Bernhard Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1469
Nürnberg (Mittelfranken)

Nürnberg, Museumsbrücke

Über die sog. Museumsbrücke führt eine der Haupt-Nord-Süd-Verbindungen zwischen den beiden Teilen Nürnbergs diesseits und jenseits der Pegnitz, zwischen Lorenzer und Sebalder Stadthälfte, zwischen Lorenzkirche und Marktplatz. Der vermutlich älteste Pegnitzübergang an dieser Stelle war eine Holzbrücke, die bereits im 13. Jh. Erwähnung findet. Lang hatten diese Holzkonstruktionen nie Bestand, weil sie immer wieder von Hochwasser hinweggespült wurden, so daß man 1484 erstmals steinerne Unterbauten konstruierte, auf denen die Brücke ruhte (Erwähnung in der Inschrift). Dies geschah unter dem Baumeister Hans Müllner aus Regensburg. Diese Brücke hielt immerhin bis 1590, als ein mächtiges Hochwasser sie das Schicksal ihrer Vorgängerkonstruktionen teilen ließ. 1603 erbaute man ein Provisorium. Die Brücke hatte im Laufe ihrer Geschichte viele unterschiedliche Namen, so z. B. Plobenhofbrücke, Barfüßerbrücke (benannt nach dem nahen Franziskanerkloster), Josephsbrücke (nach König Joseph I.), Königsbrücke (ebenfalls nach König Joseph I.) und Obere Brücke (im Vergleich zur unteren Brücke). Im Jahre 1699 wurde der Ratsbeschluß gefaßt, eine neue, zweibogige Konstruktion ganz in Stein ausführen zu lassen, und so entstand 1700 die heutige Museumsbrücke (Datum in der Inschrift). Heute präsentiert sie sich jedoch wesentlich breiter als ursprünglich, denn sie wurde 1954 (auch wegen Kriegsschäden) komplett abgebrochen und auf das doppelte Maß (20 m) verbreitert unter Wahrung der sonstigen Proportionen und des früheren Aussehens wieder aufgebaut, dabei erhielt sie auch als Hochwassertunnel einen zusätzlichen dritten, kleineren Bogen zu den vorhandenen beiden Segmentbögen hinzu, durch die wie eh und je die Pegnitz strömt. Die Sichtflächen sind auch heute mit hellem Sandstein verquadert und erinnern an die Brücke von 1700, innen jedoch stabilisiert ein Betonkern das Bauwerk. Die Brüstungen mit ihren Steinkugeln sind ebenfalls aus Naturstein und lassen vergessen, daß darunter eine Tragekonstruktion des 20. Jh. ist.

Von heraldischem Interesse sind zwei in der Mitte beiderseits des Fahrweges aufgestellte barocke Aufbauten, kanzelartige Auskragungen, jeweils nach außen gerundet und mit kunstvollen schmiedeeisernen Gittern nach vorne zum Fahrweg hin abgetrennt. Hier ist die reichsstädtische Heraldik präsent, ferner finden wir die Familienwappen der Patrizier, die um 1700 das Stadtregiment bildeten und mit dem Neubau befaßt waren. Es waren in dieser Zeit nur sechs Personen, die die Spitze der städtischen Politik bildeten. Konkret waren das im Baujahr der Brücke: Johann Paul II. Paumgartner (Vorderster Losunger), Johann Adam Geuder (Zweiter Losunger), Karl Gottlieb I. Fürer (dritter Oberster Hauptmann), Karl Gottlieb Harsdörffer, Gottlieb IV. Volckamer und Johann Karl Schlüsselfelder, und in genau dieser Reihenfolge sind die Schilde von heraldisch rechts oben nach links angeordnet, der ranghöchste heraldisch oben rechts. Bei der Erneuerung 1954 restaurierte man beide Aufbauten und setzte sie auf die neuen Außenkanten, nun 10 m weiter auseinander als früher. Der heutige Name der Brücke geht auf die "Gesellschaft Museum", eine Geselligkeits- und Lesegesellschaft, zurück, deren Versammlungshaus in der Nähe lag. Die vorstehenden und die nachfolgenden Abbildungen stammen vom West-Aufbau.

