Bernhard
Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 1471
Nürnberg (Mittelfranken)
Nürnberg, St. Sebald, außen: Schreyer-Landauer-Epitaph
Das sog. Schreyer-Landauer-Epitaph, benannt nach zwei nicht zum Patriziat, sondern zum wohlhabenden Bürgertum gehörenden Familien, befindet sich an der nördlichen Außenseite des Ostchores von St. Sebald, und ist ein 1492 zu Ostern fertiggestelltes Meisterwerk des Bildhauers Adam Kraft. Die Datierung befindet sich zentral unterhalb des Mittelteiles auf der Konsole. Es war des berühmten Bildhauers erstes größeres Werk, und es war zugleich ein kunsthistorischer Paukenschlag, mit dem er an die Öffentlichkeit trat, direkt an einer der wichtigsten Nord-Süd-Wege im alten Nürnberg gelegen. Der so wohlhabende wie sparsame Auftraggeber Sebald Schreyer hatte einen Bildhauer gefunden, dessen herausragende Arbeit noch nicht mit einer adäquaten Bekanntheit verbunden war. Nach diesem Werk schuf Adam Kraft weitere Epitaphien, u. a. das ebenfalls in dieser Sammlung vorgestellte Peringsdörffer-Epitaph (siehe Frauenkirche), das Sakramentshaus von St. Lorenz und den Kreuzweg vom Tiergärtnertor zum Johannisfriedhof etc. Weitere Werke von Adam Kraft, die ebenfalls in dieser Sammlung vorgestellt werden, sind das Wappenrelief an der Mauthalle und das am Kornhaus der Burg.
Zunächst muß vorangestellt werden, daß es für ein Epitaph ungewöhnlich ist, keine Inschrift mit Daten zu den Personen aufzuweisen, an die mit dem religiösen Bildwerk erinnert werden soll. Ähnliches ist uns zuvor schon bei dem Relief der Holzschuher begegnet. Wie dort ist aber eine solche Fülle an Heraldik vorhanden, daß allein durch die Zusammenhänge und Kombinationen der Wappen unmißverständlich klar ist, an welche Personen erinnert werden soll, so daß eine Inschrift, falls sie nicht doch vorhanden war und später verloren ging, eigentlich nicht nötig ist. Wie auch schon am Holzschuher-Epitaph an der Südseite von St. Sebald werden auch hier großmaßstäbliche religiöse Inhalte mit kleinmaßstäblichen Figuren der Stifter und Bedachten kombiniert, so daß das Bildwerk zur Einheit aus heilsgeschichtlichen Inhalten und Totengedächtnis wird, und genau das ist das Wesen eines Epitaphes, die Einbindung der Erinnerung an bestimmte Personen in einen religiösen Kontext und in die Andacht des Betrachters unabhängig vom eigentlichen Ort der Bestattung. Und so erfüllt die Stiftung eines Epitaphes einen doppelten Zweck, einerseits ist es ein gottgefälliges Werk, eine gute Tat, die als Vorsorge für das jenseitige Schicksal getätigt wird, andererseits klinkt man sich so in die Andacht der Gläubigen vor dem heilsgeschichtlichen Inhalt ein, was ebenfalls im Sinne einer Fürbitte oder Fürsprache einen positiven Einfluß auf den Übergang vom Diesseits ins Jenseits hat, insbesondere auf die Dauer des gefürchteten Fegefeuers.
Abb. links: Mittelrelief, Detail der Szene der Grablegung Christi, vom Schmerz bewegte Maria Magdalena zu Füßen Christi. Abb. rechts: linkes Flügelrelief, Detail der Auferstehungsszene mit einem Soldaten.
Das aus Sandstein gehauene Epitaph hat gewaltige Dimensionen. Es ist dreiteilig wie ein halb aufgeklappter Flügelaltar und wird so zur Nische zwischen zwei Strebepfeilern des Chores, zur Straße hin mit einem Schutzgitter verschlossen. Der Mittelteil ist 4.2 m breit, die beiden Seitenteile 1.7 m, so daß sich die Relieflänge auf 7.6 m addiert, bei 2,5 m Höhe. Stilistisch ist das Werk noch der Spätgotik zuzurechnen. Man darf davon ausgehen, daß das Relief ursprünglich bemalt war. Inhaltlich sehen wir auf den drei Teilen drei Szenen aus der Passion Christi, auf dem rechten Flügelbild den das Kreuz schleppenden Christus, im mittleren Teil seine Grablegung und auf dem linken Flügelbild seine Auferstehung.
