Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 586
Schloß
Nordkirchen - das "westfälische Versailles"
Schloß Nordkirchen im Münsterland
Der
Fürstbischof von Münster als Bauherr
Friedrich Christian von
Plettenberg-Lenhausen, Fürstbischof von Münster (1644-1706,
seit 1688 Fürstbischof), kaufte im Jahre 1694 Nordkirchen. Davor
war Nordkirchen im Besitz der Herren von Morrien. Reichsfreiherr
Ferdinand von Morrien starb 1688 kinderlos, und auch sein Bruder
Johann Bernhard von Morrien verstarb 1691 ohne männliche
Nachkommen, so daß das Geschlecht nach 4 Jahrhunderten
Ansässigkeit in Nordkirchen ausstarb. Plettenberg kaufte damit
auch die Burg der Herren von Morrien, eine relativ stark
befestigte Anlage, die zuletzt 1528 erneuert worden war.
Plettenberg hatte große finanzielle Mittel zur Verfügung, die
er gerne in Bauprojekte steckte, z. B. die Kurie am Domhof in
Münster, das Schloß Ahaus, Landesburg Sassenberg (unvollendet),
und nun hier in Nordkirchen, wo das großzügigste Schloß im
Münsterland entstehen sollte, das aufgrund seiner Konzeption und
Größe nicht umsonst westfälisches Versailles
genannt wird.
Größer,
prächtiger, repräsentativer!
Geplant wurde das gewaltige
Bauvorhaben von Gottfried Laurenz Pictorius (1663-1729), wie
schon sein Vater fürstbischöflicher Landingenieur. 1697 wurde
er berufen, nach einer exakten Bauaufnahme des Vorhandenen
entstand 1698 ein erster Plan, der relativ viel von der alten
Anlage beibehielt. Das war zu wenig. Ein zweiter Architekt kam
hinzu: Jacob Roman, Hofarchitekt beim niederländischen
Statthalter Wilhelm von Oranien, der an sGravenhage
mitwirkte und Het Loo erbaut hatte. Das zweite Konzept sah ein
gänzlich neues Schloß im französischen Stil vor. Auch das war
dem Bauherrn zu wenig. Einen dritten Entwurf gab es von Pictorius
1698/99: Eine Art Kombination aus beiden Ideen.
Zur Ausführung kam dann schließlich ein vierter Entwurf, der 1702 als Generalplan in Zusammenarbeit von Gottfried Laurenz Pictorius und seinem Bruder Peter Pictorius d. J. (1673-1735) entstand, letzterer hatte dann auch die weitere Bauleitung. Mittlerweile war aus dem Projekt eine gewaltige Dreiflügelanlage geworden, die sich nach Süden öffnet, zu beiden Seiten reihen sich hufeisenförmig Nebengebäude, Wirtschaftsgebäude und Orangerien. Es wurde einer der anspruchsvollsten Schloßplanungen in Westfalen. Aber die Familie von Plettenberg brachte mit diesem Repräsentationsbau auch ihr neues Selbstbewußtsein als frisch gekürte (1698) Reichsfreiherren zum Ausdruck.
Das
Wappen des Friedrich Christian von Plettenberg am Eingang zur
Schloßkirche
Im östlichen Flügel befindet sich die
Schloßkirche mit diesem prunkvollen Portal, das gekrönt wird
vom Wappen des Münsteraner Bischofs Friedrich Christian von
Plettenberg. Das Wappen ist aufgeteilt in einen Herzschild und
einen Hauptschild. Der Herzschild trägt das Stammwappen, das
Familienwappen. Der Hauptschild trägt das zusammengesetzte
Wappen des Bistums Münster in der damals gängigen Form.
