Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1325
Freiburg (Breisgau)

Das historische Kaufhaus in Freiburg (3): Rechter Erker

Der rechte Erker wird hinsichtlich seines heraldischen Programms bestimmt von Kaiser Karl V (24.2.1500 - 21.9.1558), Sohn von Philipp I König von Kastilien und León (22.6.1478 - 25/26.9.1506) und Johanna Königin von Kastilien und Aragon (6.11.1479 - 11/13.4.1555). Er wurde 1506 formal König von Kastilien und Herzog von Burgund, lebte aber unter der Vormundschaft seiner Tante in Brüssel. Am 23.1.1516 wurde er im Alter von 16 Jahren dann wirklich König von Spanien. Am 28.6.1519 wurde er zum römisch-deutschen König gewählt und im Jahre 1520 erfolgte die Krönung in Aachen. Damit war er zwar "erwählter Kaiser", doch die richtige Krönung zum Kaiser durch den Papst erfolgte erst 1530 in Bologna. Seinen ersten Reichstag eröffnete er in Worms am 21.1.1521. Von seinen Vorfahren erbte er zahlreiche Territorien: Sein Großvater mütterlicherseits war Fernando V. Rey de Castilla, de León, de Aragón, de Valencia, de Mallorca, de Navarra Rey di Napoli (10.3.1452 - 23.1.1516). 1516 erbte Karl von ihm das Königreich Aragón. Seine Großmutter mütterlicherseits war Isabel Reina de Castilla y León (22.4.1451 - 26.11.1504). Von seinen Eltern erbte Karl 1506 das Königreich Kastilien, obwohl offiziell - zumindest in Spanien - Johanna die Wahnsinnige noch die Herrschaft innehatte. Karl V vereinigte damit zum ersten Mal die Königswürden von Kastilien und Aragón in einer einzigen Person und war damit erster "spanischer" König. Von seinem Großvater väterlicherseits erbte er weitere Territorien, von Kaiser Maximilian I. (22.3.1459 - 12.1.1519) die Habsburger-Länder im Heiligen Römischen Reich und von Maria Herzogin von Burgund (1457 - 27.3.1482) Burgund, Flandern und Brabant. Karl V. regierte bis zu seiner Abdankung am 25.10.1555 in Brüssel. Spanien, Neapel, die Niederlande und die Kolonien übertrug er am 16.1.1556 auf seinen Sohn Philipp, wodurch diese Länder vom Reich getrennt wurden. Am 12.9.1556/24.2.1558 legte er die Kaiserkrone nieder und kehrte nach seiner Abdankung 1556 nach Spanien zurück. Nicht zu den von Karl V beherrschten Territorien zählen übrigens die Wappen von Ungarn, Böhmen, Kroatien und Dalmatien, denn die gehören zu Ferdinand I, der mit Anna v. Ungarn und Böhmen (23.7.1503 - 27.1.1547) verheiratet und in Böhmen und Ungarn König war. Es steht zu vermuten, daß die Anordnung der Wappenscheiben früher anders war.

Wappen 6: Rechter Erker, 1. Feld (ganz links außen)
Der von einer Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies umgebene und mit einer Krone bedeckte Wappenschild ist geviert:

Zur Geschichte Dalmatiens und Kroatiens im Habsburgerreich siehe beim linken Erker.

Wappen 7: Rechter Erker, 2. Feld (Mitte links)
Der von einer Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies umgebene und mit einer Krone bedeckte Wappenschild ist geviert mit Herzschild und weist von allen Wappenschilden am Alten Kaufhaus den komplexesten Aufbau auf:

