Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1308
Freiburg (Breisgau)

Das Neue Rathaus von Freiburg

Das sog. Neue Rathaus von Freiburg war früher das von Joachim Schiller erbaute 1539-1545 erbaute Doppelhaus "Zum Rechen" zwischen Rathausgasse und Turmstraße und wurde 1578-1581 nach mehreren Besitzerwechseln mit dem Haus "Zum Phönix" verbunden, das die Universität schon 1559 erworben hatte, und als Universitätshauptgebäude ("Collegium Universitatis") bis 1774 genutzt, danach zog die Anatomie ein, denn durch die Aufhebung des Jesuitenordens konnte das Kolleggebäude von der Universität genutzt werden, zuletzt zog die Poliklinik in das Anwesen ein. Das Gebäude wurde 1891 an die Stadt verkauft und um die Wende vom 19. zum 20. Jh. mit einem neuen Mittelteil versehen und unter Verwendung der historischen Werksteine zum Rathaus umgebaut. Die letzte Renovierung fand 1999/2000 statt.

Der Mittelteil unter dem Dachansatz zeigt vier Wappenschilde, optisch links außen den Adler der Zähringer, in der Mitte links das Wappen der Grafen von Freiburg, in der Mitte rechts das österreichische Wappen mit dem silbernen Balken in rotem Feld, und schließlich ganz rechts außen (im Photo verdeckt) das an Freiburgs öffentlichen Bauten eher spärlich repräsentierte badische Wappen mit dem roten Schrägbalken in goldenem Feld.

Dieses Portal befindet sich an der Nordseite des Neuen Rathauses. Es ist rechts oben mit dem Namen "Haid" und einem Steinmetzzeichen versehen. Im Dreiecksgiebel befindet sich das Freiburger Stadtwappen, es zeigt in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz, wie das alte Hochstiftswappen, das jedoch nicht vor dem 14. Jh. auftaucht. Es ist das selbe Zeichen, mit dem als Banner der Hl. Georg traditionell dargestellt wird, und so findet man es häufig bei Städten, deren Schutzpatron dieser ist, wie bei Freiburg und z. B. auch bei London.

Am südöstlichen Eckerker des Neuen Rathauses stoßen wir auf nicht-städtische Heraldik. Wir sehen auf der Fläche unter dem Drillingsfenster eine an einen Baum gelagerte, reich gekleidete Jungfrau, auf die ein Einhorn zusprengt. Das Einhorn ist das Wappentier des Freiburger Arztes Joachim Schiller, der sein 1539 ff. erbautes Haus "Zum Rechen" mit diesem Relief schmücken ließ. Rechts um die Ecke setzt sich das Reliefprogramm am Erker fort, dort treibt ein hifthornblasender Putto mit Jagdhund das Einhorn auf die Jungfrau zu. Die Symbolik ist durchaus theologisch zu sehen, der jagende Putto entspricht dem Erzengel Gabriel, das Einhorn steht für das Wort Gottes, die Jungfrau für Maria, und Gottes Wort wird in ihrem Schoße zu Fleisch. Diese Verkündigungsszene geht fließend in die Heraldik über. Das rechteckige Inschriftenfeld stützt diese Interpretation: "ALTE HABITAT VIRTVS GENEROSAE CONSCIA PREDAE NON CAPIT HANC SORDES AVT HYPOGEIA COLENS VNA SALVS EST MONOCEROS COMPOSQVE SALVTIS VIRGO A TERRENIS MENTE LEVATA FIDES" - frei übersetzt: Die Tugend lebt erhaben und ist sich des großzügigen Lohnes bewußt, denn nicht Gemeinheit gewinnt, noch wer da schleicht im Finstern, das einzige Heil ist das Einhorn, und die Jungfrau hat Teil an diesem Heil, der Glaube erhebt den Geist über das Irdische.

Joachim Schiller hatte sein Medizinstudium in Tübingen und Freiburg absolviert und veröffentlichte 1531 sein erstes Werk über die Pest. Joachim Schiller war Untertan des Hl. Römischen Reiches, war aber gleichzeitig 1536-1538 als Militärarzt im französischen Heer tätig, eine Art Hochverrat, weshalb er der Stadt verwiesen wurde unter Einzug seines Besitzes. Er konnte nach langen Verhandlungen zwar zurückkehren, aber nie wieder eine Stelle an der Universität bekommen. Er konnte aber 1539 sein Freiburger Haus neu erbauen.

