Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 1276
Stein am Kocher (Neuenstadt am Kocher)
Wasserschloß Presteneck
Schloß Presteneck, eines der schönsten erhaltenen und stilistisch reinsten Renaissance-Schlösser Badens, befindet sich im Ortszentrum von Stein am Kocher, das heute in Neuenstadt am Kocher eingemeindet ist. Es ist ein geschlossener dreiflügeliger Bau auf rechteckigem Grundriß (30x18 m), mit einem Rundturm an der Nordostecke versehen, ringsum von einem rechteckigen, rundum gemauerten Wassergraben umgeben. Nach Westen schließt eine Wehrmauer das Geviert, und in der Mitte derselben befindet sich das einzige Zugangstor, über eine den Graben überspannende Brücke zu erreichen. Im Hof befindet sich in der Südostecke ein Treppenturm mit Fachwerkobergeschoß und geschweifter Haube. Im Westen der Brücke befindet sich ein Torhaus, dessen baulicher Zusammenhang aber nicht mehr gegeben ist. Es ist ein stilistisch feiner Bau, aber in schlechtem Zustand etwas verloren abseits. Von den Ökonomiegebäuden ist nur noch das Bandhaus erhalten, das als Zehntscheune und Vorratsspeicher diente.
Das Schloß selbst befindet sich wieder in hervorragend restauriertem Zustand. Es wird privat von mehreren Parteien bewohnt und kann innen nicht besichtigt werden. Der Zugang zum prachtvollen Renaissance-Portal ist frei. 1970 wurde das stark heruntergekommene und von Zerfall bedrohte Schloß vom Land Baden-Württemberg erworben und 1976-81 auf vorbildliche Weise restauriert. So beeindruckt es heute wieder seine Besucher durch überzeugende Wehrhaftigkeit und feine künstlerische Gestaltung im Detail. Nur das Torhaus hatte man damals ausgespart, und es wartet auf Sanierung.
Es gab einst zwei Rittergüter in Stein am Kocher. Das sog. obere Schloß (die sog. Burg zum Stein) auf dem Tuff-Felsen am Schloßberg war um 1300 Sitz eines Konrad von Stein, ein Dienstmann der Herren von Weinsberg. Um 1302 wurde das obere Schloß von seinen Dienstherren als Sitz für die Witwe von Konrad III. von Weinsberg benötigt, und der Dienstmann mußte auf das bislang unbefestigte andere Rittergut wechseln. 1335 wurden das Dorf und beide Schlösser von den Herren von Weinsberg an Kurmainz verkauft. Die Besitzer des Lehens wechselten, erst waren es wiederum die Herren von Weinsberg, diesmal als Mainzer Lehnsleute, aber nicht mehr für Presteneck. Presteneck und Teile des Ortes gingen an die Herren von Berlichingen, dann an die Echter von Mespelbrunn, dann war es Bartholomäus Horneck von Hornberg, dann 1549 Eberhard V von Gemmingen (1500-2.9.1572) aus dem jüngeren Hauptstamm, der 1556 die gesamte Pfandschaft Stein von Kurmainz erwarb. So wurden die Freiherren von Gemmingen Ortsherren, und die Linie Presteneck wurde begründet. Nach dem Tod des Vaters erbte sein Sohn Hans Walther von Gemmingen (1525-23.2.1591) Presteneck und wurde zum Bauherrn des heute vorhandenen Wasserschlosses (ab 1580) und seiner Nebengebäude (Bandhaus 1579, Torhaus 1582/83).
Während Hans Walther Presteneck ausbaute, bekamen seine Brüder Eberhard VI. Bürg und Reinhard Treschklingen. Hans Walther war seit dem 3.9.1576 mit Agnes von Altdorf (Altorf gen. Wallschlägerin, gest. 1593) verheiratet, und ihrer beider Wappen sieht man über dem Hauptzugang. Dieses Portal ist das einzig sichtbare Schmuckstück der Außenseite, und es ist von erlesener künstlerischer Qualität. Es macht die Westseite zur schönsten Seite des Schlosses. Gerade der Gegensatz zwischen dem kompakten, wehrhaften Bau einerseits und den prächtigen Schmuckformen andererseits, zwischen der Üppigkeit des Portals und der geschlossenen, abweisenden Verbindungsmauer zwischen den offenen Enden der Dreiflügelanlage könnte gar nicht deutlicher das Dilemma der Baukunst jener Zeit zwischen Verteidigung und Repräsentation illustrieren. Die gesamte Verbindungsmauer hat nur zwei Fenster in höheren Bereichen, dafür grüßen an beiden Enden der Längsseite die geschweiften Giebel der Flügelschmalseiten, durch je drei Gesimse unterteilt und strukturiert und oben mit je einer Fächerrosette abgeschlossen.
Die Freiherren von Gemmingen führen in Blau zwei goldene Balken. Als Helmzier führen sie zwei wie der Schild mit zwei goldenen Balken belegte blaue Büffelhörner. Helmdecken blau-golden. Die von Altdorf (Altorf/Aldorf gen. Wollschläger) führen einen silbern-blau geteilten Schild. Das Wappen wird im Rietstap/Rolland beschrieben unter "Alttorf/Aldorf", im Zobel unter "Altdorf", dort und im Rietstap auch ein vermehrtes Wappen. Anscheinend nicht im Neuen Siebmacher. Die Helmzier wird in den Quellen als ein silbern-blau geteiltes Paar Büffelhörner beschrieben, Decken blau-silbern. Die Büffelhörner sind im vorliegenden Beispiel jedoch mehrfach geteilt. Dadurch erscheinen beide Helmzieren im absoluten "Partnerlook". Der Wappenstein ist insgesamt hervorragend erhalten, lediglich die Bügel der beiden Helme fehlen. Karyatiden (rechts weiblich, links männlich) tragen das Gebälk. In der Mitte dient ein Bärtiger als Wappenhalter, mit je einer Hand ergreift er eine Helmdecke.
Details vom Renaissance-Portal: Medaillon, Konsole.
Details vom Renaissance-Portal: Steinmetzzeichen, Mittelfratze, Wappenhalterkopf.
Details vom Renaissance-Portal: Zierformen, Helm, Karyatidendetail.
Die Linie der Freiherren von Gemmingen zu Presteneck erlosch 1831. Das wunderschöne Wasserschloß verfiel, und schließlich verkauften es die Erben an die Gemeinde. Das obere Schloß, die alte Burg der Weinsberger, war inzwischen ganz verfallen und wurde im späten 19. Jh. abgetragen, dort steht jetzt eine neugotische Kirche.
Literatur,
Links und Quellen:
Schloß Presteneck: http://www.badischewanderungen.de/Schlo.ss.-Presteneck.htm
Schloß Presteneck: https://www.bauforschung-bw.de/Objekt/.....8/Schloss_Presteneck_Bandhaus.html
Genealogie: Edmund von der
Becke-Klüchtzner, Stamm-Tafeln des Adels des Großherzogthums
Baden: ein neu bearbeitetes Adelsbuch Baden-Baden, 1886 http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/diglit/beckekluechtzner........078d8212a6 S. 155
Rietstap/Rolland
Rolf Zobel: Wappen an Mittelrhein und Mosel, Books on Demands
GmbH, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in
Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1.
Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 358
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