Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 85
Mespelbrunn
- Inbegriff der Spessart-Romantik
Schloß Mespelbrunn (Teil 2)
Nach der Renaissancezeit wurden einige bauliche Veränderungen vorgenommen, doch der Bau bewahrte insgesamt sein Gesicht aus der Echter-Zeit als Dreiflügelanlage mit Bergfried. Später baute man z. B. den weitgespannten Schwibbogen, der den Bergfried mit dem Südflügel verbindet.
Heraldisch ist dieses Schloß eine Fundgrube. Prunkstück ist natürlich das im vorigen Teil beschriebene Renaissance-Portal. Aber daneben gibt es noch zwei große Allianzwappen Ingelheim/Dalberg, eines über dem Haupteingang zur Burg, eines über dem Seitenflügel, der heute noch privat bewohnt wird.
Allianz-Wappen über dem Hauptportal der Burg
Das
Geschlecht derer von Ingelheim
Das Wappen der Echter von
Mespelbrunn geht nur rund ein Jahrhundert nach Peter Echter von
Mespelbrunn und seiner Frau Gertraud von Adelsheim eine Liaison
mit dem von Ingelheim ein. Obwohl Peter Echter von Mespelbrunn
und seine Frau Gertraud von Adelsheim viele Kinder hatten,
erlosch bald die männliche Linie, der 30jährige Krieg läßt
grüßen. Die letzte Echterin und Erbin des Titels war Maria
Ottilia. Sie heiratete 1648 Philipp Ludwig von Ingelheim, Oberstleutnant und Amtmann zu Miltenberg
im Dienste von Mainz, aus einem später
in den Grafenstand erhobenen alten Freiherrngeschlecht.
Die von Ingelheim sind ein uraltes Adelsgeschlecht aus der Rheinpfalz. Sie waren Erbkämmerer von Nassau. Die erste Erwähnung ist 1140, aber die eigentliche Stammreihe kann ab 1192 (Johann von Ingelheim) nachvollzogen werden. Es gab zwei Linien, die eine, die Beusser von Ingelheim, starb 1580 aus. Die andere Linie wurde bedeutsam für Franken. Erst nach der Reformation kam die Familie nach Franken, faßte durch die Heirat mit der Erbtochter der von Echter zu Mespelbrunn Fuß im Maingebiet, stellte dann aber zwischen 1623 und 1784 neun Domherren am St. Kilians-Dom zu Würzburg und einen Fürstbischof.
Mit kaiserlicher Erlaubnis durften die von Ingelheim sich ab 1698 namentlich und wappenmäßig mit den Echter von Mespelbrunn vereinen. Der zukünftige Name der Familie lautete "Grafen von Ingelheim genannt Echter von und zu Mespelbrunn". Unter diesem Namen besteht die Familie noch heute. 1703 erfolgte die Erhebung in den Freiherrenstand, 1737 die in den Reichsgrafenstand (mit Franz Adolf Dietrich von Ingelheim). Bedeutende Vertreter der Familie sind Anselm Franz von Ingelheim, Erzbischof von Mainz 1679-1695, sowie der gleichnamige Fürstbischof von Würzburg 1746-1749, und Graf Franz Adolph Dietrich von Ingelheim gen. Echter von Mespelbrunn, Präsident des Wetzlarer Reichskammergerichtes.
Das
Wappen derer von Ingelheim gen. Echter von Mespelbrunn
Heraldisch äußerte sich die
Verbindung Ingelheim / Echter in einer Vierung des Schildes. Feld
1 und 4 sind von Ingelheim (in Schwarz ein rot-golden geschachtes
Kreuz. Helmzier ein wie der Schild bezeichneter offener Flug.
Helmdecke rot-golden), Feld 2 und 3 sind Echter von Mespelbrunn
(in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen
Ringen, Helmzier zwei wie der Schild bez. Büffelhörner,
Helmdecken blau-silbern). Das Wappen wird auch noch mit einem
dritten Helm geführt: Gekrönt, 5 Straußenfedern in den Farben
schwarz-gold-rot-silber-blau.
Das
Wappen derer von Dalberg
Das heraldisch linke Wappen
dagegen ist das von Dalberg, genauer das der Kämmerer
von Worms, genannt von Dalberg (Dahlberg). Geviert. Feld
1 und 4: Eigentlich unter einem mit drei Spitzen abgeteilten
goldenen Schildhaupt in Blau 6 (3:2:1) silberne Lilien (Kämmerer
von Worms). Feld 2 und 3: In Gold ein schwarzes Ankerkreuz
(Dalberg). Helmzier 1/4: Ein wie der Schild bez. Flug. Helmzier
2/3: Ein goldener Flug, belegt mit jeweils einem schwarzen
Ankerkreuz. Helmdecken schwarz- gold und blau-gold. Die
Tingierung stimmt übrigens weder auf den Wappen hier noch in den
Fenstern innen.
Dieses Allianzwappen ist entstanden anläßlich der Verehelichung von Johann Philipp Graf von Ingelheim genannt Echter von und zu Mespelbrunn mit Maria Clara Philippina Kämmerin von Worms, Freiin von Dalberg.
Allianz-Wappen über dem Seitenflügel
Das
Geschlecht derer von Dalberg
Die Dalbergs stammen aus dem
Nahegau und wurden erstmals 1208 nachgewiesen. Der Schwerpunkt
der Besitzungen liegt im Rheinland, um Worms und Bad Kreuznach.
Dalberg bei Bad Kreuznach war seit 1132 Stammsitz der Familie.