Abb. links: rechtes Flügelrelief, Detail der Kreuztragungsszene, dieser Mann zerrt Christus an einem Strick weiter. Abb. Mitte: Mittelrelief, eine Figur aus dem rechten Teil, die die Dornenkrone Christi in den Händen hält. Abb. rechts: rechtes Flügelrelief, Christus bei der Kreuztragung, unter dem Gewicht zusammensinkend.
In der vorreformatorischen Glaubenswelt war die Errichtung des Epitaphs auch eng verbunden mit den damals üblichen Ablässen. Am 15.9.1489, also noch vor Baubeginn, erwarb Sebald Schreyer einen hunderttägigen Ablaß in Zusammenhang mit Gebet für die Verstorbenen an diesem Ort, und am 22.5.1493 erwarb er einen weiteren, vierzigtägigen Ablaß vom Bamberger Bischof Groß von Trockau (vgl. Bamberger Fenster im Inneren!), und schließlich am 17.10.1508 einen dritten Ablaß für alle, die an seinem Epitaph Andacht halten. So schafft es Sebald, das eigene Interesse in die Interessen aller Gläubigen einzuklinken, und zugleich die Quelle des Heils nicht nur für sich, sondern für alle hier Andacht Haltenden zu erschließen.
An diesem Epitaph finden wir eine ganz reichhaltige Heraldik. Am linken Flügelrelief sind zwei Vollwappen zu sehen, darunter befinden sich am Sockel zehn Schilde. Der Mittelteil weist sechs Vollwappen und acht Wappenschilde auf, und im rechten Flügelbild sind es wiederum zwei Vollwappen, also insgesamt 10 Vollwappen und 18 Schilde. Einige dieser Schilde sind geviert und enthalten noch zusätzliche Informationen über die Verheiratung dieser Söhne und Töchter, so daß sich insgesamt ein ganzes Geflecht familiärer Verbindungen ergibt, die wir im folgenden einzeln nachvollziehen werden.
Genealogie zum Schreyer-Landauer-Epitaph
Dabei ergibt sich bei näherer Betrachtung des Stammbaumes folgende übergeordnete Logik: Der linke Teil der Mittelplatte enthält die Familie (Frauen und Kinder) von Hans Schreyer. Als Ausschnittsvergrößerung ist der Sohn Sebald mit seiner Frau auf der linken Flügeltafel zu sehen. Der rechte Teil der Mittelplatte enthält eine weitere Ausschnittsvergrößerung aus der Familie des linken Mittelteiles, nämlich die um die Tochter Margaretha d. J. und ihren Mann Markus Landauer samt Kindern. Von diesen Kindern ist wiederum ein Sohn mit Frau und Kindern herausgegriffen worden, um separat auf dem rechten Flügelrelief dargestellt zu werden.
So kommt es, daß einige Personen doppelt vertreten sind, Sebald Schreyer im linken Flügelrelief als eigenständiges Familienoberhaupt und in der linken Mitteltafel als Sohn, Margaretha Schreyer d. J. in der linken Mittelhälfte als Tochter und in der rechten Mittelhälfte eigenständig als Mutter, Matthäus Landauer in der rechten Mittelhälfte als Sohn und in der rechten Flügeltafel eigenständig als Familienoberhaupt. Durch diese drei doppelt auftretenden Personen werden die vier einzelnen Teile des durch die Wappen aufgebauten Stammbaumes vernetzt. Und genauso, wie es möglich ist, daß Christus in den drei unterschiedlichen Teilen des Epitaphs mehrfach abgebildet ist, weil die drei Teile zeitlich unterschiedliche Phasen darstellen, so ist es auch kein Widerspruch, diese Schlüsselpersonen der Familiengeschichte jeweils zweimal abzubilden, einmal als Kind und einmal selber als Familienführung. Oder formulieren wir es so: Die Chronologie der Familie wird eingebunden in die Chronologie der Heilsgeschichte, und beides ergibt eine Abfolge von mehreren Bildern unterschiedlicher zeitlicher Einordnung.