Abb. links: Die Paumgartner (Baumgartner) hatten ein geviertes Wappen, Feld 1 und 4: von Silber und Schwarz geteilt, oben ein rot bewehrter grüner Sittich mit rotem Halsband, unten eine silberne Lilie (Stammwappen Paumgartner), Feld 2 und 3: von Gold und Blau schräglinksgeteilt mit einem Löwen in verwechselten Farben. Hier steht der Schild für Johann Paul II. Paumgartner (Vorderster Losunger). Er wurde 1630 geboren, heiratete Maria Magdalena Haller, bekam Schloß Grünsberg als Mitgift (daher die Wappenvermehrung), wurde 1658 Schöffe am Bauerngericht und am Untergericht, wurde 1661 Alter Genannter des Kleineren Rates, 1664 jüngerer Bürgermeister, 1670 Rugherr, 1679 älterer Bürgermeister, 1690 dritter Oberster Hauptmann, 1694 Zweiter Losunger, 1696 Vorderster Losunger und Reichsschultheiß, und in dieser Eigenschaft als oberstes Oberhaupt der Stadt sehen wir seinen Schild in der Ehrenposition heraldisch rechts oben. Er starb 1706.

Abb. rechts: Die Geuder (Geuder von Heroldsberg) führen in Blau ein gestürztes silbernes Dreieck, an jeder Spitze mit einem silbernen Stern besteckt. Hier steht der Schild für Johann Adam Geuder (Zweiter Losunger). Er wurde 1641 als einziger Sohn von Johann Andreas Geuder und Maria Helena Waldstromer geboren, und er heiratete 1668 Regina Koler. Er schlug erst eine militärische Laufbahn ein, wurde dann aber Nürnberger Bürger. Zunächst war er als Pfleger des Amtes Engelthal tätig, dann 1668 Genannter im Größeren Rat, 1671 Alter Genannter im Kleineren Rat, 1678 jüngerer Bürgermeister, 1686 älterer Bürgermeister1692 Älterer Herr, 1696 dritter Oberster Hauptmann, 1697 Zweiter Losunger. In dieser Funktion sehen wir seinen Schild an der zweitbesten Stelle, heraldisch oben links. Als Johann Paul II. Paumgartner 1706 starb, rückte Johann Adam Geuder als Vorderster Losunger nach. Er starb 1718.

Abb. links: Wappenschild der Fürer, gespalten, vorne in Rot eine halbe silberne Lilie am Spalt, hinten in Silber ein halbes rotes Rad am Spalt. Hier steht der Schild für Karl Gottlieb I. Fürer (dritter Oberster Hauptmann). Er wurde 1635 geboren als Sohn von Christoph I. Fürer und Helena Barbara Pfinzing. Er heiratete 1663 Susanna Sibylla Löffelholz, Tochter von Sebastian Löffelholz. Sein Bruder Christoph VI. war es übrigens, der für die Familie Fürer eine Wappenvermehrung erwirkte. Karl Gottlieb I. wurde 1667 Schöffe am Bauern- und am Untergericht, 1677 jüngerer Bürgermeister, 1682 Rugherr, 1687 Landpfleger, 1690 älterer Bürgermeister, 1694 Älterer Herr, 1697 dritter Oberster Hauptmann. In dieser Eigenschaft sehen wir ihn hier an der Brücke repräsentiert, sein Schild nimmt die drittehrenvollste Position ein. 1706 wurde er noch Zweiter Losunger, als der hier zuerst vorgestellte Johann Paul II. Paumgartner verstarb und der hier als zweites vorgestellte aufrückte. Karl Gottlieb I. verstarb 1708, Vorderster Losunger wurde er nicht mehr.

Abb. rechts: Wappenschild der Harsdörffer. Sie führen in Rot auf einem goldenen Dreiberg einen silbernen Zinnenturm mit Tor, Fenster und zwei Erkern, alles spitzbedacht. Hier steht der Schild für Karl Gottlieb Harsdörffer. Dieser wurde 1677 als Sohn von Georg Philipp Harsdörffer und Susanne Fürer geboren. Bekannt ist sein Vater auch als Mitbegründer des 1644 aus der Taufe gehobenen Pegnesischen Blumenordens. Karl Gottlieb heiratete 1667 Susanna Sabina Behaim, die Tochter von Georg Friedrich Behaim. Er wurde 1677 Alter Genannter, 1682 jüngerer Bürgermeister, 1684 Rugherr, 1688 Landpfleger, 1690 älterer Bürgermeister, 1691 Scholarch, 1694 Älterer Herr. Dies war er, als die Brücke gebaut wurde, und erst 1706, als sich das ganze Stadtregiment um eins nach oben verschob, wurde er dritter Oberster Hauptmann. Karl Gottlieb verstarb am 20.2.1708, ohne noch weiter aufgestiegen zu sein.