Eine korrekte Blasonierung des bischöflich-Plettenbergschen Wappens ist: Herzschild gespalten von Gold und Blau. Hauptschild geteilt und zweimal gespalten, Feld 1 und 6: Geteilt, oben in Silber drei schwarze Raben, unten rot, Feld 2 und 5: In Gold ein roter Balken, Feld 3 und 4: In Rot 3 (2:1) goldene Kugeln. Dabei ist die Zuordnung wie folgt: Herzschild = Familienwappen Plettenberg, Feld 1 und 6: Burggrafen von Stromberg, Feld 2 und 5: Hochstift Münster, Feld 3 und 4: Borckelo. Farbzuweisung nach Siebmacher, Band Bistümer, Seite: 93, Tafel: 158. Wie man sieht, kommen die Elemente doppelt vor. Das liegt an der Vereinigung mehrerer Einzelwappen zu einem Gesamtwappen. Wollte man zwei Wappen vereinigen, konnte man dies in einem geteilten oder gespaltenen Schild tun. Dadurch wurden aber die Felder entweder sehr hoch und schmal oder aber sehr breit und flach beides nur in seltenen Fällen graphisch befriedigend. Daher benutzte man gerne einen gevierten (quadrierten) Schild, das eine Wappen kam in die Felder 1 und 4, das andere in die Felder 2 und 3. Hatte man drei verschiedene Wappen, ergab sich ein ähnliches Problem: Man konnte einen halbgespaltenen und geteilten Schild nehmen o. ä. Einen guten Proportionserhalt der einzelnen Teilwappen, aus denen sich das neue Wappen nun zusammensetzte, konnte man aber nur erreichen, indem man 6 Felder schuf und die Einzelwappen doppelt abbildete. Jedes einzelne Wappen ist hier doppelt abgebildet.
Die Inschrift unter dem Wappen nennt Friedrich Christian von Plettenberg als Bischof und Fürst von Münster, Burggraf von Stromberg und Herr zu Borckelo.
Stromberg gehörte zu den sog. vier Burggrafen des Heiligen Römischen Reiches (in Quaternionen-Darstellungen). Erstmalige urkundliche Erwähnung der Burggrafen von Stromberg im Jahre 1177. In einer Urkunde des Münsterschen Bischofs Hermann taucht der Burgraf Othalrich und seine Frau Gisla auf. In dieser Urkunde wird, nach dem Tode ihres Sohnes Gottfried I. die Burg Stromberg ihren Enkeln, den Kindern ihrer Tochter Gisla, Hermann I. und Heinrich I. zu Lehen gegeben. Die Burg Stromberg gehörte dem Bischof von Münster und diente zum Schutz der Grenzen des Bistums Münster nach Südosten. Vom Jahr 1177 bis 1463 wurde die Burg Stromberg von den Burggrafen von Stromberg geführt. 1463 starben die Burggrafen von Stromberg im Mannesstamme aus, und die Burg Stromberg fällt dem Stift Münster zu. Das Wappen der Burggrafen von Stromberg kam unter Bischof von Galen ins Wappen der Bischöfe von Münster. Bischof Christoph Bernhard von Galen nahm 1652 Titel und Wappen eines Burggrafen von Stromberg an. Bei der Annahme kam es zu einer Veränderung: Statt des das Schildbild wiederholenden Schirmbrettes als Helmzier wählte Galen einen Flug. Bei der Darstellung ignorierte man zwischenzeitliche Veränderungen (vgl. von Rudenberg, die mit dem Burggrafentum belehnt wurden) und griff auf eine Wappenabbildung nach Virgilius Solis von 1555 zurück.
Das Wappen von Borckelo kam ebenfalls unter Bischof von Galen ins Wappen der Bischöfe von Münster, als er diesen Titel annahm. Borckelo oder Borculo war seit dem 12. Jh. im Besitz der Herren von Borculo, wurde 1375 zur Stadt, wurde 1665 und 1672 vom Bischof von Münster erobert und schließlich 1777 von Prinz Wilhelm V. gekauft. Der regierende Fürst aus dem Hause von Oranien trägt seitdem auch den Titel "Herr zu Borculo". Heute Berkelland.
Fertig
wurde das Schloß erst unter seinen Erben
1703 erfolgte die
Grundsteinlegung zu dem gewaltigen Schloß. Nur drei Jahre
später verstarb der Bauherr, der sein Schloß nie fertig gesehen
hat. Bei seinem Tod war der Mittelbau noch ein Rohbau, die beiden
Seitenflügel ebenfalls, die nördlichen Eckpavillons waren
fertig, die Schloßkirche erlebte 1705 ihre Grundsteinlegung, so
daß diese schon (oder noch?) das Wappen des Münsteraner
Bischofs trägt. Alle anderen Gebäude und Tore wurden später
unter seinen Erben fertiggestellt und tragen daher nur das
einfache Plettenbergsche Wappen, nicht mehr das als Fürstbischof
von Münster.