Beide Abb.: linkes Flügelrelief. In der rechten unteren Ecke des Auferstehungsbildes folgen aufeinander zwei Vollwappen und zwei Personen im Wechsel. Im rechten Bild sieht man den Stifter des ganzen Reliefs, Sebald Schreyer, geb. 9.6.1446, gest. 22.5.1520, in der Ecke zum Mittelteil kniend. Sein Wappen zeigt in Schwarz eine von zwei aufrechten, gestielten, goldenen, kugeligen Früchten begleitete eingebogene goldene Spitze, belegt mit dem Rumpf einer schwarzen Mohrin mit nach hinten abstehendem Zopf, hier nach links in Richtung auf das Mittelrelief gewendet (Schöler Tafel 123, Siebmacher Band: BayA1 Seite: 91 Tafel: 89, dort werden die Früchte als Majeron-Äpfel bezeichnet. Ebenso in Siebmacher Band: Bg1 Seite: 31 Tafel: 38, dort wird die Frucht als Birne bezeichnet und darauf verwiesen, daß es nach anderen eine aufgebrochene Nuß sei). Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein beiderseits mit dem Schildbild belegter Flug. Sebald Schreyer war übrigens 1482-1503, also genau in dem Zeitraum, in den die Errichtung des Epitaphes fällt, Kirchenmeister von St. Sebald. Für das am 14.9.1490 vertraglich in Auftrag gegebene Epitaph gab er gemäß Werkquittung vom 6.5.1492 zweihundert rheinische Gulden aus, ein Betrag, der sich aber durch Nebenkosten wie Schutzgitter, Brüstung, Dach etc. auf 370 rheinische Gulden insgesamt summierte, dem entspricht in heutiger Kaufkraft der Gegenwert eines Oberklassewagens. Es ersetzte eine ältere, gemalte und mittlerweile schadhaft gewordene Konstruktion.
Im linken Bild ist das Wappen seiner Frau Margarethe Kammermeister (auch Cammermeister oder Camerarius), gest. 14.1.1456, Tochter des Heinrich Kammermeister. Ihr Wappen zeigt in Silber drei (2:1) schwarze Vögel, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken Kopf und Hals eines silbernen (oder nach dem Wernigeroder Wappenbuch schwarzen, am Rücken mit fünf Hahnenfederbüschen besteckten) Vogels (Siebmacher Band: BayA1 Seite: 32 Tafel: 28, Band: BayA2 Seite: 18 Tafel: 11, Schöler S. 36, Tafel 67). Die Kammermeister waren ein ursprünglich aus Bamberg stammendes, 1741 erloschenes Nürnberger Geschlecht, das ratsfähig war und deren berühmteste Vertreter der 1624 verstorbene Philipp Camerarius, erster Prokanzler der Universität Altdorf, sowie der 1574 verstorbene Joachim Camerarius, Professor in Leipzig, waren. Das Geschlecht weilte im 16. und 17. Jh. nur noch sporadisch in Nürnberg und wurde daher beim Tanzstatut nicht mehr berücksichtigt. Margarethes Bruder Sebastian, gest. 1503, ein finanziell gutgestellter Kaufmann, finanzierte gemeinsam mit Sebald Schreyer übrigens den Druck der berühmten Schedelschen Weltchronik. Sebald und Margarethe waren kinderlos, deswegen treten hier keine weiteren Personen in Erscheinung, im Gegensatz zu den anderen Reliefs, und wir finden nur die beiden Vollwappen für die Ehepartner.
Genealogie des linken Seitenreliefs vom Schreyer-Landauer-Epitaph
Die nachfolgende Abbildung zeigt einen Ausschnitt des Mittelreliefs, linker Teil, Beginn der Wappen- und Figurenreihe. Diese Hälfte des Mittelreliefs weist drei Vollwappen auf und fünf Wappenschilde, jeweils den Figuren der Stifter und der Bedachten zugeordnet. Dabei stehen die Vollwappen immer für die Eltern und die Schilde ohne Oberwappen für die Kinder. An der Tracht sind deutlich verheiratete und unverheiratete Töchter zu unterscheiden, erstere tragen die Stoffhaube, letztere zeigen ihr Haar. Und auch am Wappenschild ist deutlich zu sehen, wenn ein Kind verheiratet ist, denn dann wird der Wappenschild geviert aus dem eigenen Wappenbild und dem des Ehepartners. Dieser linke Reliefteil ist der Familie von Hans Schreyer, geb. 7.5.1377, gest. 24.6.1477, gewidmet und bildet ihn selbst, seine beiden Frauen und seine Kinder ab.