Die Familie starb aber schon 1323 im Mannesstamme aus und
verschmolz durch Heirat mit den Kämmerer von Worms, welche einst
das Amt der Kämmerer des Bischofs von Worms bekleidet hatten und
irgendwann ihre Amtsbezeichnung zu ihrem Familiennamen gemacht
hatten. Die Kämmerer von Worms lassen sich schon im 10. und 11.
Jh. identifizieren. Nach der Heirat zwischen den beiden ohnehin
verwandten Familien vereinigte man beider Wappen in einem
gevierten Schild und nannte sich "Kämmerer von Worms,
genannt Dalberg" oder "Kämmerer von Worms, Freiherr
von Dalberg".
Die Familie stieg zu einer der wichtigsten und angesehendsten Adelsfamilien des Heiligen Römischen Reiches auf. Die Bekleidung von allerhöchsten Stellungen im Dienste der Kirche und des Reiches, die Funktion als Bischöfe, Erzbischöfe, Äbte, Fürstäbte, Präsidenten des Reichskammergerichts etc. kennzeichnete den Aufstieg der Familie. Zwischen 1671 und 1817 waren 9 Dalbergs Kapitulare von Würzburg, desweiteren gibt es einen Fürstabt von Fulda. Es gab mehrere Linien, so die Linie Dalberg-Haßloch mit Besitz in Haßloch, Gabsheim, Mommenheim und Bechtolsheim (beides Ganerbschaften), die Linie Dalberg-Hernsheim mit Besitz in Mandel (Niederrhein), Essingen, Hernsheim, Abenheim, Kropsburg und natürlich die Hauptlinie Dalberg-Dalberg mit Besitz in Dalberg, Sommerloch, Oberhub, Unterhub, Wallhausen, Walderbach, Spabrücken, also insgesamt entlang des Rheines und der Nahe mit Streubesitz in Franken und Württemberg.
Ein Privileg der Familie Dalberg ist zur Redensart geworden: Die Redensart "Ist denn kein Dalberg da?" bezieht sich auf das Privileg, als erste von allen Anwesenden zum Reichsritter geschlagen zu werden. So mußten die Reichsherolde erst fragen, ob ein Dalberg anwesend ist, ehe der Kaiser die neuen Reichsritter schlug, ein Brauch, der angeblich seit 1452 überliefert sei, aber auf ein erheblich älteres Privileg zurückgehen sollte. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Familienlegende, die erst in der ersten Hälfte des 19. Jh. in Umlauf gebracht wurde, auf Veranlassung der Familie. Es gab weder einen Ritterschlag eines Kämmerer von Worms auf der Tiberbrücke im Jahr 1155 durch Kaiser Friedrich Barbarossa, noch erschallte jemals bei einer Kaiserkrönung der Ruf "Ist kein Dalberg da?". Der erste Ritterschlag auf der Tiberbrücke erfolgte 1452. Und auch dann war noch nicht von einem entsprechenden Privileg die Rede. Erst 1494 bekam die Familie von Kaiser Maximilian I. das Privileg, bei einer Krönung als erste dran zu sein, wenn Ritterschläge vergeben wurden. Von diesem Privileg wurde lange kein aktiver Gebrauch gemacht. Erst 1653 kam es zu einer Erster-Ritterschlag-Zeremonie aus Anlaß der Krönung von König Ferdinand IV. in Regensburg. Weitere Fälle sind für die Jahre 1658, 1690, 1711 und 1742 belegt. Dafür erhielten sie ab 1742 wertvolle Gedächtniskleinodien verliehen. 1654 wurde der Familie die Reichsfreiherrenwürde verliehen. Mit Maria Anna von und zu Dalberg, seit 1912 Ehefrau von Prinz Franz zu Salm und Salm-Salm, starb das Geschlecht am 22. Februar 1979 aus. Der letzte männliche Sproß einer Dalberg-Seitenlinie war Johannes von Dalberg (1909-1940). Bekannte Vertreter des Adelsgeschlechts sind:
Noch
ein Ingelheim-Wappen:
Ein kleines
Ingelheim-/Echter-Wappen in barocker Kartusche findet sich
ebenfalls an den bewohnten Trakten.
Die Innenräume haben heraldisch hochinteressante Glasfenster, auf denen die gesamte Abstammung der Burgherren heraldisch illustriert ist, und deren Details sich wie das who's who des altfränkischen Adels lesen. Takenplatten mit Wappen und viele andere Details lassen die Innenbesichtigung - auch wenn man innen nicht photographieren darf - zu einem heraldischen Highlight werden.
Gesamtansicht von Schloß Mespelbrunn über den Burgteich gesehen
Blick in den Innenhof auf den Treppenturm mit Renaissance-Prunkportal
Literatur:
Anton P. Rahrbach,
Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte
fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die
Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher
Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Siebmachers Wappenbücher
Schlösser und Burgen in Unterfranken, von Anton Rahrbach, Jörg
Schöffl, Otto Schramm. Hofmann Verlag Nürnberg 2002, ISBN
3-87191-309-X
Franz Stephan Pelgen, Jana Bisová: Die einzigartige Würde der
Kämmerer von Worms genannt von Dalberg als Erste Erbritter des
Heiligen Römischen Reichs und ihre sichtbaren Abzeichen, hrsg.
vom Stadtarchiv Worms, Worms 2022, 232 S., Das Wormsgau, Beiheft
43, ISBN-10: 3980675408, ISBN-13: 978-3980675406
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