Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 606
Bad Rappenau (Kraichgau)

Das Wasserschloß in Bad Rappenau

Die erste Burg
In Rappenau gab es eigentlich zwei Schlösser nacheinander. Das erste war eine Tiefburg, die 1190 erwähnt wird; heute ist diese spurlos verschwunden. Nichts erinnert mehr an das alte "Obere Schloß". Rappenau ist Ursprung dreier Familien mit ähnlichem Wappen: Von Raban von Wimpfen, der mit dieser ersten Burg in Zusammenhang steht, stammen die drei Kraichgauer Rittergeschlechter ab, die alle drei einen Raben im Wappen führen und sich nur hinsichtlich ihrer Helmzier unterscheiden:

Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich unterschiedliche Abkömmlinge eines Stammvaters, die zum Begründer eigener Familien wurden mit eigenem Namen, durch einen gemeinsam verwendeten Wappenschild ihres gemeinsamen Stammes bewußt bleiben, ihre Eigenständigkeit aber durch die Wahl einer eigenen Helmzier ausdrücken, die dann für diese Familie charakterisierend und unterscheidend wurde.

Das zweite Schloß
Das zweite Schloß in Bad Rappenau dagegen ist viel später erbaut worden: Es ist ein Schloß der Renaissance, 1601 von Eberhard von Gemmingen anstelle des Vorgängerbaus als Wasserschloß mit Pfahlgründung (also auf in den nassen Untergrund gerammten Eichenpfählen) errichtet. Es ist ein rechteckiger dreistöckiger Bau, der heute noch auf drei Seiten von Wasser umgeben ist. Drei Türme hat das Schloß, zwei runde an den Ecken zur Wasserseite und ein polygonaler in der Mitte (nicht ganz, etwas nach links versetzt) der heutigen Hofseite, letzterer besitzt das schöne Portal im Renaissance-Stil mit den Wappen. Es ist heute idyllisch in einem Park gelegen und in Bestzustand, wofür die umgreifende Restaurierung 1994-1996 verantwortlich ist. Früher war das Schloß auf allen vier Seiten von Wasser umgeben, und der Zugang erfolgte über eine Brücke, heute ist anstelle der vierten Wasserseite eine gekieste Terrasse.

Die Bauinschrift als Spiegel des Selbstbewußtseins eines Renaissance-Herren
Die Bauinschrift auf dem Portal lautet: "Alß in Jarn Vnßers Herrn Jesu Christ / Taußent vnd Sechshundert gwesen ist / Eins darZu die Zahl, Vom Edlen Stam / Ein Gemminger Eberhardt mit Nam / Alt Reinhardts des Wolgliebten Sohn / Der Glärthen all Ein groß Patron / In sachen Grecht, Ein vffrecht Schiltt / des Adels From Redlich vnd Miltt / Von grund diß haus hat Vffgefuert / Mit grosßem Gellt Herlich geZiert / Sein Gmahl an Gemüet vnd hertze Rain / War Anna Kathrina Von Rotenstain / Gott geb Ihn Wans hie Nu heisset aus / GeZogen dort daß Ewig Hauß / Das Himelreich vd all Irm Saamen / Durch Jesum Christ Im Glaube(n) Ame(n)" - frei übertragen: "Als es 1600 Jahre nach unserem Herrn Jesu Christi war und noch ein Jahr dazugerechnet (also 1601), hat von edlem Stamme ein Herr von Gemmingen, Eberhard mit Vornamen, Sohn des beliebten Reinhard von Gemmingen, ein großer Mäzen der Gelehrten, in Gerichtssachen ein aufrechter Richter, von Adel, fromm, redlich und mildtätig, dieses Schloß (Haus) von Grund auf aufführen lassen unter Einsatz großer Geldmittel und herrlich verziert. Seine Gemahlin, rein im Gemüte und im Herzen, war Anna Katharina von Rodenstein. Gott gebe ihnen, wenn es an der Zeit ist, hier auszuziehen, das ewige Haus im Himmelreich, genauso ihrer Nachkommenschaft (Samen) durch Jesu Christi im Glauben, Amen."

