Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1319
Freiburg (Breisgau)

Das Sickingen-Palais in Freiburg

In der Salzstraße befindet sich gegenüber der ehemaligen Deutschordenskommende das Sickingen-Palais. Beide bilden leicht gegeneinander versetzte Pendants, beide sind spätbarocke Architekturen, beide sind dreistöckig, beide besitzen 13 Fensterachsen, beide haben einen übergiebelten Mittelteil von drei Achsen mit einem Balkon über dem Prachtportal. Aber das Sickingen-Palais hat im Unterschied zu seinem Gegenüber zwei ganz leicht zurückgesetzte Seitenflügel von je zwei Achsen Breite, deren oberstes Stockwerk zurückspringt und Platz für eine Terrasse mit steinerner Ballustrade macht. Die beiden gegenüberliegenden Bauwerke haben nur wenige Jahre Abstand, und doch ist die Deutschordenskommende noch dem Rokoko verbunden, während Louis Seize nur im Innern anklingt, das Sickingen-Palais steht jedoch eindeutig an der Schwelle zwischen Spätbarock und Frühklassizismus. Eine mit Putten und Trophäen besetzte steinerne Ballustrade von 1772 bildet den oberen Abschluß des Mittelteils. Das Erdgeschoß ist durch ein kräftiges Gurtgesims von den oberen Etagen des Corps de logis abgesetzt.

Abb. links: Pflaster-Mosaik vor dem Sickingen-Palais. Das in Entsprechung zur Darstellung am Gebäude oval ausgeführte Wappen der Freiherren von Sickingen zeigt hier innerhalb eines rotes Bordes in Schwarz fünf (2:1:2) silberne Kugeln. Abb. rechts: Das Sickingen-Palais ist großartige Architektur, die in der Enge der Salzstraße nicht richtig zur Geltung kommt.

Die von Sickingen, benannt nach ihrem Kraichgauer Stammsitz, waren später in der Pfalz, im Elsaß und am Mittelrhein begütert. Die Söhne und Enkel des bekannten Ritters Franz von Sickingen (1481-1523) wurden Lehensleute und Burgvögte des Hauses Österreich am Oberrhein. Daneben fanden etliche Familienmitglieder als geistliche Würdenträger den Weg in die Hochstifte Würzburg, Bamberg, Mainz und Konstanz. Die Familie bekam aber auch im Breisgau Grundbesitz durch die 1568 geschlossene Ehe von Friedrich von Sickingen-Hohenburg (24.9.1544 - 10.5.1581, Enkel des Franz von Sickingen) mit Anna Schnewlin von Landeck (4.9.1544 - 16.8.1604), der Erbin von Ebnet, Wittenthal, Wiesneck, Breitnau, Hinterzarten, Orschweier etc. Als nunmehrige Grundeigentümer im Breisgau und in Freiburg, als mehrmalige Bürgermeister der Stadt Freiburg, als Mitglieder und mehrmalige Präsidenten der Breisgauischen Ritterschaft und auch als vorderösterreichische Regierungsbeamte sind die Familienmitglieder eng mit der Geschichte des Breisgaus verbunden. Auf die 1561 im Mannesstamm erloschene Familie Schnewlin von Landeck geht auch der Besitz mehrerer Bürgerhäuser zwischen Salzstraße und Schusterstraße zurück. Das Sickingen-Palais ersetzte die vier Häuser "Zum Maientau" (Mitte links, diesseits des Allmendgäßchens), "Zur Scheuer" (Mitte rechts), "Zum Roten Haus" (links außen jenseits des Allmendgäßchens) und "Zum Wolkenbruch" (rechts außen). Das "Rote Haus" gehörte schon um 1330 einem Ritter Sneweili aus der Linie Bernlapp. Dann kam es an die Linie Landeck, die 1561 erlosch. Anna Schnewlin von Landeck erwarb 1601 das benachbarte Haus "Zum Maientau". Reichsfreiherr Ferdinand Hartmann von Sickingen erwarb 1743 das angrenzende Haus "Zur Scheuer". Erst 1771 konnte sein Sohn Ferdinand Sebastian den letzten Teil des ganz rechts liegenden Hauses "Zum Wolkenbruch" durch seinen Baumeister Leonhard Wippert hinzukaufen, als die Bauarbeiten am neuen Palais schon in vollem Gange waren. Nach hinten kaufte Ferdinand Hartmann von Sickingen bereits 1715 das Haus "Zum Drachenstein", hinter dem "Roten Haus", verkaufte es aber wieder. Seit 1715 hatte sich Ferdinand Hartmann von Sickingen darum bemüht, das Allmendgäßchen überbauen zu dürfen, erst erfolglos, schließlich 1728 erfolgreich. Gegen Zahlung von 180 Gulden durfte er den Allmendplatz hinter seinen Häusern überbauen. Hier hinten erwarb die Familie jenseits der Schustergasse die ehemaligen Häuser "Zum Tagstern" und "Zum hinteren Kanten". Ferdinand Sebastian von Sickingen ließ dort 1753 durch den Maurermeister Joseph Hirschbühl ein Stallungsgebäude errichten. Von diesem im Krieg zerstörten Bau stammt ein älterer Wappenstein seiner Großeltern, der beim Wiederaufbau am Hause Schusterstraße 11a einen neuen Platz gefunden hat (siehe dort, Hotel Oberkirch).