Niedrige Seitenflügel an der Innengräfte, rechts der Südwestturm
Der nächste Bauherr war Ferdinand von Plettenberg, Dompropst von Münster und Domdechant in Paderborn, für die Neffen des verstorbenen Fürstbischofs, die Erben waren. Erst war das Werner Anton von Plettenberg, der 1711 plötzlich verstarb, dann Ferdinand von Plattenberg (1690-1737), welcher nach dem Tod seines Onkels, des Dompropstes Ferdinand von Plettenberg, mit 22 Jahren im Jahre 1712 Herr von Nordkirchen wurde und die Fertigstellung vorantrieb. Ebenfalls 1712 heiratete er Bernhardine Felicitas von Westerholt zu Lembeck, eine gute Partie, deren Mitgift die Baukasse gewaltig aufbesserte. Dieser beiden Wappen finden wir überall im und am Schloß als Allianzwappen Plettenberg / Westerholt.
1723 erhielt Johann Conrad Schlaun die Bauleitung in Nordkirchen. Er vollendete die Pläne der Brüder Pictorius, insbesondere die Ausstattung der Privaträume geht auf ihn zurück. Auch die Gestaltung der Gartenanlagen, die 1734 fertiggestellt wurden, geht auf Schlaun zurück.
Ehewappen
von Plettenberg und von Westerholt am Löwentor im Süden der
Anlage
Direkt hinter der Brücke über die
kleine Gräfte, von Süden kommend, stehen zwei gewaltige
Torpfosten, auf denen Löwen jeweils einen Schild halten.
Zur Linken das Plettenberg-Wappen, gespalten von Gold und Blau. Zur Rechten das Westerholt-Wappen, geviert. Feld 1 und 4 zeigen das Stammwappen Westerholt, von Schwarz und Silber gespalten und zweimal geteilt. Feld 2 und 3 zeigen das Wappen Lembeck, in Rot auf silbern gezacktem Feld drei deichselförmig gestellte, mit den Spitzen auf das Zentrum gerichtete silberne Nägel.
Die Helmzieren sind hier nicht abgebildet, das wären für Westerholt zwei Helme, 1.) auf schwarz-silbern bewulsteten Helm ein rot-bewehrter silberner Schwan mit offenen Flügeln, Flügel insgesamt in Farben und Teilungen wie der Schild (das Feld), also der rechte Flügel schwarz mit silbernem Balken, der linke Flügel silbern mit schwarzem Balken (Westerholt), 2.) auf gekröntem Helm ein Flug, rechts silbern, links rot (Lembeck). Für Plettenberg wäre die Helmzier auf gekröntem Helme zwei Fasanenfedern in den Schildfarben, Decken blau-golden.
Ehewappen
von Plettenberg und von Westerholt am östlichen Seitengebäude,
nördliche Stirnseite
Zur optisch Linken das
Plettenberg-Wappen, gespalten von Gold und Blau.
Zur optisch Rechten das Westerholt-Wappen, geviert. Feld 1 und 4 zeigen das Stammwappen Westerholt, von Schwarz und Silber gespalten und zweimal geteilt. Feld 2 und 3 zeigen das Wappen Lembeck, in Rot auf silbern gezacktem Feld drei deichselförmig gestellte, mit den Spitzen auf das Zentrum gerichtete silberne Nägel.
Das Wappen befindet sich an der linken Seitenwand unter dem halbkreisförmig hochgezogenen Sims.
Ferdinand
von Plettenberg eine beispiellose Karriere
Ferdinand von Plettenberg
hatte die Erbmarschallswürde inne, das ermöglichte ihm den
Vorsitz im Landtag von Münster. Er wurde zum Geheimrat des
Münsteraner Fürstbischofs Franz Arnold von Wolff-Metternich
(sein Onkel). Unter Clemens August von Wittelsbach
(Pfalz-Neuburg) wurde er 1719 Obristkämmerer, 1723
Premierminister an dessen Hofe für seine fünf Bistümer Köln,
Münster, Paderborn, Hildesheim und Osnabrück, also im Prinzip
für den gesamten katholischen Norden Deutschlands, weshalb der
Bischof auch Herr von Fünfkirchen genannt wurde.
1724 wird von Plettenberg in den Reichsgrafenstand erhoben.
Ferdinand von Plettenberg ist der einflußreichste Mensch am
kurfürstlichen Hof in Bonn. Weitere Anerkennung erwarb er sich
1731 durch Unterstützung der pragmatischen Sanktion,
die die weibliche Erbfolge in Österreich sicherte zugunsten
Maria Theresias. Dafür wurde ihm 1732 der Orden vom Goldenen
Vlies verliehen, den wir an seinem Wappen sehen, dazu eine reiche
Herrschaft in Schlesien. Plettenberg erlebt den Höhepunkt seiner
Karriere.