Eine Inschrift, die absolut typisch ist für das Selbstbewußtsein eines Renaissance-Herrschers: Ganz und gar nicht unbescheiden listet er die Werte seiner Zeit für Herren seines Standes auf, das reicht vom frommen Glauben über Gerechtigkeit bei der Schlichtung von Streitigkeiten bis zur großzügigen Unterstützung von Gelehrten. Und Reichtum wird mit Stolz vorgeführt, man schämt sich nicht seines Geldes, sondern betont in der Bauinschrift, wie viel es gekostet hat. Aber das ist nicht nur Eigennutz, schließlich fördert er damit örtliche Handwerker und Künstler und gibt ihnen Arbeit zum Wohle aller Beteiligten. Von seiner Frau erwartete er nur ein reines Herz und Gemüt.

 

Aber die Formulierung "Der Glärthen all Ein groß Patron" ist für die Freiherren von Gemmingen keine leere Formulierung - so hat Wolf von Gemmingen, ein eifriger Anhänger der Reformation, 1520 im Ort Gemmingen eine adelige Schule gestiftet, an der z. B. Wolfgang von Dalberg erzogen wurde, der spätere Kurfürst von Mainz.

Hinter dem Portal befindet sich die Wendeltreppe, eine meisterhafte Arbeit mit offener Spindel, an der insgesamt 8 verschiedene Steinmetzzeichen zu finden sind. Die zentrale Spindel ist selber schneckenförmig gewunden, so daß man von unten bis oben durch das "Loch" in der Mitte nach oben schauen kann. Und was sehen wir ganz oben in der Mitte des "Loches"? Das stilisierte Gesicht des Bauherrn als obersten Abschluß der Spindel, von jedem Punkt der Treppe sichtbar, sobald man seinen Kopf in die Mitte streckt und nach oben blickt. Auch dies ein interessanter Beleg für das Selbstverständnis des Bauherrn.

 

Das Wappen der Freiherren von Gemmingen
Nun zu dem Wappen: Es handelt sich um ein Allianzwappen, heraldisch rechts das des Bauherrn Eberhard von Gemmingen, heraldisch links das seiner Ehefrau Anna Katharina von Rodenstein. Bei der Restaurierung wurde die alte Farbfassung entfernt. Die Freiherren von Gemmingen führen in Blau zwei goldene Balken. Als Helmzier führen sie zwei wie der Schild mit zwei goldenen Balken belegte blaue Büffelhörner. Helmdecken blau-golden. Anmerkung: In der Züricher Wappenrolle ist ein abweichendes Wappen abgebildet: In Gold drei blaue Balken, Kleinod ein armloser Mannesrumpf mit aufgesetzter spitzer Kapuze, die goldene Kleidung belegt mit den drei blauen Balken. Dieses Wappen wird nicht mehr geführt, sondern ausschließlich das oben beschriebene. Das Wappen wiederholt sich unter der Bauinschrift im Zwickel über dem Portal.

 

Die Reichsritter von Gemmingen
Die Freiherren von Gemmingen sind schwäbischer Uradel, reichsunmittelbar, stammen aus dem Kraichgau, sind benannt nach dem gleichnamigen Ort daselbst und gehören zu den ältesten und angesehendsten reichsritterlichen Familien in Schwaben. Seit dem 25.5.1182 gehören sie dem Reichsfreiherrenstand an (Ulrich und Bernolph wurden auf dem Reichstag in Worms in den Reichsfreiherrenstand erhoben). Als erster Namensträger ist Heinrich von Gemmingen 1165 faßbar als Besucher des Turniers in Zürich, weiter 1233 Hertlieb und Albert von Gemmingen in Hirsau. Ein Johann von Gemmingen wird 1259 als kaiserlicher Landvogt in Sinsheim erwähnt - er gilt als Stammvater der heute lebenden Gemmingen.

Die Freiherren von Gemmingen sind in vier Hauptstämme unterteilt:

Eine Abspaltung sind die Herren von Gemmingen-Massenbach, die aber das gleiche Wappen wie die Hauptlinien führen. Auch heute blüht das Geschlecht derer von Gemmingen, die einen Familienverband gegründet haben und zweijährlich auf Familientreffen den Zusammenhalt fördern.

