Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 360
Meersburg - Kleinod am Bodensee und Residenz der Fürstbischöfe von Konstanz

ehemaliges Priesterseminar und heutiges
Droste-Hülshoff-Gymnasium in Meersburg

Das Gebäude des ehemaligen Priesterseminars bildet den östlichsten Abschluß der seeseitigen Silhouette der Oberstadt und der barocken Expansion der landesfürstlichen Bauten: Von Westen nach Osten folgen aufeinander, über dem steilen Seeufer aufragend, das Alte Schloß (Burg), das Neue Schloß, Wirtschaftsbauten, Marstall (Reithof, nun Staatsdomäne) und das ehemalige Priesterseminar (nun Droste-Hülshoff-Gymnasium) und bilden zusammen eine großartige Seefassade der Stadt. Beim ehemaligen Priesterseminar handelt es sich um eine dreistöckige, um einen rechteckigen Innenhof gruppierte Vierflügelanlage mit abgesetzten Eckrisaliten und je einem mit Kolossalpilastern betonten Mittelrisalit in der Fassadenmitte. Diese Mittelrisalite sind jeweils um ein Mezzaningeschoß höher als die dreigeschossigen Seitenteile. Die einzige Asymmetrie im Grundriß ist der weit nach Osten ausgezogene und über den Ostflügel hinausreichende Südflügel, der hart an der Kante des Steilabfalls zum Bodensee steht und und deshalb mit einem imposanten Sockel unterfangen wird. Besagte östliche Verlängerung des Südflügels beinhaltet die Seminarkapelle.

Der hochbarocke Bau entstand nach 1725, was eigentlich zu spät ist, denn eigentlich hätte man schon 1563 mit dem Bau beginnen sollen. Das Konzil von Trient 1563 legte den Bischöfen die Errichtung von Priesterseminaren verpflichtend nahe, um die qualifizierte Ausbildung des eigenen Nachwuchses zu garantieren. In anderen Bistümern stürzten sich die Jesuiten und Benediktiner in Zusammenarbeit mit den Bischöfen auf diese Aufgabe, doch nicht so im Hochstift Konstanz: Es war kein Geld für eine Seminargründung da. Als das Konzil die Beschlüsse faßte, war Mark Sittich von Hohenems (1561-1589) Fürstbischof von Konstanz. Er war ein Neffe des Papstes und weilte in Rom. Was in seinem Fürstbistum geschah, interessierte ihn herzlich wenig. Entsprechend erledigte sich das Problem der Seminargründung durch Nichtbeachtung erst einmal von selbst. Die schweizerischen Teile des Bistums hatten ihrerseits zwar Interesse an einer Ausbildungsanstalt, doch sie fanden einen besseren Kooperationspartner: 1579 wurde das Collegium Helveticum in Mailand gegründet: Problem gelöst, Mark Sittich von Hohenems konnte weiter in Ruhe römische Luft genießen. Auch die Nachfolger auf dem Konstanzer Bischofsstuhl fanden genug passende Gründe, um in dieser Hinsicht nichts zu überstürzen: Wirtschaftliche Engpässe waren ein Dauerargument, der Dreißigjährige Krieg verhinderte noch ganz andere Projekte, die französischen Réunionskriege ebenfalls, und der Abfall der Eidgenossen machte ebenfalls mehr Sorgen als ein fehlendes Priesterseminar.

