Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 1322
Freiburg (Breisgau)
Freiburger Münster, Westfassade
Zwei herrlich plastisch gearbeitete Wappenschilde aus Sandstein begegnen uns an der Westfassade des Freiburger Münsters. Auf je einem Sockel sind die sitzenden Figuren der Grafen von Freiburg unter einem Baldachin dargestellt, auf ca. 1280-1290 zu datieren. Die Seitenteile der Sockel sind voller Tiere und Fabelwesen, doch die stark nach vorne gekippte Vorderfläche des Sockels trägt jeweils einen Wappenschild der Grafen von Freiburg, der innerhalb eines Bordes von Wolkenfeh einen Adler zeigt. Die Dreidimensionalität ist hervorragend eingesetzt, denn im Wesen ist die dreieckige Fläche des Sockels identisch mit dem Schild, und dadurch, daß der Wolkenbord zweimal nach hinten zurückgestuft wird, der den Betrachter anblickende Adler jedoch plastisch nach vorne ragt, wird die klare architektonische Form wieder gerundet, gemildert und aufgelöst und insgesamt von einer dichten gotischen Figurenwelt überzogen.
Die Grafen von Freiburg sind Nachkommen der Grafen von Urach, die aufgrund der Einheirat von Agnes von Zähringen die Zähringer beerben und nach deren Aussterben 1218 (Tod von Berthold V. v. Zähringen ohne männliche Nachkommen) die Herrschaft in Freiburg übernehmen konnten und sich nach der Stadt nannten. Nach den Zähringern wurden sie die treibende Kraft für den Bau des Münsters, welches vermutlich auf Initiative von Berthold V von Zähringen um 1200 begonnen wurde. Sie beherrschten die Stadt bis 1368, als sich die Bürger loskauften und Freiburg für die nächsten 5 Jahrhunderte (mit Unterbrechungen) an Habsburg überging. Das war auch zugleich eine Zäsur im Münsterbau, nur wenige Jahre später wurde der Bau am Münster eingestellt. Zu dieser Zeit hatte Freiburg ca. 9000 Einwohner, die das Projekt des Münsterbaus stemmen mußten. Danach beschränkte sich die Herrschaft der Grafen von Freiburg auf die Besitzungen in und um Badenweiler. 1444 starb der letzte Graf von Freiburg. Im Wappen der Grafen von Freiburg erkennen wir das Zähringer-Wappen mit dem roten Adler auf goldenem Feld wieder, durch einen Bord verändert. Der Bord greift ein Motiv des Wappens der Grafen von Urach auf (geteilt, oben in Gold ein schreitender roter Löwe, unten mehrfach von Feh und Rot geteilt). Das Wappen ist also eine Kombination Urach-Zähringen. Und sofort fällt die heraldische Nähe zum Wappen der Fürstenberger auf, die ebenfalls von den Grafen von Urach abstammen, und deren blau-silberner Doppelwolkenbord sich aus der oben diskutierten Quelle entwickelte. Die Teilung erfolgte unter den Söhnen von Egino V., der Agnes von Zähringen geheiratet hatte: Während Graf Konrad nach der Teilung im Breisgau die Linie der Grafen von Freiburg etablierte, wurde Heinrich, sein jüngerer Bruder, mit dem Besitz im Kinzigtal, im Schwarzwald und auf der Baar zum ersten Grafen von Fürstenberg.
Im Münster selber sind im üblicherweise unzugänglichen Chorbereich mehrere Grabplatten mit dem Wappen der Grafen von Freiburg, als Vollwappen mit Helmzier. Bei dieser handelte es sich wohl ursprünglich um einen Fellballen, eine aus Pelzwerk gebildete Kugel, die dann heraldisch silbern tingiert wurde. Auch diese Helmzier finden wir bei den verwandten Fürstenbergern wieder.
In der rechten Abb. erkennt man den südlich angebrachten Grafen von Freiburg, der das Schwert als Zeichen sowohl der Gerichtsbarkeit als auch der Gerechtigkeit über seine Knie gelegt hat.
