Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 989
Dischingen (Landkreis Heidenheim)

Schloß Taxis in Dischingen

Das Schloß Taxis, einsam im Wald nahe Dischingen auf halbem Weg nach Trugenhofen gelegen, ist in Privatbesitz und nicht zu besichtigen. Es wird als Sommersitz der fürstlichen Familie von Thurn und Taxis genutzt. In den Nebengebäuden befindet sich der Hofreitstall. Das heutige Schloß blickt auf eine lange Baugeschichte zurück. Ehe es Besitz der Fürsten von Thurn und Taxis wurde, stand hier eine Burg der Herren von Trugenhofen, 1361 erstmals urkundlich erwähnt. 1734 wurde die Anlage von den Thurn und Taxis erworben, und 1819 wurde sie in Schloß Taxis umbenannt. Im 18. und 19. Jh. wurde daraus ein repräsentatives, beträchtlich erweitertes Schloß mit historisierenden Elementen gebaut. Mittelalterliche Spuren, Renaissance (Steinhaus des 16. Jahrhunderts mit übereck gestellten Flankentürmen) und englische Neugotik (Prinzenbau und Fürstenbau um 1840, desgleichen das anschließende Theater) bestimmen als Stile das Ensemble. Barocke Anklänge finden sich ferner am langgestreckten Gästetrakt und am im rechten Winkel dazu stehenden Kavaliersbau sowie an der Reithalle, die 1776 vom Baumeister Johann Georg Hitzelberger errichtet und später 1879 klassizistisch umgestaltet wurde; ferner stammt die Schloßkapelle St. Maria aus der Zeit des Barocks. Das Schloß besteht heute aus einer Kernanlage auf einer Felsterrasse mit mehreren Gebäuden um einen zentralen Hof, das sogenannte Hohe Schloß, im Süden mehrere neuere Gebäude. Nach Norden und Osten erstrecken sich ausgedehnte formale Gärten, nach Norden folgt hinter den Gebäuden ein großer Landschaftsgarten mit uralten Bäumen, als englischer Park ab 1742 entstanden.

Abb.: Schloß Taxis von Nordwesten aus gesehen. Rechts auf der Giebelwand das hier besprochene Wappen.

Die im wahrsten Sinne des Wortes herausragende Wappendarstellung ist gemalt und befindet sich auf der freistehenden Giebelwand der Schmalseite des Schlosses und überblickt weithin sichtbar nach Westen die Bäume der alten Kastanienallee und Wiesen.

Abb.: Schloß Taxis bei Dischingen, Gemälde auf der Außenwand mit dem vollständigen fürstlichen Wappen in seiner letzterweiterten und heute noch geführten Form. Zwei widersehende Löwen dienen als Schildhalter; das Wappen besitzt als weitere Prunkstücke einen fürstlich gekrönten Wappenmantel. Phototip: Spätnachmittags ist bestes Licht, sehr lange Brennweite nötig.

Abb.: Schloß Taxis, von Südwesten aus gesehen. Links zwischen den Bäumen hindurch der Giebel des Steinhauses aus dem 16. Jh. mit dem hier besprochenen Wappen. Rechts angeschnitten die Toreinfahrt, über der sich die zweite Wappendarstellung befindet (s. u.).

Aufbau des vollständigen Wappens der Fürsten von Thurn und Taxis, heutiges Wappen: Hauptschild geviert, mit eingepfropfter, eingebogener silberner Spitze, darin auf grünem Boden ein grüner Baum, vor dessen Stamm ein blauer Fisch angeheftet (Reichsstadt Buchau). 1. Viertel (Reichsstift Buchau): Erneut geviert, Feld 1 und 4 (durch Mittelschild verdeckt): geviert (für Adelindis, Stifterin von Buchau): Feld a und d: in Gold drei übereinander schreitende schwarze Löwen (Hohenstaufen, Löwen hier abweichend rot), Feld b und c: von Silber und Blau senkrecht gerautet (hier abweichend schwarz-silbern), Feld 2 und 3: in Grün ein oben rechts von einer goldenen Sonne, links von einem zunehmenden, ggf. gesichteten goldenen Mond bewinkeltes rotes Tatzenkreuz (Grafen von Kesselburg, für Atto, Stifter von Buchau). 2. Viertel (für das Kloster Obermarchtal): rechte Flanke: in Gold eine rote Kirchenfahne mit drei Lätzen und Ringen (Pfalzgrafen von Tübingen, Stifter), links von blauem Kürsch mit einem Hermelinpfahl (Bregenz, des Stifters Frau). 3. Viertel (ehemalige Abtei St. Ulrich und Afra in Augsburg, Motive auch für Neresheim): geviert, Feld 1: in Blau ein silberner Schräglinksbalken, begleitet von 4 klimmenden goldenen Löwen (Grafschaft Dillingen), Feld 2 (durch Mittelschild verdeckt) und 3: in Schwarz drei silberne Balken, überdeckt von einem goldenen Löwen, Feld 4: in Schwarz ein goldenes Kleeblattkreuz. 4. Viertel geviert, Feld 1 (verdeckt) und 4: in Blau ein goldener Fels, Feld 2 und 3: in Rot ein schwebendes silbernes Kreuz (Fürstentum Krotoschin/Krotoszyn, Preußischer Fürst von Krotoschin/Krotoszyn, Berlin 29.5.1819. Ungarisches Indigenat 1840, vgl. auch Diplom Wien 10.3.1842). Mittelschild gespalten und zweimal geteilt (in 6 Felder geteilt), Felder 1 und 4 des Mittelschildes: in Silber ein dreizinniger roter Turm mit blauem Tor und ohne Fenster, hinter welchem zwei blaue Glevenzepter (ursprünglich auch: blaue Stäbe, goldene Gleven) gekreuzt sind (della Torre, Thurn), Feld 2 und 3 des Mittelschildes: in Gold ein golden (Variante: blau) gekrönter roter Löwe (Valsassina), Feld 5: in Silber eine schwarze Schafschurschere, mit der Öffnung nach oben gelegt (Scheer, Scherenberg), Feld 6: in Gold ein ungekrönter roter Löwe (Friedberg). Herzschild blau, darin ein schreitender silberner Dachs (Stammwappen de Taxis). Schildhalter zwei widersehende goldene Löwen. Fürstenhut, Hermelinmantel, welcher auf den beiden Seitenteilen noch einmal den Mittelschild in ovaler Form darstellen kann.