Sein stetig wachsender politischer Erfolg wurde von einem stetig wachsenden Repräsentationsbedürfnis begleitet, das er in Nordkirchen auslebte und von seinem Baumeister Schlaun realisieren ließ.
Dem folgte leider ein tiefer Fall. Plettenberg fiel einer Hofintrige zum Opfer. 1733 wird von Plettenberg als kurfürstlicher Minister entlassen. Er mußte Nordkirchen verlassen und suchte Zuflucht in Wien. Dort wurde er zum kaiserlichen Gesandten in Rom ernannt, verstarb aber schon 1737.
Blick von Norden
Ehewappen
von Plettenberg und von Westerholt am Westtor
Auch an diesen beiden Torpfosten
ist das Ehewappen wie oben beschrieben zu finden. Man beachte die
beiden um die Kartusche gelegten Ordensketten, linkerhand die aus
Feuerstählen zusammengesetzte Kette des Ordens von Goldenen
Vlies, des habsburgischen Hausordens. Zwischen den verdoppelten
Feuerstählen Flammenbündel, unten das Schafsfell.
Weitere
berühmte Plettenbergs:
- Wolter von Plettenberg (1450
-1535), Ordensmeister des Deutschen Ordens in Livland,
spektakuläre Siege 1501 und 1502 über die russischen Heere,
Schlacht am Smolinasee, eine der letzten militärischen Erfolge
eines klassischen Ritterheeres, ab 1521 Einführung der
Reformation
- Christoph Friedrich Steffen von Plettenberg (1698 1777),
militärische Laufbahn unter dem Soldatenkönig
Friedrich Wilhelm I, drei Schlesische Kriege, Aufstieg bis zum
Generalmajor und Generalleutnant unter Friedrich dem Großen
- Kurt von Plettenberg (1891 1945), Widerstandskämpfer im
Dritten Reich, gehörte zum engeren Kreis des Widerstands vom 20.
Juli 1944.
Blick vom Schloß über das neobarocke Gartenparterre und die Außengräfte nach Norden
Das weitere Schicksal des Schlosses
Nordkirchen:
Die Plettenbergs bewohnten
auch nach der Flucht des Ferdinand von Plettenberg nach Wien das
Schloß. Im frühen 19. Jh. starben die Plettenbergs im
Mannesstamme aus, die Tochter des letzten Grafen Maximilian
Friedrich von Plettenberg, Maria von Plettenberg, ehelichte 1833
den Grafen Nikolaus Franz von Esterhazy-Galantha. Sein Wappen ist
in einem runden Glasfenster in der Schloßkirche zu sehen. Ihr
Sohn Nikolaus starb 1897 unvermählt, worauf das Schloß
Nordkirchen an die ungarischen Verwandten der Esterhazys fiel.
Von diesen kaufte 1903 der Herzog Engelbert von Arenberg das
Schloß. Die Herzöge von Arenberg waren als Besitzer eines
reichen Kohlebergbauareals bei Recklinghausen zu Reichtum
gekommen, den sie in Nordkirchen investierten. Auch das
herzoglich-Arenberg'sche Wappen mit den drei Mispelblüten findet
sich im Innern des Schlosses mehrfach.1913/1914 wurde das Schloß
anläßlich eines kaiserlichen Besuches umgebaut, nicht zu seinem
Vorteil. Neobarocke Verbindungsbauten zwischen Schloß und
Kapellen- bzw. Dienerflügel entstanden, Wirtschaftsgebäude
wurden abgerissen. 1918 verließ der Herzog das Schloß und
siedelte nach Belgien um. 1958 kaufte das Land
Nordrhein-Westfalen das Schloß und baute es als
Landesfinanzschule (Fachhochschule für Finanzen des Landes NRW)
um.
Literatur,
Quellen und Links:
Siebmachers Wappenbücher
Stefan Buske, Schloß Nordkirchen, DKV-Kunstführer Nr. 597/5, 2.
Auflage, Deutscher Kunstverlag München/Berlin
Karl E. Mummendorf, Schloß Nordkirchen, München/Berlin 1975
F. Winter, Schloß Nordkirchen, hrsg. vom Finanzministerium des
Landes NRW, Düsseldorf
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