Abb. links: Die Familie Volckamer führt einen von Silber und Blau geteilten Schild, oben ein oberhalbes rotes Rad mit drei Speichen, unten eine silberne Lilie. Hier steht der Schild für Gottlieb IV. Volckamer. Er wurde 1648 als Sohn von Friedrich I. Volckamer geboren. Er heiratete 1672 Katharina Philippina Scheurl, Tochter von Christoph Wilhelm I. Scheurl. Gottlieb IV. war es auch, der 1696 eine Wappenvermehrung erwirkte. Er wurde 1673 Genannter des Größeren Rates, 1677 Schöffe, 1679 Alter Genannter, 1682 Ratsbaumeister. Deshalb fiel der Neubau der Brücke ganz besonders in sein Aufgabengebiet. Gottlieb IV. starb am 8.4.1709, nachdem er 1690 jüngerer Bürgermeister wurde, 1691 älterer Bürgermeister, 1696 Septemvir, 1708 dritter Oberster Hauptmann unter Niederlegung des Ratsbaumeisteramtes, und im selben Jahr noch zweiter Losunger.

Abb. rechts: Der Wappenschild der Schlüsselfelder zeigt in von Silber und Schwarz geteiltem Feld drei deichselförmig im Dreipaß gestellte Schlüssel an einem gemeinsamen Ring in verwechselten Farben. Hier steht der Schild für Johann Karl Schlüsselfelder, den letzten im Mannesstamm seines Geschlechtes, geboren 1653 als Sohn von Hieronymus Wilhelm Schlüsselfelder und Maria Salome Tetzel, einziges überlebendes Kind im Mannesstamm von insgesamt 13 Kindern, selbst vermählt 1678 mit Maria Helena Haller. Er verwaltete die Tetzel-Stiftung seit 1685 und richtete 1709 selber die Schlüsselfelder-Stiftung ein, als er, kinderlos, sein Ende kommen sah. Er wurde 1679 Genannter des Größeren Rates und Schöffe. 1681 wurde er Alter Genannter des Kleineren Rates, 1684 jüngerer Bürgermeister, 1692 älterer Bürgermeister, 1696 Septemvir. Als jüngstes Mitglied der Führungsriege sehen wir hier seinen Wappenschild an der letzten Position heraldisch unten links. Erst nach dem Bau dieser Brücke stieg er weiter auf, wurde 1708 dritter Oberster Hauptmann, 1709 kurz vor seinem Tode noch Zweiter Losunger.

Abb. links: Großes Nürnberger Stadtwappen, in Blau ein goldener, gekrönter Jungfrauenadler, hier weiblich dargestellt. Abb. rechts: Kleines Nürnberger Stadtwappen, gespalten, vorne in Gold ein halber, golden gekrönter, schwarzer Adler am Spalt, hinten von Rot und Silber fünfmal schräggeteilt. Eines fehlt noch zur vielerorts anzutreffenden Trias Nürnberger Stadtwappen, das ist der schwarze Adler auf goldenem Grund für die Reichsstadt, dieser befindet sich ganz oben in der Mitte und ist nicht in Stein, sondern in Metall ausgeführt, er ist doppelköpfig mit darüber schwebender Kaiserkrone für das Heilige Römische Reich.

Diese drei letzten Abbildungen stammen von dem östlichen Aufbau. Hier sehen wir keine Patrizierwappen, sondern auf der linken Stirnseite den gekrönten schwarzen Adler auf goldenem Grund, auf der rechten Stirnseite den Schild des Königreichs Ungarn (gespalten, rechts siebenmal von Rot und Silber geteilt, Alt-Ungarn, links in Rot auf grünem Dreiberg ein silbernes Patriarchenkreuz, Neu-Ungarn) und in der Mitte den Schild des Königreichs Böhmen (in Rot ein silberner, doppelschwänziger Löwe). Die Inschrift dieses östlichen Aufbaus ehrt Kaiser Leopold I. (9.6.1640 - 5.5.1705) und König Joseph I. (26.7.1678 - 17.4.1711). Auch hier wird der Aufbau von einer metallenen Ausführung des doppelköpfigen kaiserlichen Adlers oben abgeschlossen. Warum diese Motive? Kaiser Leopold I. war nicht nur 1658 - 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, sondern ab 1655 auch König von Ungarn und ab 1656 auch König von Böhmen, dazu noch ab 1657 von Kroatien und Slawonien (ohne Berücksichtigung hier). Er versuchte auch noch Spanien zu bekommen, wurde sogar 1703 als Karl III. zum König von Spanien ausgerufen, was aber im Spanischen Erbfolgekrieg endete (1701–1713/14), in dessen Verlauf er zu Wien verstarb. Sein ältester Sohn und Nachfolger Joseph I. war ab 1690 römisch-deutscher König, 1705 König von Böhmen und Ungarn und 1705 - 1711 Kaiser.