Freiburger Münster, südliche Vorhalle
Oben wurde bereits angedeutet, daß mit dem Übergang der Stadt von den Grafen von Freiburg an Habsburg der Bau des Freiburger Münsters zum Erliegen kam. Ein Grund dafür war auch ein wirtschaftlicher Niedergang der Stadt im 14. Jh., die Rezession war durch das Versiegen der Silberminen im Münstertal mitverursacht. Erst in der Mitte des 15. Jh. begann ein neuer Aufstieg zu neuem Wohlstand, nachdem Freiburg nicht zuletzt durch Gründung der Universität 1457 zum kulturellen Zentrum Vorderösterreichs geworden war. Der Bau des Freiburger Münsters war längst Bürgersache geworden. Die Beaufsichtigung von Planung, Ausführung, Vergabe von Aufträgen und Finanzen oblag den sog. Münsterpflegern, das waren drei oder vier Freiburger Bürger, denen sich aus der Geistlichkeit noch der Hüttenherr (Leiter der Dombauhütte) zugesellte. Dieser wurde auch Fabrikschaffner oder Münsterschaffner genannt. 1471 baute man wieder weiter am Münster und beendete die Baupause. Das bedeutendste Werk dieser Zeit wurde der spätgotische Ostchor, der Architekt war bis 1491 Hans Niesenberger aus Graz. Das Chor-Gewölbe wurde 1510/1511 von "Meister Hans" vollendet. Der Kapellenkranz entstand im Laufe des 16. Jh., und diese Kapellen bergen im Innern einige heraldische Darstellungen. Während an einigen Langschiff-Pfeilern wenige Wappen sind, sind es vor allem diese Kapellen im Chor, die die Freiburger Familien-Heraldik des 16. Jh. beherbergen (ohne Abb.).
Noch spätere An- und Einbauten des Freiburger Münsters sind der Renaissance-Lettner von Hans Böringer aus dem Jahre 1579, die Maßwerk-Brüstungen des Kirchenschiffs von 1604-1609 und die Renaissance-Vorhalle von Michael Glück aus dem Jahre 1620 vor dem Kopfende des spätromanischen Querschiffs im Süden (Abb. oben rechts). Im Detail staunt man, wie viel der Bausubstanz der hauptsächlich gotischen Kirche erst in der Renaissance hinzukam. Um genau diese Vorhalle geht es hier, denn hier finden sich wieder Wappendarstellungen an der oberen Brüstung auf den durch netzartiges Maßwerk getrennten Rechtecksflächen, vier auf der Südseite und je eines auf den Seitenelementen im Westen und im Osten. Bei der Zuordnung sind noch einige Fragen offen.
Das Wappen auf der Ostseite (ohne Abb.) gehört zum Baumeister Michael Glück, dort ist auch die Datierung zu lesen, und die Initialen MGWDB stehen für Michael Glück, Werkmeister dieses Baus. Die anderen Wappen gehören zu den Bauherren, dem Münsterschaffner (1) und den Münsterpflegern (3), sowie zu einem Sponsor (1), so daß wir insgesamt auf 6 Wappen kommen. Abb. links: in geteiltem Schild zwei schräggekreuzte Vogelbeine mit den Krallen nach oben, den Initialen GW zugeordnet (mir unbekannt, Hinweise willkommen), Abb. rechts: vermutlich in rot-silbern gespaltenem Schild ein Flug in verwechselten Farben, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein rechts silberner, links roter offener Flug, das Wappen Federer, das auch am Lettner vorkommt (vgl. Siebmacher Band: Bg5 Seite: 75 Tafel: 85).
Abb.: Maßwerkbrüstung an der südlichen Vorhalle von 1620.
Abb. links: Wappen von Reinach (Initialen V.R.), in Gold ein roter Löwe, doppelschwänzig, meist mit einem blauen Kopf bzw. alternativ mit einer blauen Kapuze über dem Kopf dargestellt, Helmzier ein wachsender goldener Löwe mit rotem Rückenkamm, an dessen Spitzen mit je einer Pfauenfeder besteckt, Helmdecken rot-golden. Dieses Wappen befindet sich an der westlichen Seite der Vorhalle, ist also gewendet, damit der Löwe nicht "in die Wand" schaut, sondern in Richtung auf den Münsterplatz, bzw. "um die Ecke gedacht" sich den Wappen der anderen Münsterpfleger zuwendet. Ein Reinach-Wappen befindet sich übrigens auch am Lettner. Abb. rechts: Ein weiteres Wappen dieser Serie mit schräggerautetem Schild, Helmzier ein wachsender, schräggerauteter Mannesrumpf mit Hut, den Initialen WG zugeordnet (mir unbekannt, Hinweise willkommen).