Die Freiherren von Gemmingen waren im schwäbischen Ritterkreis und im Ritterkanton Odenwald tätig. Bedeutende Familienmitglieder sind die vier Ritterhauptleute im Ritterkanton Odenwald: Weiprecht von Gemmingen (gest. 1680), Reinhard von Gemmingen (1652), ein zweiter Reinhard von Gemmingen (1717-1750) sowie Philipp von Gemmingen (1777-1785). Berühmt ist Wolf von Gemmingen, der 1648 bei den Friedensverhandlungen in Osnabrück die gesamte Reichsritterschaft vertrat. Sein Ziel, der Reichsritterschaft Sitz und Stimme im Reichstag zu verschaffen, scheiterte jedoch an der Wahrnehmung der Reichsritterschaft als eigenen Stand. Reinhard von Gemmingen (1675-1707) war badischer Oberhofmarschall, Geheimrat und Regierungspräsident.

Im Dienste der Kirche gibt es drei Bischöfe und einen Fürstabt: Johann Konrad von Gemmingen war 1595-1612 Fürstbischof von Eichstätt, Johann Otto von Gemmingen war 1591-1598 Bischof von Augsburg, Uriel von Gemmingen war 1508-1514 Erzbischof von Mainz und Kurfürst, und schließlich war Andreas von Gemmingen 1316-1320 Fürstabt des Klosters Hersfeld.

Das Wappen der Herren von Rodenstein
Das Wappen derer von Rodenstein ist gespalten und zweimal geteilt von Gold und Rot (lt. Aschaffenburger Wappenbuch, oder Rot-Gold oder Silber und Rot als Alternativen nach Siebmacher). Im Innern des Schlosses taucht das Wappen mit der Farbwahl rot und golden, auf, so wie das Wappen auch im Scheiblerschen Wappenbuch wiedergegeben wird, allerdings in inverser Form, also golden-rot einmal gespalten und zweimal geteilt, ebenso im Aschaffenburger Wappenbuch. Der alte Siebmacher von 1612 bringt die Tingierungsvariante silbern-rot ins Spiel, dito im Gatz für den Fürstbischof Georg Anton von Rodenstein, und im neuen Siebmacher finden sich beide Farb-Varianten, so werden im Siebmacher Hessen die drei Varianten rot-golden, golden-rot und silbern-rot genannt. Die Helmzier ist eine besonders schöne und detailreiche: Ein rotes Kissen mit goldenen (bzw. silbernen) Quasten, darauf ein Stern, hier achtstrahlig (im Siebmacher durchgängig sechsstrahlig abgebildet), entweder silbern und die Spitzen mit goldenen Granatäpfeln besteckt (im Aschaffenburger Wappenbuch rote Kugeln mit schwarzen Hahnenfedern), oder der Stern silbern-rot geteilt und mit schwarzen bzw. silbernen Granatäpfeln besteckt. Helmdecken rot-golden (bzw. in der silbernen Variante rot-silbern). Das Wappen wiederholt sich unter der Bauinschrift im Zwickel über dem Portal.

Die Herren von Rodenstein
Das Geschlecht von Rodenstein stammt aus dem Odenwald von der gleichnamigen Burg. Sie sind ab 1080 bekannt und sterben 1671 mit Georg Friedrich von Rodenstein aus. Die Stammburg Rodenstein wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts erbaut, sie gilt als "Gegenburg" zur Burg Reichenberg der Herren von Erbach. Damals änderten die Herren auch ihren Namen, hießen sie früher noch "Herren von Crumbach", so nannten sie sich ab jetzt "Herren von Rodenstein". Die Brüder Rudolf und Friedrich werden 1256 erstmals als "von Rodenstein" bezeichnet. Das Wappen blieb das alte und wurde nicht verändert. Dies ist übrigens eines der vielen Beispiele, die die gerne wiederholte Regel, daß ein Wappen an einen Namen geknüpft sei und mit dem Namen auch verlorengeht, relativiert - das mag zwar in der Neuzeit gelten, aber im Mittelalter war das Wappen an die Individuen einer Familie geknüpft, die ihren Namen durchaus ändern und je nach Wohnsitz anpassen konnte, und dabei unbeanstandet das Wappen beibehalten konnten.

Bekannt ist das Geschlecht durch die Sage vom Burggeist auf Rodenstein und Schnellerts, einem ruhelosen und wilden Ritter, der Frau und Kind seiner Kampfeslust geopfert hat und deshalb unter einem Fluch leidet. Die von Rodenstein waren u. a. Lehnsmänner des Bistums Worms. Ihre Lehen waren Hirschhausen, Paffenhausen, Drommershausen und Weilmünster. Burg Rodenstein war ein Lehen der Grafen von Katzenelnbogen. Ihr Besitz in Fränkisch-Crumbach war ihr freier Eigenbesitz.