Abb.: Schloß Taxis bei Dischingen, Gemälde auf der Außenwand, Detailvergrößerung. Leichte farbliche Abweichungen durch Verblassen der Farben.

Dischingen findet sich gewissermaßen auch im Wappen wieder, denn der erstmals 1049 urkundlich erwähnte Ort gehörte im Mittelalter zur Grafschaft Dillingen, die im Hauptschild repräsentiert ist. Als die Grafen von Dillingen 1258 ausstarben, fiel die Grafschaft erst an die Wittelsbacher, dann 1505 nach dem Landshuter Erbfolgekrieg an das neu gebildete Pfalz-Neuburg. 1734 kam es an die Fürsten von Thurn und Taxis, die es bis zur Auflösung des Alten Reiches und der Mediatisierung 1806 besaßen.

Abb.: Über der zum Schloßhof führenden Durchfahrt ist ein vergoldetes Wappen gleichen Aufbaus wie oben besprochen angebracht.

Zu Feld 2 des Hauptschildes: Eine diskutierte Erklärung wäre, daß es sich um Montfort-Feldkirch und Bregenz handelt. Ab 1786 wurde die Familie auch endlich Territorialherr, denn sie kaufte 1785 die schwäbische gefürstete Grafschaft Friedberg-Scheer von den Reichserbtruchsessen Waldburg und wurde 1786 Landesherr. Scheer war einst alter Besitz der Grafen von Montfort, deshalb kämen nach dieser Theorie nun Bregenz und Feldkirch ins Wappen. Dies würde die Kirchenfahne erklären, aber nicht notwendigerweise Bregenz. Eine andere, weitaus plausiblere und wahrscheinlichere Erklärung ist, daß der Hauptschild weitgehend die Gebietszuwächse durch den Reichsdeputationshauptschluß 1803 widerspiegelt, als die Familie zur Kompensation der 1802 verlorenen linksrheinischen Gebiete die Reichsabtei Buchau, die Reichsstadt Buchau, die Reichsabtei Obermarchtal, Neresheim, das Amt Ostrach mit der Herrschaft Schemmerberg und die Klöster in Ennetach und Sießen mit insgesamt 530 Quadratkilometern bekamen. Hieraus ergäbe sich ein alternativer Bezug des zweiten Viertels des Hauptschildes zu den Pfalzgrafen von Tübingen als Stifter der Abtei Obermarchtal und dem Abteiwappen selbst. Bis ins 16. Jh. führte die Abtei das Wappen der Pfalzgrafen von Tübingen als Gründer und das eigentliche Abteiwappen, ein Schlüssel gekreuzt mit einem Schwert, wobei die Äbte dann jeweils noch ihr persönliches Wappenbild hinzufügten. Abt Johannes III. Riedgasser (1591–1599) fügte dann noch das Wappen der Grafen von Bregenz hinzu, wobei das natürlich eine fiktive Zuordnung ist, also ein erst im 16. Jh. nachträglich geschaffenes Wappenbild. Vater des Gedankens war, daß Hugo Pfalzgraf von Tübingen, der Neugründer des Klosters als Prämonstratenserstift, mit Elisabeth von Bregenz und Pfullendorf verheiratet gewesen war, Tochter des Grafen Rudolf II. von Bregenz und Erbin von Bregenz, Montfort und Sigmaringen. Beide lebten im 12. Jh. Weil durch die Säkularisierung und den Reichsdeputationshauptschluß das aufgelöste Kloster mit seinen Ländereien an die Thurn und Taxis kam, fanden so die Wappenbilder der Pfalzgrafen von Tübingen und das fiktive der Grafen von Bregenz Eingang in das vermehrte Wappen.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Siebmacher, Band FstA, S. 261, T. 349 und 350, Band FstM, S. 20, T. 40, Band Kro, S. 189, T. 138, Band Un, S. 668, T. 463.
Hartmut Platte, Das Haus Thurn und Taxis in Vergangenheit und Gegenwart, Deutsche Fürstenhäuser Heft 16, Börde-Verlg Werl 2006, ISBN 3-9809107-7-6
Familie der Fürsten von Thurn und Taxis:
http://www.thurnundtaxis.de/willkommen/willkommen.html
Reitverein Schloß Taxis:
http://www.reitverein-schloss-taxis.de/index.html
Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte, Bd. 22 (2003).
Herrn Alois Lenz und Herrn Andreas Praefcke ein herzliches Dankeschön für wertvolle Hinweise.
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 94

Die Wappen der Grafen und Fürsten von Thurn und Taxis

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