Zu Granada: Granada war der letzte Überrest maurischer Herrschaft in Spanien. Während die Reconquista erfolgreich die erstmalig 711 unter ihrem Anführer Tariq und später in weiteren Wellen (Almoraviden, Almohaden) eingedrungenen Araber und ihre Herrschaften zurückdrängten, verblieb dieses Sultanat, von den Bergen gut abgeschirmt, noch bis 1492 bestehen. Weltberühmt sind die nasridischen Bauwerke in der Hauptstadt Granada wie die Alhambra. Nach der Niederlage der Almohaden hatte sich das Nasriden-Königreich 1232 als letzter islamischer Staat auf spanischem Territorium etabliert. Seit 1234 waren sie Vasallen von Cordoba. Dieses wurde 1236 von König Ferdinand erobert, wodurch er auch Lehnsherr des Sultanats Granada wurde. So konnte sich das Sultanat durch Anerkennung der Lehnshoheit und Tributzahlungen noch bis 1492 seine Eigenständigkeit bewahren, obwohl es auch territoriale Verluste wie den von Jaén oder 1462 Gibraltar hinnehmen mußte. Letztendlich konnten sie zu ihrem Überleben nur eine "politische Lücke" im Wechselspiel zwischen den Königen von Kastilien und Aragón, zwischen Nordafrika und Genua ausnutzen. Als sich mit Ferdinand und Isabella, den katholischen Königen, Kastilien und Aragón 1479 verbanden, waren die Tage des Sultanates gezählt. 1482-1492 dauerte die Reconquista des Territoriums, sie endete mit der Kapitulation Granadas und der Vertreibung des letzten Sultans, Muhammad XII. (1482-1483 und 1486-1492), genannt Abu Abdullah (verballhornt zu Boabdil). Seitdem gehört Granada zum Königreich Kastilien, wobei die politische Einheit von Granada bis 1833 bestehen blieb, und seit der Eroberung Granadas findet sich der Granatapfel - ein redendes Wappen - im spanischen Wappen. Diese Ereignisse lagen bei der Anbringung der Wappenscheiben am Erker erst wenige Jahre zurück. Granada ist übrigens für Freiburg von besonderem Interesse, weil beide heute Partnerstädte sind.