Der Nürnberger Rat
Anläßlich dieser Repräsentation des Stadtregimentes auf der Brücke soll Grundsätzliches zum allgegenwärtigen und allgewaltigen Nürnberger Rat und seinen Repräsentanten erläutert werden, vor allem zu den Ämtern, zur Rangfolge und zu typischen Ratskarrieren. Hier sollen die oben bei den einzelnen Personen und ihren Wappen aufgeführten Ämter und Begriffe erklärt werden.

Die Reichweite der Ratsherrschaft in Nürnberg war beträchtlich. Es gab keine Gruppe, die nicht unter Ratskontrolle stand. Das Scheitern des Handwerkeraufstands 1348/49 hatte zur Folge, dass Zünfte in Nürnberg streng verboten waren. Die handwerklichen Regelungen, welche andernorts von den Zünften erlassen wurden, verfügte in Nürnberg das städtische Rugamt. Ja, selbst Bruderschaften zur feierlichen Gestaltung von Begräbnissen wurden den Handwerksmeistern untersagt. Kerzen und Bahrtücher waren stattdessen von den städtischen Pflegern auszuleihen.

Der Rat regelte alles, von der Anzahl der Lehrlinge, die ein Meister einstellen konnte bis zur Menge der Gäste, die zur Hochzeit kommen durften und was es dort dann zu Essen gab. Angeblich war der Rat auch für die heutige Größe der Nürnberger Rostbratwürstchen verantwortlich: Der Stückpreis einer Wurst war den Metzgern amtlich vorgeschrieben und als sich das Fleisch verteuerte und der Rat den Wurstpreis nicht korrigieren wollte, so musste eben die Wurst kleiner werden.

Wie sah dieser in der Stadt allgewaltige Rat aus, der sich also mit solch gewichtigen Problemen auseinandersetzte?

Im Größeren Rat oder dem Rat der Genannten saßen zwischen dreihundert und fünfhundert Mitglieder aus der „ehrbaren Familien“. Ausgewählt (d.h. „genannt“) wurden diese vom dem innersten Zirkel des Kleineren Rates, den Älteren Herren. Die Kriterien waren neben einem untadeligen Lebenswandel ein entsprechendes Vermögen. Verfehlungen wie Ehebruch, aber auch Bankrott oder erhebliche Schulden führten dazu, dass die Älteren Herren den Betreffenden aus dem Genanntenbuch strichen.

Zu Sagen oder gar zu bestimmen hatte dieser Größere Rat allerdings nichts. Seine Aufgabe war, bei besonderen Ereignissen, etwa dem Besuch des Kaisers oder eines Fürsten dekorativ herumzustehen und einen guten Eindruck zu machen. Und einmal pro Jahr trat dieses Gremium bei der Ratswahl zusammen. Dann durften die Genannten zwei von insgesamt fünf Wahlmännern für die Kooptierung des Kleineren Rates, die natürlich von den letztjährigen Älteren Herren nominiert worden waren, mit ihrer Wahlstimme abnicken. Entsprechend kümmerlich war die Wahlbeteiligung an der an und für sich obligatorischen Wahl. Als die Beteiligung mit weniger als einem Drittel wieder einmal besonders enttäuschend war, wurden die Fehlenden anschließend zur Rede gestellt. Die Ausreden reichten vom dreisten "Bin da gewesen, aber in der Liste vergessen worden" über Messebesuch, auswärtiger Beerdigung, unaufschiebbarer Arbeiten bis hin zur Abwesenheit wegen Fehlens adäquater Kleidung.

Sämtliche Macht und jegliche Entscheidungsgewalt lagen beim Kleineren Rat, der sich ausschließlich aus den Reihen der ratsfähigen Familien, in Nürnberg Geschlechter genannt, zusammensetzte. Der Kleinere Rat bestand aus 26 Bürgermeistern, nach Dienstalter in 13 jüngere und 13 ältere Bürgermeister unterteilt. Dazu kamen noch weitere acht alte Genannte aus den Geschlechtern, sowie acht genannte Handwerksmeister, deren Einfluss auf das politische Geschehen aber gleich Null war.