Das korrekte Familienwappen in Form eines heraldischen Schildes sehen wir ganz klein am rechten Rand (Abb. unten links) zwischen zwei Putten, es ist geteilt, oben ein wachsendes Einhorn, unten ein Balken. Hier ist das Einhorn nach außen gewendet, dem Vorplatz zu. Dieses Wappen wurde weiterentwickelt (Abb. unten rechts): An dem Spruchband hängt ein kleines Wappenschildchen, welches gespalten ist, rechts ein schräggestellter Strahl (Pfeilspitze), links geteilt, oben ein wachsendes Einhorn, unten ein Balken. Die Familie nannte sich Schiller von Herdern, denn Joachim (oder schon sein Vater Bernhard?) Schiller hatte das Weiherschloß in Herdern (jetzt in der Freiburger Vorstadt) erworben. Die Herren von Herdern waren im 14. Jh. ausgestorben (Beschreibung des Pfeileisens im Siebmacher III, 118), und die eigentlich aus Riedlingen (früher kurzweg als tirolischer Adel bezeichnet) stammende Familie Schiller (oder Schüller) erhielt Namen und Wappen derselben. 1619 wurde die Familie in Person des Leomann Schiller geadelt, ein Sohn des erwähnten Joachims und tirolischer Kanzler in Innsbruck, gest. 1610, daher auch die Zuordnung "tirolische Familie". Die Familie starb 1643 aus. Der Balken war das erste Wappen, das 1619 mit dem Einhorn vermehrt wurde und wenige Jahre später mit dem Herdernschen Wappen vereinigt wurde. Dabei lassen sich in der Literatur auch Varianten finden, Einhorn rechts und Strahl links, Balken schräg (Siebmacher) oder gerade (wie hier).

Und dennoch haben wir bei diesem Wappen ein déja-vu-Erlebnis: Denn genau dieses Wappen wurde der am 7.9.1802 durch Kaiser Franz II geadelten (Diplom am 16.11.1802 erhalten) und namensgleichen württembergischen Familie Schiller verliehen, die den berühmten Dichter Johann Christoph Friedrich Schiller hervorgebracht hat, und wo mühsam eine genealogische Anknüpfung an die ausgestorbenen Schiller von Herdern gesucht wurde. Tatsächlich aber stammt der Dichter nicht von den Schiller von Herdern ab. Sein Vater war Johann Caspar Schiller aus Bittenfeld (1733 - 1796), sein Großvater Johannes Schiller aus Bittenfeld (1682 - 1733), sein Urgroßvater Hans Kaspar Schiller (1649 - 1687) aus Bittenfeld, sein Ururgroßvater Kaspar Schiller (1623 - 1695) aus Waiblingen. Deren Wappen wird beschrieben im Siebmacher, Band: Pr Seite: 353 Tafel: 405, Band: Wü Seite: 11 Tafel: 14, Band: Pr Seite: 62 Tafel: 81, Band: Erg Seite: 39 und Band: Sa Seite: 15 Tafel: 15. Es ist in der einfachen Form geteilt, oben in Gold ein wachsendes silbernes (sic!) Einhorn, unten in Blau ein goldener Balken. Helmzier auf gekröntem Helm (mit Lorbeerkranz) ein wachsendes silbernes Einhorn, Decken blau-golden. Die gevierte Form des freiherrlichen Wappens (Erhebung 16.2.1845 durch König Wilhelm I., Freiherrenbrief datiert vom 10.5.1845) sieht so aus: Feld 1 und 4: geteilt, oben in Gold ein wachsendes silbernes (sic!) Einhorn, unten in Blau ein goldener Balken, Feld 2 und 3: in Silber ein schräglinksgestellter schwarzer Strahl (Pfeilspitze). Dieser Schild wurde mit zwei gekrönten Helmen geführt, Helm 1 (rechts): ein aufrechter silberner Strahl (Pfeilspitze), Decken schwarz-silbern (Herdern). Helm 2 (links): ein wachsendes silbernes Einhorn, Decken blau-golden (Schiller). Es sei angemerkt, daß der rechte Platz eigentlich dem Helm mit dem wachsenden Einhorn gebührte, denn das ist der wichtigere Helm, entsprechend der Darstellung des Schildmotives in den Feldern 1 und 4. 1819 wurde übrigens noch eine Frankfurter Familie Schiller (Siebmacher Band: Frkft Seite: 9 Tafel: 8) mit einer Variante des Wappens der Freiburger Schiller von Herdern ausgestattet, gespalten von Blau und Rot, vorn im rechten Obereck eine goldene Sonne, darunter zwei schmale goldene Schrägbalken, hinten ein schräg gestellter silberner Pfeil, stark verändert, aber dennoch die Quelle verratend.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Rosemarie Beck, Helmut Hartwig, Vom Adler zum Kreuz, Wappen in Freiburg erzählen Geschichte, 1993, Rombach Verlag Freiburg, ISBN 3-7930-0676-X.
Peter Kalchthaler, Freiburg und seine Bauten, ein kunsthistorischer Stadtrundgang, Prom Verlag GmbH Freiburg, 2006, ISBN 978-3-923288-45-8.
J. Siebmachers Grosses Wappenbuch Band E. Württembergisches Adels- und Wappenbuch. Im Auftrage des Württembergischen Altertumsvereins begonnen von Otto v. Alberti, Bauer & Raspe 1975 (Reprint), 1112 Texts. mit 4132 Wappen + 122 S. Figurenverzeichnis. S. 686.
Schillers Stammbaum:
http://www.adel-genealogie.de/Schiller/is_toc.htm - http://www.mdr.de/DL/5449691.pdf
Schiller Biographie:
http://www.schiller-biographie.de/index.php?id=170&type=1

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