Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1168
Neidenstein (Kraichgau)

Burg Neidenstein (1): Herrenhaus

Burg Neidenstein ist ein sich auf mehreren Ebenen von Nordosten nach Südwesten staffelndes Ensemble über dem gleichnamigen Ort. Es handelt sich um eine typische Hang- oder Abschnittsburg. Neben Burg Steinsberg ist sie eine der schönsten Burgen des Kraichgaus. Ein weitläufiger, sanft ansteigender, an den beiden langen Seiten ummauerter Vorhof birgt zwei Kleinode historischer Fachwerkarchitektur, im Nordwesten das sog. Herrenhaus und im Südwesten das sog. Jägerhaus. Beide Gebäude besitzen ein gemauertes Sandstein-Sockelgeschoß und sind darüber in Fachwerk ausgeführt. Das Herrenhaus ist ein langgestreckter Bau mit Satteldach. Zum Obergeschoß führt ein außen mittig angebrachter Treppenturm, unten aus Sandstein gemauert, oben eine luftige, offene Fachwerkkonstruktion. Das Jägerhaus ist über dem Sockel zweistöckig und besitzt zwei nach Nordosten vorspringende Flügel. Heute ist hier das Heimatmuseum untergebracht. Ein weiteres Gebäude im äußeren Schloßhof ist die katholische Kirche von 1880, die wie ein Fremdkörper wirkt.

Direkt hinter den beiden endet der Vorhof, der außerdem noch den Burgbrunnen und Gartenanlagen enthielt. Eine mit dort sichergestellten Venningschen Grenzsteinen mit den eingravierten charakteristischen schräggekreuzten Glevenstäben flankierte Treppe führt zwischen Mauerresten zur Vorburg hoch. Diese ist heute frei von Gebäuden und ist ein von altem Baumbestand geprägter Platz vor der eigentlichen Kernburg. Der Hauptzugang zur Vorburg erfolgt über den alten Burgweg, der von Nordwesten gerade den Hang zum Ackertor hochführt. Das Ackertor ist das Prunkstück der Vorburg, vollständig erhalten und in Sandstein gemauert. Viele Steinmetzzeichen sind am Innen- wie Außenbogen zu erkennen.

Im rechten Winkel zu diesem Torweg erfolgt der höher gelegene Zugang zur Kernburg, wo ein weiterer Torturm steht, dessen Zier ein über dem Tor befindlicher Erker ist, der trotz seiner verteidigungstechnischen Funktion als Gußerker reich geschmückt ist. Dahinter ragt der Palas auf, noch weiter hangseitig der Bergfried. Der 25 m hohe Bergfried aus dem 13. Jh. und der spätere Palas sind mit einer Mauer verbunden, einen innersten Burghof bildend, vor dem nach Westen und Süden noch ein Zwinger liegt. Die hier befindliche Schildmauer ist 3 m dick und 11 m hoch. Da diese hochgelegene Hangseite die gefährdetste Stelle war, ist sie durch einen breiten, viertelkreisförmigen Halsgraben gegen den Galgenberg geschützt. Die Südmauer ist sogar 16 m hoch. Diese Kernanlage geht auf die Mitte des 13. Jh. zurück.

Die Wehrburg war einst eine Sperrveste des Reiches. Aus dieser ersten Bauphase datieren Bergfried und Ringmauer. Von 1319 datiert ein Bestandsbrief, daß einem Friedrich von Venningen die Burg Neidenstein verliehen wurde. 1385 erfolgt Belehnung der reichsritterschaftlichen Herren von Venningen durch König Wenzel aus Böhmen, einem wichtigen Kraichgauer Rittergeschlecht, welche (insbesondere Eucharius von Venningen) die Burg weiter ausbauten und Palas mit Rittersaal, Kapelle, den Zwinger, die zwei Erker und die Rundtürme errichteten. Der Vorhof wurde erst später mit Wohngebäuden bebaut, als einerseits seine Funktion als vorgelagerte Verteidigungsfläche geschwunden war und andererseits Erweiterungsbedarf groß wurde, denn der Wohnbereich in der Kernburg war beengt. Beide Fachwerkbauten wurden unter Erasmus von Venningen erbaut. Er ließ auch die beiden Tortürme der oberen Anlage errichten und einen weiteren Rundturm der Kernburg.