 

Abb.: Wappen im Dreiecksgiebel von 1771 mit weit vorspringender Krone, mit Palmblättern und Lorbeerfeston geschmückt. genau wie beim gegenüberliegenden Deutschordenshaus wurden die bauplastischen Arbeiten von Joseph Hörr ausgeführt.

Zurück zur Salzstraße: Zwischen 1769 und 1779 wurde diese Baugruppe in ein repräsentatives Adels-Palais im Stile der Zeit (Louis XVI.) verwandelt, der Architekt war Pierre Michel d'Ixnard (1723 - 21.8 1795), der als Wegbereiter frühklassizistischen Stiles in Südwestdeutschland gilt, er plante u. a. das Koblenzer Residenzschloß und die Kirche von St. Blasien. Die Ausführung des Baus oblag Leonhard Wippert (1736-1810), erst Maurer- und Steinmetzmeister, später Stadtbaumeister in Freiburg. Bauherr des Freiburger Sickingen-Palais war Johann Ferdinand Sebastian Meinrad Freiherr von Sickingen zu Hohenburg (21.1.1715 - 23.11.1772), Sohn von Ferdinand Hartmann Freiherr von Sickingen zu Hohenburg (1673 - 29.8.1743) und Maria Elisabeth Margareta Sidonia Gräfin von Pappenheim (17.9.1680 - 20.4.1734), siehe unten. Er strebte erst eine kirchliche Laufbahn an, war Domherr zu Würzburg (die Präbende hatte er als Vierzehnjähriger erhalten), resignierte dann vier Jahre später und führte eine weltliche Laufbahn fort, wurde mit 22 Jahren Regierungsrat im Dienste der vorderösterreichischen Verwaltung des Breisgaus, wurde kaiserlicher Rat und 1739 als Nachfolger seines Vaters Präsident der landständischen vorderösterreichischen Ritterschaft. Er heiratete zweimal, in erster Ehe Maria Anna Sophia Greiffenclau v. Volrads (15.4.1722 - 1758), diese Wappenkombination begegnet uns an Schloß Ebnet, das er für sie anstelle des alten Landsitzes hat erbauen lassen und das 1749 fertiggestellt worden ist. Und in zweiter Ehe, diese ist hier relevant, heiratete er Maria Anna Eleonore Sophia Theresia Antonia Walburga Eva Paulina Schenk von Castell (gest. 8.4.1778), und für sie ließ er das Stadtpalais umbauen. Seine bisherige Stadtwohnung in dem 1718 umgebauten und 1728 erweiterten Haus "Zum Maientau" genügte seinen Ansprüchen nicht mehr, insbesondere seit gegenüber der Deutschordenskomtur Freiherr von Rotberg ein prächtiges Barockpalais durch den Ordensbaumeister Bagnato hatte errichten lassen. Der Neubau des Stadtpalais war nicht billig, aber die von Sickingen-Hohenburg hatten ausreichend Vermögen und Grundbesitz, außerdem mehrte eine Erbschaft das Bauvermögen: Des Bauherren Onkel, Casimir Anton von Sickingen, Fürstbischof von Konstanz, verstarb 1750 und hinterließ den Großteil seines Vermögens, während seine Schwester und das Hochstift Konstanz nur gering bedacht wurden. Geplant waren von d'Ixnard 15 Fensterachsen; die Ausführung erfolgte jedoch nur mit 13 Fensterachsen auf einer Frontbreite von 41,80 m. Der Bauherr erlebte übrigens die Vollendung seines Stadtpalastes nicht mehr, sondern erlag zuvor einem Herzleiden. Vollendet wurde der Bau 1773 unter seinem Sohn aus erster Ehe, Johann Nepomuk Kasimir Ferdinand Graf v. Sickingen zu Hohenburg (11.1.1745 - 29.5.1795). Die Witwe lebte nach Fertigstellung noch ca. fünf Jahre in dem Stadtpalais, bis sie 1778 verstarb.