Zu Sizilien: Wie kommt Sizilien an das Freiburger Kaufhaus? Dazu müssen wir etwas weiter ausholen: Etwas verwirrend ist die Geschichte, weil es zwei Königreiche Sizilien gab, das eine war das Königreich Sizilien auf der Insel Sizilien mit der Hauptstadt Palermo, das andere war das Königreich auf dem süditalienischen Festland mit der Hauptstadt Neapel, auch Königreich Neapel genannt. Beide wurden lange Zeit in Personalunion regiert. Und beide verschmolzen 1816 - 1860/61 zum sog. Königreich beider Sizilien. Doch zurück zu den Anfängen: Den "Sarazenen" folgten die Normannen (unter Roger I., Roger II., Wilhelm II.), die 1131 aus Sizilien, Kalabrien, Apulien, dem Fürstentum Tarent und weiteren Eroberungen das Königreich Sizilien schufen. 1194 ging die Herrschaft über das Königreich an die Staufer über, weil Heinrich VI. (1165 - 1197) 1186 Konstanze von Sizilien (1154 - 1198) geheiratet hatte, Tochter von Roger II. von Sizilien. Heinrich VI. setzte seine Ansprüche auf Sizilien militärisch durch, gestützt auf die hohen Geldmittel aus dem Lösegeld für Richard Löwenherz und dessen erzwungenen Lehnseid, denn zuvor hatte Richard eine Allianz mit dem sizilianischen Gegenkönig Tankred von Lecce geschlossen. Es folgte der Staufer Friedrich II (gest. 1250) als König von Sizilien. 1265 ff. kam es zu einem weiteren Dynastiewechsel, denn der Papst hatte Karl von Anjou auf den Thron von Sizilien befördert, gegen die Ansprüche der letzten Staufer, Manfred (1232 - 26.2.1266) und dessen Neffe Konradin, mit dessen Hinrichtung 1268 der Machtübergang vollendet war. Nun kam es zu einer Aufteilung des Königreichs in zwei: In Neapel festigte das Haus Anjou seine Stellung, und es entstand das angevinische Königreich Neapel, aber auf der Insel wurde die französische Herrschaft nicht akzeptiert, 1282 setzte das Volk stattdessen Peter III. von Aragón als König ein. Er war ein Schwiegersohn des Staufers Manfred (1232 - 26.2.1266). So entstand das aragonesische Königreich Sizilien, und beide Königreiche schlossen 1302 einen Anerkennungsfriedensvertrag. 1442 kam es zu einer temporären Vereinigung unter dem Aragonesen Don Alfonso V. König von Aragón, Valencia, Menorca, Mallorca, von Cerdena, von Corcega, von Jerusalem, von Sizilien und von Neapel (1394 - 1458), aber unter seinen Nachfolgern spalteten sich die Königreiche wieder in zwei auf, beide jetzt aragonesisch: In Sizilien herrschte Alfons' Bruder Don Juan II. König von Aragón, Sizilien, Navarra, Valencia und Mallorca (gest. 19.1.1479), in Neapel Alfons' außerehelicher Sohn aus einer Verbindung mit Giraldona Carlino, Ferrante I. König von Neapel (1423 - 25.1.1494). Neapel kam 1495 zwischenzeitlich wieder an Frankreich, aber 1501/04 an Fernando V. (10.3.1452 - 23.1.1516), Rey de Castilla (1474, durch die Ehe mit Isabel Reina de Castilla y León), de León (1474, desgleichen), de Aragón (1479), de Valencia (1479), de Mallorca (1479), de Granada (Kapitulation 1492), Rey de las Islas y Tierras Firme del Mar Oceano (der überseeischen Kolonien), de Corsica et de Sardegna, de Navarra (Eroberung 1512), Re de Sicilia (1468), Re di Napoli (1501/04). Fernando war der einzig überlebende Sohn von Juan II. (s. o.) und konnte daher alle diese Territorien unter seiner Herrschaft vereinen und durch seine Ehe mit der kastilischen Thronerbin und eine geschickte Politik konnte er Spanien unter seiner Herrschaft als einheitliches Staatswesen einen. Die Erbin dieses ganzen Territoriums war die Tochter Juana Reyna de Castilla y de Aragón (6.11.1479 - 1555, Johanna die Wahnsinnige), die am 21.8.1496 den Habsburger Felipe I. Rey de Castilla y de León (22.6.1478 - 1506) heiratete. Beide waren die Eltern von Kaiser Karl V. Und als Großvater Ferdinand V. 1516 starb, erbte Karl V. von ihm neben allen anderen Territorien auch die Königreiche Sizilien und Neapel. Dies ist die Situation, wie sie hier am Erker dargestellt ist. Im schräggevierten Feld vereinigen sich die aragonesischen Pfähle mit dem sizilianischen Adler. Runde 200 Jahre später wechselten die Besitzverhältnisse wieder, als die spanische Linie der Habsburger im Jahr 1700 ausstarb: Die österreichischen Habsburger regierten fortan das Königreich Neapel, die Insel bekam Viktor Amadeus von Savoyen, durch einen Tausch bekam Habsburg 1720 auch das Königreich Sizilien. Danach kamen beide Königreiche an die spanischen Bourbonen.

Wappen 8: Rechter Erker, 3. Feld (Mitte)
Der von einer Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies umgebene und mit einer Kaiserkrone bedeckte goldene Wappenschild enthält einen schwarzen, golden bewehrten und rot gezungten, golden nimbierten Doppeladler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation mit einem gespaltenen Brustschild, rechts in Rot ein goldenes Kastell, eigentlich dreitürmig und mit blauen Fenstern und ebensolchem Tor, hier ein einfacher goldener Zinnenturm mit Tor und zwei Fenstern, Königreich Kastilien, links in Rot ein silberner Balken, Erzherzogtum Österreich.

