Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 1326
Freiburg (Breisgau)
Das historische Kaufhaus in Freiburg (1)
Das historische Kaufhaus in Freiburg am Münsterplatz, 1378 erstmalig urkundlich erwähnt, ist nicht nur architektonisch, sondern vor allem auch heraldisch ein Schmuckstück. Das Kaufhaus der Stadt war das wirtschaftliche Zentrum der mittelalterlichen Stadt, hier wurden Handelswaren gelagert, umgeschlagen, verzollt, insbesondere von den durchreisenden Kaufleuten. Es war der Schlüsselort des Warenkreislaufs und Geldverkehrs und diente der Kontrolle des geregelten Ablaufs der Waren- und Geld-Geschäfte, insbesondere der der auswärtigen Kaufleute, dem Schutz der einheimischen Kaufmannschaft (die erst später ebenfalls ihre Waren hier vorführen mußten) und dem wirtschaftlichen Wohl aller Beteiligten. Es war Lager, Bank, Behörde, Verkaufsort, Marktkanzlei und Pfandhaus zugleich. So war es auch strategisch günstig in relativer Nähe zum Schwabentor gelegen, durch das die wichtigste Handelsroute in die Stadt hineinführte. Was das Rathaus für die Politik und das Münster für den Glauben war, war das Kaufhaus für die Wirtschaft der Stadt. Oben wurde bereits auf das Datum der erstmaligen Erwähnung hingewiesen, das war das erste Kaufhaus, nachdem sich die Stadt gerade von den Grafen von Freiburg freigekauft hatte und das wirtschaftliche Leben selber in die Hand nahm. Das heutige Gebäude stammt freilich aus späterer Zeit. Daß sich die Stadt aber nach ihrem Freikauf den Habsburgern unterstellt hatte, ist unübersehbar, das gesamte Figuren- und Wappenprogramm ist habsburgisch.
Entsprechend der Bedeutung des Kaufhauses, dessen Leitung jedes Jahr aus der Kaufmannschaft und aus den Zünften heraus gewählt wurde, wurde der bisherige Bau bald zu klein. Der jetzige Erweiterungsbau zum Münsterplatz hin wurde um 1520-32 vermutlich von Lienhart Müller erbaut, dahinter zur Schusterstraße hin befand sich der ältere Bau. Der bildnerische Schmuck ist in die Endphase 1530-32 zu datieren; er stammt von Sixt von Staufen. Am jüngsten ist die Ballustrade von 1550 (von Jörg Sorger) vor dem fünfachsigen Obergeschoß mit dem Saal. Schmuckstück sind die beiden schlanken und spitzbehelmten Eckerker, die das auf den nächsten Seiten im Detail erläuterte heraldische Programm in der Brüstungs-Zone unter den Fenstern tragen und aus den Ecksäulen herauswachsen, mit glasierten bunten Ziegeln gedeckt. Jede Fläche der Erker weist ein Kreuzstockfenster auf, das oben vorhangbogenartig spitz zuläuft. Das Motiv wiederholt sich in den Fenstern des Saales, diese sind jedoch dreiteilig, und die Mittelzone mit erhöhter Querteilung schließt oben gerade ab.
Gewölbe
der Halle
Vier große Arkaden öffnen
das Erdgeschoß zum Münsterplatz hin, jeweils eine Arkade gibt
Zugang von der Seite. Eine solche offene Laube ist typisch für
solche Kaufhäuser, wo man vor Witterung geschützt die Waren
verladen und vorführen konnte wie in einer offenen Markthalle.
Aber der Bau hinter der Rückwand ist ebenfalls nicht massiv,
denn durch die stabwerkgerahmte Pforte gelangt man in den Hof, zu
dem sich hier wiederum das Erdgeschoß mit großen Bögen
öffnet. Die Decke der kreuzrippengewölbten Vorhalle, in der
hier entgegen dem vorstellbaren dichten Gedränge der
Handelsreisenden, Beamten und Kaufwilligen im 16. Jh. lediglich
ein einsamer Antiquariatsbuchhändler seine wenigen Pappkartons
mit Büchern ausgestellt hat, ist mit heraldisch geschmückten
Schlußsteinen versehen.
Linke Abb.: Schlußstein mit dem Stadtwappen von Freiburg (in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz), rechte Abb.: Schlußstein mit dem Wappen des Erzherzogtums Österreich, in Rot ein silberner Balken.
Linke Abb.: Schlußstein mit dem Wappen von Altösterreich, Niederösterreich, in Blau 5 (2:2:1) gestellte goldene Adler. Rechte Abb.: Drachen-Verzierung an der Rückwand der Bogenhalle.