Beginnen wir in diesem Bild optisch links: Die Figuren sind alle zur Reliefmitte gewendet, außen werden die Frauen dargestellt, innen die Männer, und sie werden nach ihrem Alter aufgereiht, die ältesten außen, die jüngsten innen. Seine zweite Frau war Genoveva Fuchs, ihr Wappen zeigt in Gold einen aufspringenden roten Fuchs, auf dem Helm mit rot-goldenen Decken der Fuchs wachsend. Rechts daneben steht seine erste Frau, Elisabeth Eyb, deren Wappen hier zwei schräggekreuzte Bögen über einem Stern zeigt, auf dem Helm ein Flug, Farben unbekannt (ohne Lit., Hinweise willkommen). Rechts neben diesen beiden Ehefrauen stehen die Kinder, drei verheiratete Töchter in entsprechendem Kopfputz und jeweils mit geviertem Wappenschild, dann folgen drei Töchter, die als Kind noch kleiner im Maßstab, ohne den Kopfputz und auch ohne Wappenschild dargestellt sind, vermutlich früh verstorbene Kinder, die hier in summa als Gruppe abgebildet sind. Erst nach diesen folgt der Ehemann, Hans Schreyer, die Gruppe der männlichen Familienmitglieder einleitend (s. u.).
Im oben gezeigten Bild sind zwei Töchter zu sehen. Die erste Tochter, also die dritte Person von links, ist Margaretha Schreyer d. Ä., geb. 11.4.1417, gest. 1.1.1459. Sie hatte Konrad Marstaller, gest. 6.4.1470, geheiratet. Ihr Schild ist geviert, Feld 1 und 4: in Schwarz eine von zwei aufrechten, gestielten, goldenen, kugeligen Früchten begleitete eingebogene goldene Spitze, belegt mit dem Rumpf einer schwarzen Mohrin mit nach hinten abstehendem Zopf (Schreyer), Feld 2 und 3: in golden-schwarz geteiltem Feld ein Pferdestriegel in verwechselten Farben (Marstaller). Das Wappen Marstaller, übrigens ein redendes, wird im Schöler auf Tafel 137 abgebildet und im Siebmacher Band: Bg1 Seite: 11 Tafel: 8. Die Helmzier wäre zu schwarz-goldenen Decken ein schwarzer und goldener Flug mit dem Pferdestriegel. Der komplette Schild ist zur Reliefmitte gewendet. Weiter zur Reliefmitte folgt angeschnitten ihre Schwester, Margaretha Schreyer d. J.
Genealogie des linken Mittelfeldes vom Schreyer-Landauer-Epitaph
Margaretha Schreyer d. J., geb. 12.11.1422, gest. 1.3.1457, Stiefschwester des Stifters Sebald, im oberen Bild rechts angeschnitten und im nachfolgenden Bild links vollständig zu sehen, hatte 1438 Markus Landauer, gest. 1468, geheiratet. Ihr Schild ist geviert: Feld 1 und 4: in Schwarz eine von zwei aufrechten, gestielten, goldenen, kugeligen Früchten begleitete eingebogene goldene Spitze, belegt mit dem Rumpf einer schwarzen Mohrin mit nach hinten abstehendem Zopf (Schreyer), Feld 2 und 3: rot mit einer silbernen Spitze und drei (2:1) gestürzten Lindenblättern in verwechselten Farben (Landauer, vgl. Schöler Tafel 39, dort die Spitze eingebogen und die Lindenblätter nicht gestürzt, Siebmacher Band: BayA1 Seite: 47 Tafel: 46 mit umgekehrten Farben, Siebmacher Band: Bg2 Seite: 42 Tafel: 70 ohne Farbangaben, siehe auch Band: Bg1 Seite: 27 Tafel: 31). Die hier nicht abgebildete Helmzier wäre auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein beiderseits wie der Schild bez. Flug. Der komplette Schild ist zur Reliefmitte gewendet.
Abb.: Mittelrelief, linker Teil. Auf Margaretha Schreyer d. J. (s. o.) folgt Anna Schreyer, geb. 15.4.1426, gest. 14.4.1487, vermählt mit Fritz Oertel, gest. 25.10.1449. Ihr Schild ist geviert: Feld 1 und 4: in Schwarz eine von zwei aufrechten, gestielten, goldenen, kugeligen Früchten begleitete eingebogene goldene Spitze, belegt mit dem Rumpf einer schwarzen Mohrin (hier wie alle aus Courtoisie nach links gewendet) mit nach hinten abstehendem Zopf (Schreyer), Feld 2 und 3: silbern-rot mit zwei gegeneinandergekehrten Schrägzinnen schräggeteilt (hier gewendet, daher spiegelbildlich). Letzteres ist das Wappen der Oertel, die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu rot-silbernen Decken ein geschlossener, beiderseits wie der Schild bez. Flug. Das Wappen wird beschrieben im Schöler, Tafel 18, und im Siebmacher Band: BayA1 Seite: 51 Tafel: 50. Später heiratete Anna Schreyer nach dem Tod ihres ersten Mannes noch einmal, ihr zweiter Mann war Fritz Zipfler, gest. 3.7.1474. Er ist hier nicht vertreten.