Abb.: Struktur des Nürnberger Rates (Graphik: Gernot Ramsauer)

Die Anzahl von zweimal 13 Ratsherren findet sich schon ganz früh in der Anfangszeit der Stadt Nürnberg. Für die Gerichtsbarkeit in der Stadt war ein Reichsschultheiß zuständig. Ihm zur Seite standen 13 angesehene Bürger der Stadt als Schöffen (lat. scabini). Da diese sich vor allem um innerstädtische Angelegenheiten kümmerten, etablierte sich eine gleichstarke Gruppe von Bürgern als Bürgermeister oder consules, welche die Stadt nach außen vertraten. Die Aufgabenverteilung nach Schöffen und Bürgermeistern verschwand mit der Zeit, obwohl sich die Titel consules und scabini bis zum Ende der reichsstädtischen Regierung hielten.

Viel maßgeblicher war die Unterscheidung in je 13 ältere und jüngere Bürgermeister, je nach Ratsjahren. Ratsherren mussten als jüngere Bürgermeister weniger lukrative und weniger einflussreiche Ämter durchlaufen, bevor sie als ältere Bürgermeister in die Spitzenpositionen der Stadt vordringen durften. Eine Ernennung zum Bürgermeister galt im Normalfall auf Lebenszeit. Ein Aufstieg in der alljährlichen Ratswahl zu Ostern war eigentlich nur dann möglich, wenn ein ranghöherer Ratsherr im Jahr zuvor verstorben war. Gewöhnlich rückte dann jeweils der nächstrangige, d.h. dienstälteste Ratsherr auf. Spielten zunächst bei der Wahl noch die Fähigkeit und das Ansehen eines Kandidaten eine Rolle, so galt später, als die Stadtregierung in ihren althergebrachten Formen erstarrte (so ab dem 17. Jahrhundert), ausschließlich das Anciennitätsprinzip, d.h. der Anwärter mit den meisten Ratsjahren erhielt das Amt. Wenn ein hoffnungsfroher Jungpatrizier also nur früh genug anfing und lange genug lebte, hatte er die Gewissheit im Rentenalter in den Führungszirkel der Stadt angekommen zu sein.

Um zum jüngeren Bürgermeister ernannt zu werden, musste der Kandidat verschiedene Kriterien erfüllen: Er musste einer ratsfähigen Familie entstammen und ansehnliches Vermögen besitzen. Es durfte höchstens ein weiteres Mitglied seiner Familie im Rat sitzen. Er musste verheiratet oder verwitwet sein. Nach Einführung der Reformation wurde auf das evangelisch-lutherische Glaubensbekenntnis Wert gelegt. Bis etwa 1500 war es üblich, eine Kaufmannslehre absolviert zu haben, später war ein Universitätsabschluß das Verbreitete. Allerdings war eine Promotion streng verboten. Der Doktortitel erhöhte den Standesrang des Inhabers (auf die Stufe eines adeligen Ritters) und damit wäre er ranghöher gewesen als die anderen Ratsherren. Das durfte nicht sein.

Die vornehmsten und erfahrensten Ratsherren aus dem Kreis der älteren Bürgermeister bildeten das oberste Gremium der Stadt: die Älteren Herren oder Septemvirn. Hier liefen alle Fäden der Stadtregierung zusammen von den Stadtfinanzen bis zur Stadtverteidigung. Mindestens einmal pro Woche trafen sich die Älteren Herren zu einer Sitzung, wo alle wesentlichen Entscheidungen über das Stadtregiment getroffen wurden. Der Kleinere Rat fungierte dann nicht selten nur als Vollzugsorgan. Die Beschlüsse der Älteren Herren wurden im allgemeinen geheim gehalten, insbesondere über die finanzielle Lage der Stadt wusste nicht einmal der Kleineren Rat konkret Bescheid (die im Übrigen ab Mitte des 17. Jahrhunderts katastrophal war).

Natürlich nahmen Ältere Herren auch die obersten Stadtämter ein, zwei Losunger (Finanzen und Steuern) und drei Oberste Hauptleute (Kriegswesen und Polizei). Allerdings waren unter den Älteren Herren nicht immer nur fähige und rüstige Ratsherren zu finden. Erstmals 1414 starben zwei Oberste Hauptleute und unter den Nachrückern gab es scheinbar keine geeignete Persönlichkeit. Darum übernahmen die beiden Losunger Karl I. Holzschuher und Hans I. Tucher die Hauptmannsämter in Personalunion. Diese Verlegenheitslösung schien sich zu bewähren, denn ein solches Doppelamt kam in der nächsten Zeit immer wieder vor und ab 1469 war es durchgängig so, dass die beiden Losunger auch Erster und Zweiter Oberster Hauptmann waren.