Abb.: Getrennte Photos von beiden Wappenschilden im Giebelfeld. Die Aufnahmeperspektive ist leider wegen der Enge der Straße grenzwertig. Das Wappen der Freiherren von Sickingen heraldisch rechts zeigt hier innerhalb eines rotes Bordes in Schwarz fünf (2:1:2) silberne Kugeln. Das Wappen der Schenk von Castell heraldisch links ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein rotes Hirschgeweih (Stammwappen Schenk von Castell), Feld 2 und 3: in Silber zwei rote Löwen übereinander, einwärtsschreitend dargestellt (Stammwappen Schenk von Landeck). Eine Wappenkombination gleichen Inhaltes befindet sich in Metall ausgeführt am Balkongeländer (Abb. unten).

1944 wurde das Sickingen-Palais zerstört. Die Hauptfassade in der Salzstraße konnte gerettet werden, als einziges, die rückwärtigen Gebäude und der Innenausbau sind neu. 1962-65 wurde das Anwesen durch das Staatliche Hochbauamt Freiburg in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Amt für Denkmalpflege als Justizgebäude wiederaufgebaut. Die Fassade D'Ixnards mußte dabei aber dennoch, obwohl ohne größere Schäden erhalten, gänzlich abgetragen und neu aufgebaut werden, um die Stabilität zu gewährleisten. Die Rückseite des Sickingen-Palais zur Schusterstraße hin ist gänzlich modern. Über einer zurückgesetzten Schaufensterfront befindet sich eine gänzlich mit viereckigen Platten geschlossene gesichtslose Fassade auf Stützen. In diese integriert ist aber in Höhe der Schusterstraße 28 ein historischer Wappenstein im Schatten einer Leuchtreklame des dortigen Geschäftes, 1961 dort eingebaut, etwas weiter östlich als die ursprüngliche Position war. Früher zierte er das Portal des 1728 auf dem einstigen Allmendplatz errichteten Hinterhauses. Es ist ein Ehewappen mit zwei ovalen Schildkartuschen unter gemeinsamer Krone und mit zwei Schildhaltern. Es gehört zu Ferdinand Hartmann Reichsfreiherr v. Sickingen zu Hohenburg (1673 - 29.8.1743) und seiner Frau. Er war der Sohn von Franz Ferdinand Freiherr v. Sickingen zu Hohenburg (20.10.1638 - 12.10.1687) und Anna Maria Franziska Katharina Kämmerer v. Worms gen. v. Dalberg (1645/1648 - 19.1.1697). Ferdinand Hartmann Freiherr v. Sickingen war kaiserlicher geheimer Rat und Statthalter zu Freiburg, dazu Präsident der vorderösterreichischen Ritterschaft. Am 10.3.1711 erhielt er das ungarische Indigenat. Im Jahre 1695 wurde er bambergischer Hofrat, zwei Jahre später kurmainzischer Kammerherr. Seine Frau (Heiratsbrief 13.8.1697) war Maria Elisabeth Margareta Sidonia Gräfin v. Pappenheim (17.9.1680 - 20.4.1734), Tochter von Marquard Johann Wilhelm Graf zu Pappenheim (1.3.1652 - 30.6.1686) und Maria Rosina Konstantia Schenk Gräfin v. Stauffenberg (1649 - 4.8.1683). Ferdinand Hartmann Freiherr v. Sickingen war es, der erste Umbauten an dem von den Schnewlin von Landeck ererbten Immobilienbesitz in Freiburg vornahm, den einstigen Häusern "Zur Scheuer" und "Zum Maientau". 1718/20 ließ er das Haus "Zum Maientau" umbauen, 1728 bebaute er einen Allmendplatz dahinter, und von diesem Bau stammt der Wappenstein.

Das Sickingen-Wappen ist bereits oben beschrieben. Das Wappen der Grafen von Pappenheim ist unter einem Schildhaupt geviert:

Als Schildhalter dienen optisch links ein Schwan, dessen Hals hinten mit hahnenfedergezierten roten Kugeln (auch als rote Äpfel mit drei schwarzen Blättern interpretiert) besteckt ist, der Sickingen-Helmzier entsprechend, und optisch rechts ein Adler.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Rosemarie Beck, Helmut Hartwig, Vom Adler zum Kreuz, Wappen in Freiburg erzählen Geschichte, 1993, Rombach Verlag Freiburg, ISBN 3-7930-0676-X.
Peter Kalchthaler, Freiburg und seine Bauten, ein kunsthistorischer Stadtrundgang, Prom Verlag GmbH Freiburg, 2006, ISBN 978-3-923288-45-8.
Hinweistafel am Gebäude
D'Ixnard:
http://deu.archinform.net/arch/3757.htm
Genealogien:
Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Werner Korn: Das Sickingen-Palais zu Freiburg i. Br., in: Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Jahrgang 8, April-Juni 1965, Heft 2, S. 30-45.
Heiner Gierich: Der Wiederaufbau des Sickingen-Palais in Freiburg i. Br. 1962-1965, in: Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Jahrgang 8, April-Juni 1965, Heft 2, S. 46-55.

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