Auf Anna folgt eine Gruppe von vier als Kinder dargestellten Töchtern (die Genannten hatten an früh verstorbenen Schwestern Elisabeth, Walburga, Katharina und Anna), mit diesen endet die Reihe der weiblichen Familienmitglieder, und ein reines Schreyer-Vollwappen läutet die Reihe der männlichen Familienmitglieder ein, es handelt sich um den Pater Familias, Hans Schreyer, geb. 7.5.1377, gest. 24.6.1477.
Abb.: Mittelrelief, linker Teil. Ausschnittsvergrößerung der beiden Schilde für Margaretha Schreyer d. J., vermählt mit Markus Landauer, gest. 1468, und für Anna Schreyer, vermählt mit Fritz Oertel, gest. 25.10.1449.
Abb. links: Mittelrelief, linker Teil. Rechts neben Figur und Wappen des Pater Familias, Hans Schreyer, geht es weiter mit den dem Alter nach aufgereihten Söhnen. Links im linken Bild ist der Älteste zu sehen, Stephan Schreyer, geb. 19.3.1421, gest. 18.5.1482. Er hatte in erster Ehe Anna Link, gest. 20.12.1446, geheiratet, danach in zweiter Ehe Helena Kraus, gest. 15.5.1493. Als "Nur-Sohn" hat er wie auch die Töchter nur einen Wappenschild, kein Vollwappen wie die Eltern. Sein Wappenschild ist geviert, Feld 1 und 4: in Schwarz eine von zwei aufrechten, gestielten, goldenen, kugeligen Früchten begleitete eingebogene goldene Spitze, belegt mit dem Rumpf einer schwarzen Mohrin (hier wie alle aus Courtoisie nach links gewendet) mit nach hinten abstehendem Zopf (Schreyer), Feld 2 und 3: ein aus einem Dreiberg hervorkommender, geharnischter Arm, einen Säbel schwingend (Link). Die Details erkennt man erst in der Ausschnittsvergrößerung (Abb. rechts) gut. In der Literatur (Schöler Tafel 126) werden die Feldfarbe als golden und der Arm als blau angegeben, allerdings ist die Darstellung ohne Dreiberg und Säbel. Das Kraus-Wappen ist nicht präsent. Rechts im linken Bild ist der jüngere Sohn Sebald Schreyer, geb. 9.6.1446, gest. 22.5.1520, zu sehen, der Margaretha Kammermeister, gest. 14.1.1456, geheiratet hatte. Das sind genau die beiden, die als eine Art Ausschnittsvergrößerung auf dem linken Flügelrelief jeweils mit Vollwappen zu sehen sind, hier im Verbund der elterlichen Familie hat Sebald einen gevierten Schild, Feld 1 und 4: in Schwarz eine von zwei aufrechten, gestielten, goldenen, kugeligen Früchten begleitete eingebogene goldene Spitze, belegt mit dem Rumpf einer schwarzen Mohrin (hier wie alle aus Courtoisie nach links gewendet) mit nach hinten abstehendem Zopf (Schreyer), Feld 2 und 3: in Silber drei (2:1) schwarze Vögel (Kammermeister). Nach diesen folgt in Richtung Mitte noch eine kleine Gruppe Kinder ohne Schild, das sind fünf früh verstorbene Söhne. Die Genannten hatten an früh verstorbenen Brüdern Hans, Fritz, Seitz, Andreas und Konrad.
Damit ist die linke Hälfte des Mittelfeldes abgeschlossen, und im folgenden wenden wir uns der rechten Hälfte zu. Die Trennung des Mittelfeldes in zwei ganz unterschiedliche Hälften wird noch unterstrichen durch die auf dem Sockel mit der Datierung stehende Totenleuchte in Form eines viereckigen Türmchens mit spitzer Bedachung, die in ihrer dämonen- und geisterabwehrenden Funktion daran erinnert, daß zu Füßen des Epitaphs Gräber liegen und einst ein Friedhof rings um den Chor lag. Diese in das Epitaph integrierte Totenleuchte erzeugt große Nähe zu einem Grabmal.