Wappen 9: Rechter Erker, 4. Feld (Mitte rechts)
Der von einer Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies umgebene und von einem Fürstenhut (Erzherzogshut) bedeckte Wappenschild ist geviert mit Herzschild:

Zur Geschichte Burgunds, Flanderns und Brabants im Habsburgerreich siehe beim linken Erker.

Wappen 10: Rechter Erker, 5. Feld (ganz rechts außen)
Der von einer Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies umgebene, von zwei Herren in Renaissance-Gewandung gehaltene und von einem Fürstenhut (Erzherzogshut) bedeckte Wappenschild, der so ins Eck gequetscht ist, daß man ihn nicht frontal photographieren kann, ist geviert:

Zu Krain: Heute ist das Land Krain mit dem Zentrum Ljubljana ein Teil der Republik Slowenien. Einst war es eine selbständige Grenzmark (Markgrafschaft), die dem Herzogtum Kärnten vorgelagert war und sich einst aus diesem heraus gebildet hatte. 1269 kam das bis dahin unter mächtigen Adelsgeschlechtern (Weimar-Orlamünde, Weichselberger, Andechs-Meranier, Babenberger, Sponheimer) aufgeteilte Krain an das Königreich Böhmen, dann 1278 an Rudolf von Habsburg nach dessen Sieg auf dem Marchfeld. Das Land Krain wurde als Pfand vergeben. Als die Meinhardiner (Grafen von Görz) mit Heinrich von Kärnten 1335 ausstarben, erlosch das Pfandrecht, und das Haus Habsburg konnte Besitz ergreifen. 1364 wurde Krain zum Herzogtum, in zeitnahem Zusammenhang mit der Selbsterhebung der Herrscher von Österreich zu Erzherzögen - eine Standeserhebung, die sonst eigentlich der Kaiser vornimmt. Diese erfolgte durch das von Rudolf IV. gefälschte Privilegium Maius. Vermutlich war das eine Reaktion auf die Tatsache, daß das Haus Habsburg in der Goldenen Bulle unberücksichtigt war. Dieses Privilegium Maius erklärt Österreich zum Erzherzogtum und stellt es reichsrechtlich den Kurfürstentümern ähnlich. Wie auch immer, diese Fälschung (so plump sie auch war, sie enthielt sogar Cäsar und Nero angedichtete Urkunden) wurde zwar früh als solche erkannt, aber nicht geahndet, sondern 1453 sogar von Kaiser Friedrich III anerkannt. Zurück zu Krain: Das Herzogtum Krain wurde wenige Jahre später territorial vergrößert, als das Haus Habsburg 1374 die Windische Mark, die Weiße Mark und Poik erbte und dem frischgegründeten Herzogtum zuschlug. 1394 wurde es auch offiziell zum Herzogtum erhoben. Krain gehörte mit der Steiermark, Kärnten, Istrien, Görz und Triest zur Ländergruppe Innerösterreich. Erst unter Napoleon wurde Krain wieder von Österreich abgetrennt unter Bildung der sog. Illyrischen Provinzen. 1813/14 kam Krain wieder an Österreich zurück, erst als Teil eines Königreichs Illyrien, 1849-1918 als selbständiges Kronland.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Rosemarie Beck, Helmut Hartwig, Vom Adler zum Kreuz, Wappen in Freiburg erzählen Geschichte, 1993, Rombach Verlag Freiburg, ISBN 3-7930-0676-X.
Peter Kalchthaler, Freiburg und seine Bauten, ein kunsthistorischer Stadtrundgang, Prom Verlag GmbH Freiburg, 2006, ISBN 978-3-923288-45-8.
Habsburger-Wappen: Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1
Erich Zöllner, Geschichte Österreichs - von den Anfängen bis zur Gegenwart, Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1990, ISBN 3-7028-0304-1, Oldenbourg Verlag, München, ISBN 3-486-46708-5

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