Fassadenfiguren
An der platzseitigen Fassade
des Obergeschosses sind zwischen den Saalfenstern vier fast
lebensgroße Steinskulpturen unter Baldachinen spätgotischer
Formensprache angebracht, angefertigt vom Meister Sixt von
Staufen. Sie stammen von 1520. Alle vier tragen die Ordenskette
des erst burgundischen und dann habsburgischen Hausordens vom
Goldenen Vlies. Es sind die vier mächtigsten Habsburger der Zeit
dargestellt, die gemeinsam eines der größten Territorialreiche
geschaffen haben:
Karl V (24.2.1500 - 21.9.1558), Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches und König von Spanien, dargestellt
mit Kaiserkrone. Er ist als zweiter von rechts dargestellt,
bärtig, mit erhobenem Schwert in der Rechten und mit Reichsapfel
in der Linken.
Ferdinand I (10.3.1503 - 25.7.1564), Bruder von
Karl V., König von Ungarn und Böhmen, dargestellt mit
Erzherzogshut. Er ist ganz rechts an der Fassade zu sehen. Die
Rechte hält ein Zepter, die Linke ist am Schwert.
Philipp I (22.6.1478 -
25/26.9.1506), König von Kastilien und León, Vater von Karl V
und Ferdinand I., trägt die Krone der katholischen Könige. Er
ist als zweiter von links dargestellt. In der Rechten trägt er
ein Zepter. Er ist der einzige ohne Schwert.
Maximilian I. (22.3.1459 - 12.1.1519), Kaiser
des Heiligen Römischen Reiches, Großvater von Karl V und
Ferdinand I., trägt die Kaiserkrone, ganz links an der Fassade.
Er hält in der Rechten ein aufgestütztes Schwert und in der
Linken einen Reichsapfel.
Rückseite
zur Schusterstraße
An der Rückseite des
Kaufhauses zur Schusterstraße befindet sich ein filigran
gearbeitetes Stadtwappen von Freiburg (in Silber
ein durchgehendes rotes Kreuz) in einer schmiedeeisernen
Oberlichtfüllung. Besonders hübsch sind die durchbrochen
damaszierten silbernen Flächen gearbeitet. In diesem zur
Schusterstraße gelegenen und mehrfach umgebauten Teil des Alten
Kaufhauses befindet sich übrigens ein Rokokosaal mit Stuck von
F. A. Vogel um 1751.
Die
Wappenpracht der beiden Erker
Der eigentliche heraldische
Reichtum dieses Gebäudes ist an den beiden Erkern angebracht.
Insgesamt sind es zehn große und prächtige Wappenscheiben
voller territorialpolitischem Symbolismus der
Habsburgerherrschaft, die hier in Freiburg ein von Granada bis
Ungarn, von Flandern bis Sizilien reichendes Netz habsburgischer
Regierungsgewalt aufspannen. Diese Scheiben stammen ebenfalls,
wie die Figuren, von Meister Sixt von Staufen und wurden
1531-1532 angefertigt.
Die Wappen werden auf den folgenden Seiten im Detail diskutiert, hier soll die Aufmerksamkeit nur auf die Tatsache gelenkt werden, daß einige wenige der insgesamt 10 Wappen mit exquisiten Schildhaltern ausgestattet sind, z. B. Greifen wie im unteren Beispiel, oder Menschen in zeittypischer Gewandung. Schildhalter finden sich jeweils an den beiden äußeren Wappendarstellungen jeden Erkers.
Mehrere Umbauten mußte das alte Kaufhaus erdulden, eine neugotische Renovierung 1880/84 richtete mehr Schaden als Nutzen an, was 1924/25 wieder in besserer Einsicht korrigiert wurde unter weitgehender Wiederherstellung des Zustandes vor 1880. Eine 1987-91 durchgeführte Komplettsanierung des wertvollen Gebäudes ließ das Gebäude in bestmöglicher Authentizität erstrahlen und machte es zugleich für die Bürgerschaft nutzbar. Auch im Innern ist Wappenschmuck, so sind im Saal im Obergeschoß die Wappen der Amtsträger der Jahre 1621/32 zu sehen, allerdings in 1924-25 von Matthias Kobolt erneuerter Form. Besondere politische Bedeutung erlangte dieser Bau übrigens 1946-47, als hier die Beratende Landesversammlung tagte und vom 20.5.1947 bis 1951 der badische Landtag, als Freiburg die Hauptstadt eines eigenen Landes Baden war. Erst nach der Volksabstimmung am 9.12.1951 schloß sich Baden am 25.4.1952 mit Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zum Bundesland Baden-Württemberg zusammen.
Abb.: sich überschneidende Rippen und Zellen des Erker-Unterbaus
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Rosemarie Beck, Helmut
Hartwig, Vom Adler zum Kreuz, Wappen in Freiburg erzählen
Geschichte, 1993, Rombach Verlag Freiburg, ISBN 3-7930-0676-X.
Peter Kalchthaler, Freiburg und seine Bauten, ein
kunsthistorischer Stadtrundgang, Prom Verlag GmbH Freiburg, 2006,
ISBN 978-3-923288-45-8.
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan,
Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag
ISBN 978-3-7686-2515-9
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