Nach dem Aufruhr der Handwerker in Nürnberg 1348/49 und unter dem Eindruck der in die Regierung drängenden Zünfte in anderen Städten berief der Nürnberger Rat 1670 acht Handwerksmeister als Genannte der Handwerker in den Kleineren Rat. Die Handwerke waren genau festgelegt: Bäcker, Bierbrauer, Metzger, Kürschner, Lederer, Schneider, Tuchmacher und Blechschmied. Letztes wurde später durch einen Goldschmied ersetzt. Was als Zugeständnis für die Handwerke zur Mitbestimmung und zur Kontrolle der Ratsregierung eingeführt worden war, wurde bald ausgehöhlt. Der vorderste Genannte der Handwerker hatte eigentlich die Aufgabe, alle Zu- und Abgänge der Stadtkasse zu kontrollieren. Nicht viel später war er aber zum bloßen Türhüter der Losungstube degradiert worden, ein Amt, das 1694 selbst der erblindete Kürschner Paul Rößler ausüben konnte.

Den Nürnberger Handwerksmeistern war untersagt, mehr als zwei Gesellen und  einen Lehrling zu beschäftigen. Die Mitarbeit des Meisters war also zwingend erforderlich um die für ein gutes Auskommen anfallende Arbeit zu erledigen. Darum konnte das Amt eines Genannten der Handwerker durchaus belastend sein. 1509 baten die Handwerker die Präsenzplicht für die Handwerker zu reduzieren. Der Rat entsprach ihrem Wunsch, allerdings nicht ohne das Sitzungsgeld für die Handwerker von 342 auf 52 Gulden pro Jahr zu reduzieren. Trotzdem wurde das Amt eines Genannten der Handwerker aufgrund des Ansehens gerne angenommen. Die Inhaber hatten Anspruch auf die Anrede „Eure Weisheit“ und waren von bestimmten Einschränkungen der Garderobe ausgenommen.

Zur Kompensation der acht Handwerker wurden kurz darauf noch acht Alte Genannte in den Rat berufen. Das Amt war gedacht als Warteposition für Ratsherren, deren Fortkommen zum Beispiel durch andere Familienmitglieder blockiert war oder wenn ein Bürgermeisteramt wegen Krankheit oder anderer Umstände nicht mehr ausgeführt werden konnte. Oft auch waren die hinteren Ränge der Alten Genannten die erste Stufe der Ratslaufbahn für junge Patrizier.

Abb.: Die Sitzordnung in der Ratsstube, beispielhaft die des Jahres 1677. Diese Sitzordnung wurde jedes Jahr zu Ostern mit der Ratswahl für ein Jahr festgelegt. Auf den umlaufenden Bänken lagen Lederkissen mit den eingestickten Wappen bzw. Handwerkszeichen des Platzinhabers. Die Rangfolge von der Ecke oben links (Losunger) nach unten rechts am Ofen (Ratsneulinge) ist klar zu erkennen. Die Ordnung consules rechts und scabini links ist teilweise durchbrochen (Graphik: Gernot Ramsauer).

Eigen war dem Rat eine ausgeprägte Geheimniskrämerei. Nichts durfte von den Ereignissen, den Abstimmungsverhältnissen oder den Diskussionen nach außen dringen; alle Ratsherren mussten dies alljährlich mit ihrem Eid beschwören. Nicht einmal die Namen neugewählter Septemvirn wurden der Bürgerschaft öffentlich verkündet, wenngleich diese sicherlich nicht lange geheim blieben. So war der Verrat von Dienstgeheimnissen bei Ratsherren kein Kavaliersdelikt. Im Gegenteil, der Ratsherr und Losunger Nikolaus III. Muffel wurde zwar wegen Diebstahls aus der Stadtkasse zum Tode verurteilt, aber die Verhaftung geschah eigentlich wegen Geheimisverrats.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-87191-333-4.
Museumsbrücke:
http://www.nuernberginfos.de/bruecken-nuernberg/museumsbruecke-nuernberg.html
Museumsbrücke:
http://www.infonet-service.de/region/nuernbg/bruecken/bk_museu.htm
Museumsbrücke:
http://www.baufachinformation.de/denkmalpflege.jsp?md=1988017185593

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