Abb.: Mittelrelief, rechter Teil. Der rechte Teil folgt der gleichen Logik wie der linke Teil: Alle Figuren blicken einwärts zur Mitte, innen (optisch links) stehen die Männer, außen (optisch rechts) die Frauen, die älteren Familienmitglieder stehen außen, die jüngeren innen, die Eltern-Generation hat Vollwappen, die Kinder-Generation hat Wappenschild, die früh verstorbenen Kinder haben nichts. Wir beginnen in der obigen Abbildung mit dem Vollwappen rechts im Bild: Das steht für Markus Landauer, gest. 1468, es ist rot mit einer silbernen Spitze und drei (2:1) gestürzten Lindenblättern in verwechselten Farben, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein beiderseits wie der Schild bez. Flug. Das ist der Ehemann der Margaretha Schreyer d. J., geb. 12.11.1422, gest. 1.3.1457. Beide sind uns bereits in der linken Hälfte des Mittelreliefs begegnet, dort Margaretha als verheiratetes Kind, in dieser Hälfte treten beide als Elterngeneration auf mit eigenen Kindern. Die rechte Hälfte ist also als eigenständige Familienkonstellation zu sehen (Generationen 2 und 3), aber als Fortsetzung der linken Hälfte (Generationen 1 und 2).
Der Logik folgend ist links von ihm im Bild sein Sohn Matthäus Landauer, gest. 1515, zu sehen, der Helena von Rothan geheiratet hatte. Sein Schild ist geviert, Feld 1 und 4: in Gold zwei voneinander abgewandte rote Hähne (Rothan, redendes Wappen), Feld 2 und 3: rot mit einer silbernen Spitze und drei (2:1) gestürzten Lindenblättern in verwechselten Farben (Landauer). Das Wappen der Rothan von Bruckberg wird beschrieben im Schöler auf Tafel 68 und S. 89, ferner im Siebmacher Band: BayA1 Seite: 121 Tafel: 125 und Band: BayA3 Seite: 51 Tafel: 31. Die hier nicht abgebildete Helmzier wäre zu rot-goldenen Decken ein auffliegender roter Hahn. Vor Matthäus steht wieder eine Gruppe von Kindern ohne Schild, das sind sieben früh verstorbene Söhne.
Rechts von Markus Landauers Vollwappen ist bereits die erste Frauengestalt zu sehen, das ist seine erste Frau, Agnes Prückel.
Genealogie des rechten Mittelfeldes vom Schreyer-Landauer-Epitaph
Abb. links: Mittelrelief, rechter Teil: Mit Markus Landauers erster Frau, Agnes Prückel, machen wir weiter: Als Angehörige der Eltern-Generation dieser Familie besitzt sie ein Vollwappen, im Schild ein beiderseits zweimal geasteter und gestümmelter Baumstamm, auf dem Helm ein mit dem Schildbild belegter Flug, Farben unbekannt (Hinweise willkommen)
Abb. rechts: Rechts von Agnes Prückel folgen zwei Töchter von Markus Landauer mit seiner zweiten Frau, Margaretha Schreyer d. J. Die erste und älteste dieser Töchter ist die links im Bild, Barbara Landauer, gest. 1505, die Anton Schlüsselfelder, gest. 1493, 1464 zum Ehemann genommen hatte. Ihr Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in von Silber und Schwarz geteiltem Schild drei deichselförmig im Dreipaß gestellte Schlüssel an einem gemeinsamen Ring in verwechselten Farben (Schlüsselfelder), Feld 2 und 3: rot mit einer silbernen Spitze und drei (2:1) gestürzten Lindenblättern in verwechselten Farben (Landauer).
Hinter Barbara Landauer steht ihre Schwester Cäcilia Landauer, gest. 1499; sie hatte 1455 Hans III. Stark, gest. 1509, geheiratet. Ihr Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber auf schwarzem Dreiberg eine wachsende männliche Figur in roter Gewandung, mit einer schwarzen Kappe mit silbernem Stulp, in jeder Hand einen Karst (eine Hacke oder Haue mit langem Zinken zur Bodenlockerung und zur Ernte) an langen goldenen, auf dem Dreiberg aufgestützten Stielen haltend (Stark), Feld 2 und 3: rot mit einer silbernen Spitze und drei (2:1) gestürzten Lindenblättern in verwechselten Farben (Landauer).
Die Figurengruppe enthält noch mehrere Nebenfiguren ohne Schild, das können früh verstorbene Kinder sein, auch gab es noch eine dritte Schwester, Elisabeth Landauer, gest. 1475, die Nonne war.
