tafel: 139). Eine zweite, stilistisch gleich gestaltete und ebenfalls neuzeitliche (1932 datiert) Scheibe zeigt ein Holzschuher-Wappen (geviert, Feld 1 und 2: in Gold ein links gekehrter, schwarzer Holzschuh mit silberner Einfassung (Stammwappen), Feld 2 und 3: in Blau das Brustbild eines silbernen, golden gewandeten Sarazenen mit blau-silbernem Kopftuch (sog. weißen Mohren), auf der Herzstelle das silberne, rot gerandete Kreuz des Christus-Ordens) für Wilhelm Freiherr von Holzschuher mit einem Beischild (in Blau ein roter Balken, begleitet oben von einem Auge und einem fünfstrahligen Stern, unten von zwei fünfstrahligen Sternen, hier alle vier Figuren silbern) für seine Ehefrau Andulka geb. Gräfin de Maistre. Eine weitere heraldische Darstellung ist eine runde Wappenscheibe für Karl Sigmund Frhr. von Holzschuher (Inschrift nennt Datum 1503). An der flußseitigen, nordöstlichen Umfassungsmauer des Herrensitzes findet sich übrigens ein weiteres, verwittertes Holzschuher-Wappen wie beschrieben.
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers
Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag
Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999,
Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6
Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger
Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte,
herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg.
Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS
Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN
978-3-87191-333-4.
Robert Giersch, Andreas Schlunk, Bertold von Haller, Burgen und
Herrensitze in der Nürnberger Landschaft, Verlag Altnürnberger
Landschaft, 560 S., über 600 z. T. farb. u. hist. Abb., mit
Übersichtskarte u. Orts- u. Personenreg., 2007, ISBN
978-3-00-020677-1
Schlösser und Burgen in Mittelfranken, von Ruth Bach-Damaskinos,
Jürgen Schabel, Sabine Kothes. Hofmann Verlag Nürnberg, ISBN
3-87191-186-0.
Kirchengemeinde Artelshofen: http://www.e-kirche.de/Gemeinde-Artelshofen
St. Jakobuskirche Artelshofen: http://www.offene-kirche-bayern.de/st.jakobus-artelshofen
Herrensitz Artelshofen: http://www.herrensitze.com/artelshofen.html
Toby Hacker, Peter Schramm, Chronik von Artelshofen 976-1976,
Vorra 1976.
Veröffentlichung der Bilder aus dem Innenraum der St.
Jakobuskirche in Artelshofen mit freundlicher Genehmigung von
Herrn Pfr. Daniel Lischewski vom 24.11.2010, wofür ihm an dieser Stelle ganz herzlich
gedankt sei.
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