Burg Neidenstein ist Familienbesitz und wird privat bewohnt. Der untere Bereich und die Vorburg sind frei zugänglich. Damit hat der Interessierte auch Zugang zu den hier beschriebenen Wappen. Eine Besichtigung der Burg selbst ist nach vorheriger Vereinbarung mit dem Rentamt Neidenstein möglich.

Der Wappenstein an der Schneckenstaffel des sog. Herrenhauses ist auf 1538 datiert und fällt in die Herrschaft des Erasmus von Venningen. Er besteht aus insgesamt drei Wappenschilden nebeneinander, der mittlere an beiden Seiten S-förmig geschwungen und oben wie unten spitz eingekerbt, die beiden äußeren innen tartschenartig eingebogen und am Obereck ausgezogen.

Der Wappenschild optisch ganz links ist geviert aus Venningen (in Silber 2 rote, schräggekreuzte Lilienstäbe bzw. Glevenstäbe, wobei hier das mittlere Blatt lanzenspitzenartig geformt und facettiert ist) in den Feldern 1 und 4 und Gemmingen (in Blau zwei goldene Balken) in den Feldern 2 und 3. Eine mögliche und naheliegende Verbindung beider Häuser ist die Ehe zwischen Stefan von Venningen und Margaretha von Gemmingen. Stefan war ein Bruder des Conrad von Gemmingen. Margaretha ist also die Tante des Bauherrn Erasmus von Venningen.

Der Wappenschild optisch in der Mitte ist geviert aus Venningen (in Silber 2 rote, schräggekreuzte Lilienstäbe bzw. Glevenstäbe, wobei hier das mittlere Blatt lanzenspitzenartig geformt und facettiert ist) in den Feldern 1 und 4 und Hirschhorn (in Gold eine einzelne rote Hirschgeweihstange, wahlweise nach rechts oder links gebogen; beide Richtungen kommen prinzipiell vor. Hier ist sie nach rechts gebogen.) in den Feldern 2 und 3. Die Mutter des Bauherrn Erasmus von Venningen war Maria von Hirschhorn, der Vater war Conrad von Venningen.

Der Wappenschild optisch ganz rechts ist geviert aus Venningen (in Silber 2 rote, schräggekreuzte Lilienstäbe bzw. Glevenstäbe, wobei hier das mittlere Blatt lanzenspitzenartig geformt und facettiert ist) in den Feldern 1 und 4 und Ehrenberg (in Silber ein roter Adlerflügel, die Saxen nach oben gekehrt, links in einen gold geschnäbelten Vogelkopf endend (wie hier, selten der Kopf auch rechts, manchmal der Flügel belegt mit einem goldenen Mond, hier jedoch nicht) in den Feldern 2 und 3. Eine mögliche und naheliegende Verbindung beider Häuser ist die Ehe zwischen Christoph von Venningen, württembergischer Rat und Obervogt zu Vaihingen, Bruder des Bauherrn Erasmus von Venningen, und Magdalena von Ehrenberg (gest. 1546).

Wir haben also drei gevierte Wappen, die alle drei keine Venningen-Familienwappen sind, denn dieses war immer das Stammwappen und wurde nicht vermehrt. Vielmehr sind alle drei Ehewappen, bei denen die Stammwappen von Ehemann und Ehefrau geviert wurden, Stammwappen des Ehemannes in den Feldern 1 und 4, Stammwappen der Ehefrau in den Feldern 2 und 3. Für alle Kombinationen lassen sich innerhalb der Linie Venningen zu Neidenstein nahestehende Verwandte finden, die hier vermutlich gemeinsam gelebt haben, Onkel/Tante, Vater/Mutter, Bruder/Schwägerin. Dieser Logik würde auch die Reihenfolge entsprechen.

Literatur und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Hartmut Riehl: Burgen und Schlösser im Kraichgau, Verlag Regionalkultur 1997, ISBN 3-929366-51-7
Zwischen Fürsten und Bauern - Reichsritterschaft im Kraichgau, hrsg. von Clemens Rehm und Konrad Krimm, Heimatverein Kraichgau, Sinsheim 1992, 2. Auflage 1993, ISBN 3-921214-04-1
Informationstafeln vor Ort
Badische Wanderungen:
http://www.badischewanderungen.de/Burg-Neidenstein.htm
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 353
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden, hrsg. von Franz Xaver Kraus, Band 8,1: Adolf von Oechelhäuser: Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Sinsheim, Eppingen und Wiesloch (Kreis Heidelberg), Tübingen, 1909 - http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kdm8bd1, S. 66 ff.

Burg, Tortürme

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