Abb.: Mittelrelief, rechter Teil, Ausschnittsvergrößerung. Links ist der Schild für Barbara Landauer zu sehen, die vermählt war mit Anton Schlüsselfelder. Dieser war ein vielseitig engagierter Kaufmann und Montanindustrieller. Er handelte europaweit mit Tuchen, Wolle, Leder und Fellen, und er betrieb Silberbergbau im Erzgebirge, Bergbau in Goldkronach und war im Mansfelder Saigerhandel aktiv. 1481 stiftete er ein Fenster in der Lorenzkirche. Gemeinsam hatten sie einen Sohn namens Wilhelm Schlüsselfelder (1483-1549). Rechts ist der Schild für Cäcilia Landauer zu sehen, die vermählt war mit Hans III. Stark. Hans Stark beteiligte sich zusammen mit seinem Schwiegervater und seinem Schwager am Montangeschäft, und sie kauften zusammen sogar 1479 in Eisfeld (Thüringen) eine Schmelzhütte zur Gewinnung von Kupfer und Silber. Cäcilia und Hans hatten keine Kinder, deswegen gründete Hans Stark 1508 eine Familienstiftung.
Beide Abb.: Mittelrelief, rechter Teil, rechts die Ausschnittsvergrößerung des Schildes. Hinter diesen Töchtern folgt als letzte Person in der Reihe eine weitere Frau mit einem Schreyer-Vollwappen (wie oben beschrieben). Das ist Margaretha Schreyer d. J., geb. 12.11.1422, gest. 1.3.1457, zweite Frau von Markus Landauer, gest. 1468. Hier ist sie, das Pendant zu ihrem viel weiter links stehenden, durch Kinder und erste Ehefrau von ihr getrennten Ehemann. Und sie taucht hier mit ihrem Vollwappen auf, weil sie der Elterngeneration dieses Ensembles angehört, während sie im linken Teil des Mittelfeldes ebenfalls abgebildet ist, allerdings als Teil der Kindergeneration. Damit ist das Mittelrelief komplett abgeschlossen, und wir lassen den Blick zum rechten Seitenrelief schweifen.
Abb.: rechtes Flügelrelief. Im linken Bild ist Matthäus Landauer zu sehen mit seinem Wappen hinter ihm, rechts neben dem Wappen stehen zwei Töchter, von denen eine noch im Bild ist, gefolgt von seiner Frau Helena Rothan, deren Vollwappen im rechten Bild zu sehen ist. Wir erinnern uns, den beiden sind wir schon in der rechten Hälfte des Mittelreliefs begegnet, und Matthäus Landauer ist insgesamt zweimal als Figur abgebildet. Im rechten Mittelfeld war er Angehöriger der Kindergeneration, ganz nah an der Mitte der Tafel stehend. Hier dagegen tritt er als Pater Familias auf mit eigenen Kindern, also auch mit Vollwappen (rot mit einer silbernen Spitze und drei (2:1) gestürzten Lindenblättern in verwechselten Farben, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein beiderseits wie der Schild bez. Flug), seine Frau desgleichen (in Gold zwei voneinander abgewandte rote Hähne, auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein auffliegender roter Hahn). Beide hatten zwei Töchter, die zwischen dem Wappen Landauer und der Figur der Helena knien, sie sind aber ohne Wappen, eine davon ist rechts im linken Bild noch zu sehen. Eine davon hieß Dorothea, sie heiratete 1497 Wilhelm IV. Haller, eine ganz unglückliche Ehe wurde es, kurz nach dem Tod des Vaters floh sie vor ihrem Mann aus der Stadt und ließ sich scheiden (siehe Exkurs unten). Matthäus Landauer war ein Metall- und Waffenhändler von ungeheurem Reichtum. Er stiftete 1501 das Landauersche Zwölfbrüderhaus mit zugehöriger Kapelle, eine Wohltätigkeitsstiftung für den Lebensabend unverheirateter, invalider Handwerker, und er war auch zusammen mit seinem Onkel Sebald Mitstifter dieses Epitaphes.
Genealogie des rechten Seitenreliefs vom Schreyer-Landauer-Epitaph
Exkurs:
Wilhelm IV. Haller und Dorothea Landauer, Szenen einer
dramatischen Ehe
Matthäus Landauer (gest.
1515) kennt man in Nürnberg vor allem als großzügigen Stifter.