Detail: Helmzier der Herren von Rodenstein: Ein rotes Kissen mit goldenen (bzw. silbernen) Quasten, darauf ein Stern, hier achtstrahlig (im Siebmacher durchgängig sechsstrahlig abgebildet), entweder silbern und die Spitzen mit goldenen Granatäpfeln besteckt (im Aschaffenburger Wappenbuch rote Kugeln mit schwarzen Hahnenfedern, die Bezeichnungsgrenzen sind hier etwas fließend), oder der Stern silbern-rot geteilt und mit schwarzen bzw. silbernen Granatäpfeln besteckt.

Detail: Helmzier der Herren von Gemmingen: Auf gekröntem Helm zwei wie der Schild mit zwei goldenen Balken belegte blaue Büffelhörner. Wer dieses Wappen bei schönem Licht photographieren will, sollte den Vormittag wählen.

Abb.: Blick auf Schloß Rappenau von Südwesten. Auf der Rückseite des Turmes rechts im Bild befindet sich das Prunkportal.

Ganz einzigartig im Kraichgau: Der Bauherr Eberhard von Gemmingen hat sich nicht nur mit Wappen und Inschrift verewigen lassen, sondern auch noch mit einer Büste seiner selbst, die das Portal ganz oben krönt.

 

Burgfriedenshand
Man achte bei diesem Schloß auch auf ein kleines liebenswürdiges Detail: Über dem Kellerportal an der Hofseite ist eine Burgfriedenshand eingemauert, ein Rechtssymbol bestehend aus Hand und Beil, das für den Bruch des vertraglich vereinbarten Burgfriedens den Verlust einer Hand androht. Ursprünglich war das Zeichen am Tor zum gesamten Schloßbereich angebracht. Das Symbol wurde vermutlich verkehrt herum an dieser Stelle eingemauert, als man das besagte äußere Tor im 19. Jh. abbrach.

Weitere Wappen im Schloß
An der Decke des Turmzimmers sind 4 Allianzwappen zu erkennen: Franz Karl von Gemmingen (1806-1867) - Franziska Ottilia Gräfin von Ingelheim gen. Echterin von Mespelbrunn (1813-1889); weitere erkennbare Wappenschilde sind Breitbach von Bürresheim, Waldbott von Bassenheim, Capler von Oedheim, Rest unklar.

 

Im obersten Zimmer des Treppenturmes wird die Decke von mehreren Hermenpilastern getragen. Diejenigen zwischen den Außenfenstern (Abb. oben und unten) wiederholen die Wappen des Bauherren-Ehepaares und sind identisch mit denen über dem Portal, auch wenn die Farben nicht zutreffend sind, denn Gemmingen müßte goldene Balken in Blau haben, nicht schwarze in Silber (das wäre nämlich Isenburg-Büdingen).

 

Im Außenbereich ist ein weiteres Gemmingen-Wappen zu finden, zeitlich und stilistisc deutlich später als der Treppenturm (Abb. unten links). Abb. unten rechts: Ende der Treppenspindel mit bärtigem Männer-Kopf, einer Selbstdarstellung des Bauherrn, in die Tiefe des zentralen "Lochs" der Spindel blickend.

 

Literatur und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Hartmut Riehl: Burgen und Schlösser im Kraichgau, Verlag Regionalkultur 1997, ISBN 3-929366-51-7
Zwischen Fürsten und Bauern - Reichsritterschaft im Kraichgau, hrsg. von Clemens Rehm und Konrad Krimm, Heimatverein Kraichgau, Sinsheim 1992, 2. Auflage 1993, ISBN 3-921214-04-1
http://www.ruine-rodenstein.de/startseite/startseite.html
http://www.ruine-rodenstein.de/sagen/sagen.html
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Guter Bericht über die Renovierungsarbeiten und die Bauaufnahme:
http://www.badrappenau.de/br/Download/wasserschloss.pdf
http://www.badrappenau.de/br/Sehenswertes/SehenswuerdigkeitenTextWasserschloss.htm
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 405
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden, hrsg. von Franz Xaver Kraus, Band 8,1: Adolf von Oechelhäuser: Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Sinsheim, Eppingen und Wiesloch (Kreis Heidelberg), Tübingen, 1909 - http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kdm8bd1, S. 89 ff.

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