Abb.: Bezaubernd schöne Ornamente und Schmuckformen an der südlichen Vorhalle.
Freiburger Münster, Ballustrade Südwand
Wie oben erwähnt, gehören auch die Ballustraden des Kirchenschiffs einer späteren Bauphase als dieses selbst an. Sie entstanden in den Jahren 1604-1609 und gehören zeitlich in die Renaissance. Sie befinden sich in sehr großer Höhe, die nachfolgenden Aufnahmen sind extreme Tele-Vergrößerungen, daher die geringe Qualität. Die beiden Wappen flankieren eine Inschrift, die diese bauliche Zutat "DEO OPT. MAX ATQVE B.(EATAE) MARIAE VIRG(INIS)" dem allerhöchsten Gott und der Jungfrau Maria widmet und die Namen Christoph Walwitz (V.I.D. Saxo.) und Elisabeth Zyperin von Angenstein nennt.
Für Dr. Christoph Walwitz sehen wir in der linken Abb. einen aus Courtoisie gewendeten aufspringenden Hirschen in geteiltem Feld, als Helmzier der Hirsch wachsend. Die Familie von Walwitz (oder später auch von Wallwitz) aus Sachsen und Anhalt führt jedoch nach der Lit. (Siebmacher) in goldenem Feld (ungeteilt!) einen roten, aufspringenden Hirschen, als Helmzier der rote Hirsch wachsend, Decken rot-golden, genealogischer Zusammenhang und Herkunft der Teilung ungeklärt, zudem ein sehr häufiges Motiv, Hinweise willkommen. Der Stein ist auf 1608 datiert und trägt ein Steinmetzzeichen. Für Elisabeth Zyperin von Angenstein sehen wir in der rechten Abb. das entsprechende Wappen neben einem zweiten, anderen Steinmetzzeichen. Der Schild ist ziemlich verwittert, als Helmzier sehen wir eine wachsende Figur. Es handelt sich dabei um eine Familie Zipper (Zipper von Angenstein). Angenstein ist eine Burg im Kanton Basel-Land, die der Basler Bischof Melchior von Lichtenfels 1557 seinem Kanzler Wendelin Zipper verlieh, mit der Auflage, die zerstörte Anlage innerhalb einer gegebenen Frist wiederherzustellen. Ein Wendelin Zipper wird jedenfalls in Freiburg im 16. Jh. als Universitätssyndicus und Beamter des Basler Exil-Domkapitels in Freiburg genannt. Christoph Walwitz hat eine Frau aus dieser Familie geheiratet, wobei nicht ganz klar ist, ob diese nun eine Tochter des jüngeren oder des älteren Wendelin Zipper war.
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Rosemarie Beck, Helmut
Hartwig, Vom Adler zum Kreuz, Wappen in Freiburg erzählen
Geschichte, 1993, Rombach Verlag Freiburg, ISBN 3-7930-0676-X.
Peter Kalchthaler, Freiburg und seine Bauten, ein
kunsthistorischer Stadtrundgang, Prom Verlag GmbH Freiburg, 2006,
ISBN 978-3-923288-45-8.
Freiburgs Geschichte: http://www.freiburgs-geschichte.de/1218-1368_Freiburgs_Grafen.htm
Heike Mittmann, Münsterbauverein: Das Münster zu Freiburg im
Breisgau, Kunstverlag Josef Fink, 5. Auflage 2008, ISBN
978-3-933784-26-1
Wendelin Zipper: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/299/pdf/dissruth.pdf
Ortsregister - Namensregister
Zurück zur Übersicht Heraldik
©
Copyright / Urheberrecht Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter
2010
Impressum