Auf seine Initiative hin entstand dieses
Schreyer-Landauer-Epitaph und die Landauersche
Zwölfbrüderstiftung. Innerhalb der Familie hatte seine
Großzügigkeit aber sehr enge Grenzen. Töchterchen Dorothea
(1481-1528) war mit dem Pfinzingsproß Berthold liiert und hatte
sich, obwohl erst fünfzehn, auch schon verlobt. Vater Matthäus
hatte jedoch andere Vorstellungen bezüglich des Schwiegersohns
und setzte durch, daß Dorothea widerwillig Wilhelm IV. Haller
(1478-1534) heiratete.
Berthold XIII. Pfinzing, der sich im oberpfälzischen Sulzbach niedergelassen hatte, wollte das nicht auf sich beruhen lassen. Vielleicht war es die große Liebe, vielleicht aber auch der Hintergedanke, daß Dorothea die Alleinerbin des schwerreichen Montanunternehmers war, jedenfalls klagte der Pfinzing auf die Erfüllung des Eheversprechens, und Nürnberg hatte seinen großen Skandal. Beide Seiten hatten ihre Unterstützer. Der Rat war auf der Seite von Landauer und dem Bräutigam und bestand auf der Gültigkeit der Ehe. Dagegen war unter anderem der Vater des Bräutigams, Wilhelm III. Haller, und auf seine Veranlassung intervenierte sogar Kaiser Maximilian I. Erst zwei Jahre nach der Hochzeitsfeier war die Angelegenheit endgültig geklärt.
Obwohl die Ehe zur Katastrophe geriet, wurde die Fassade aufrecht erhalten, und das Paar bekam immerhin vier Söhne. Hingegen mit dem jähzornigen und gewalttätigen Wilhelm war auf Dauer kein Zusammenleben möglich. Im Rat hatte man dem 26-jährigen Haller alle Wege geebnet und ihn zum frühestmöglichen Zeitpunkt zum jüngeren Bürgermeister gewählt. Doch schon ein Jahr später warf man ihn wieder hinaus. Eigentlich hätte er gute Anlagen gehabt, seine Kenntnisse in Astronomie und Musik wurden gelobt. Aber seine charakterlichen Mängel überdeckten alles. Hinzu kam sein ausschweifender Lebensstil und seine Spielsucht, die seine finanziellen Verhältnisse überstiegen und ihn zwangen, eins ums andere seiner ererbten Landgüter zu verkaufen.
Dorothea klagte ihrem Vater häufig ihr unerträgliche Ehesituation, doch erst nachdem Matthäus Landauer starb, fand sie die Kraft, sich von ihrem Ehemann zu trennen. Als der Rat sie dazu drängte, wieder zu ihrem Gatten zurückzukehren, floh sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf ihre Besitzungen in Wolkersdorf, nachdem sie zuvor heimlich von den Ansbacher Markgrafen Kasimir und Georg Schirm und Schutz erbeten und erhalten hatte.
Die Ansbacher waren von der unverhofften Trumpfkarte beim ewigen Streit mit den Nürnbergern um Territorialrechte natürlich ebenso begeistert, wie die Nürnberger verstimmt reagierten. Um den territorialen Status von Wolkersdorf entspann sich nämlich jetzt ein langjähriger Streit, der erst lange nach Dorotheas Tod und nach mehrfachem Niederbrennen von Ort und Schloß entschärft werden konnte.
Dank ansbachischer Protektion konnte Dorothea vor einem geistlichen Gericht in Bamberg die Scheidung der Ehe durchsetzen. Die Nürnberger opponierten hier nurmehr schwach, Wilhelm Hallers charakterliche Defizite waren einfach zu offensichtlich. Und in solchen Fällen konnte der Rat sehr nachtragend sein: Erst Wilhelms Urenkel Johann Albrecht Haller wurden die Eskapaden seines Ahnen verziehen, und er durfte als erster der Wilhelm-Linie seit über hundert Jahren in der Ratsstube Platz nehmen.
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers
Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag
Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999,
Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6
Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger
Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte,
herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg.
Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS
Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN
978-3-87191-333-4.
St. Sebald, 500 Jahre Grabmal der Familien Schreyer und Landauer
von Adam Kraft, herausgegeben von der Bauhütte St. Sebald
Nürnberg e. V., unter Mitarbeit von Gustav Roeder, Eberhard
Bibelriether, Hermann Geyer, Helmut Herzog, Georg Stolz, mit
Beiträgen von Reiner Soerries, Elisabeth Caesar, Thomas
Kliemann, Stefan Roller, Eike Oellermann. 1. Auflage 2000.
Ortsregister - Namensregister
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