Der Konstanzer Fürstbischof Johann Franz Schenk von Stauffenberg nahm sich schließlich des Problems an und versprach die Errichtung eines Seminargebäudes. Da das Hochstift immer noch notorisch klamm war, kam er auf die geniale Idee, sich diese löbliche Pflicht von Dritten bezahlen zu lassen: Eine Sondersteuer brachte 100000 fl. ein, erhoben bei den Stiften und Klöstern im Bistum, und so konnte 1725 mit dem Bau begonnen werden, 162 Jahre nach dem Konzil, mit dem alles begann. Die Planung und Bauleitung lag wie beim Neuen Schloß bei Hofbaumeister Johann Christoph Gessinger (1670-1735). Ein Jahr lang kam man sehr gut voran, Geld war genug da, und 1726 war man bereits am Dachstuhl. Und auf einmal war weniger Geld vorhanden als gedacht, und man kam nur scheibchenweise voran. Wo war die Sondersteuer hingekommen? Wurde sie für andere Dinge ausgegeben? Jedenfalls war 1726 wieder Normalzustand im Hochstift eingekehrt: notorischer Geldmangel. Gessinger floh anläßlich des später fallen gelassenen Vorwurfes finanzieller Ungereimtheiten (Hofintrige) 1730 in die protestantische Schweiz und entzog sich dem Zugriff des Kurfürsten, was dem Fortgang der Bauarbeiten den Todesstoß versetzte. Gessinger trat aus dem Orden aus und zum Protestantismus über. Nach 4 Jahren Baupause verpflichtete man den herzoglich-württembergischen Werkmeister Johann Leonhard Frey, Ludwigsburger Kreisbaumeister, der das Priesterseminar 1734-1735 fertigstellte, und noch im Jahr der Vollendung belegte man das Gebäude mit 100 Seminaristen und nahm den Lehrbetrieb auf, nach 10 Jahren Bauzeit und 172 Jahre zu spät, gemessen am Auftrag des Konzils. Wie es im Jahr 1760 von der Seeseite her aussah, hat der Maler Johann Wolfgang Baumgartner im Deckenfresko der Wallfahrtskirche Baitenhausen festgehalten.

 

Das Wappen von Fürstbischof Johann Franz Schenk von Stauffenberg ziert die beiden jeweils im Mittelrisalit angelegten Portale, sowohl auf der Westseite (beide Abb. unten) als auch auf der Nordseite (beide Abb. oben). Ein weiteres Wappen (nicht farblich gefaßt, ohne Abb.) befindet sich im Foyer an der Wand. Das Wappen ist geviert mit Herzschild und einer eingepfropften Spitze:

Über dem Schild ein Fürstenhut, hinter dem Schild schräggekreuzt Krummstab und Schwert. Die zum Stammwappen der Schenk von Stauffenberg gehörende Helmzier auf dem Helm mit blau-silbernen Decken wäre übrigens ein hermelinverbrämter roter Turnierhut, auf diesem zwei auswärts geneigte, mit rotem Balken belegte und je mit sechs schwarzen Hahnenfedern besteckte silberne Schalmeien.

 

Abb. oben: Blick vom Reithof auf die Westfassade des ehemaligen Seminargebäudes und heutigen Internates. Das Wappen befindet sich über dem flach gespannten Bogenportal.

Nur wenig später, beginnend im Jahr 1763, wurde das Seminargebäude unter dem Fürstbischof Franz Konrad von Rodt schon wieder umgebaut: Die wesentlichste Veränderung war die Verlegung der Seminarkapelle. Dem Bauherrn paßte die Lage in der östlichen Verlängerung nicht, sie mußte in den Mittelbau des Südflügels verlegt werden. "Verlegt" schreibt sich leichter als es auszuführen war: Die abgesetzte östliche Verlängerung des Südflügels wurde baulich dem Südflügel angeglichen. Die alte Kapelle wurde aufgehoben. Der Mittelrisalit des Südflügels wurde auf sieben Fensterachsen erweitert und bekam hohe Rundbogenfenster, um nach außen die Lage des zwei Stockwerke hoch reichenden, innen klar gegliederten Saales mit sehr flach gewölbter Decke nachvollziehbar zu machen. Als Baumeister wirkte dabei Franz Anton Bagnato; als Stukkateur Carlo Maria Luca Pozzi (1734-1812), als Freskenmaler Appiani und Giovanni Battista Brenni aus Salorino und als Bildhauer für die Seitenaltäre, die Kanzel und die vielen plastischen Figuren Ignaz Wilhelm Verhelst (1729-1792). Die künstlerisch hochwertige plastische und malerische Innenausstattung ist im Stile des späten Rokoko gehalten. 1767 wurde die neue Seminarkirche St. Karl Borromäus vollendet.

Das Priesterseminar wurde nach der Auflösung des Bistums Konstanz im Jahre 1821 erst nach Freiburg im Breisgau und dann nach St. Peter im Schwarzwald verlegt. Neuer Nutzer des Gebäudes war der Großherzog von Baden, der hier ein katholisches Lehrerseminar unterhielt, gefolgt von der privaten Aufbaurealschule “Meerstern” und einer staatlichen Aufbaurealschule. 1872 kommt das Gebäude in staatlichen Besitz. Im Dritten Reich war hier die Reichsfinanzschule, nach dessen Untergang einer Lehrerausbildungsstätte. 1953 zog hier das staatliche Aufbaugymnasium Droste-Hülshoff-Gymnasium ein. 1965-1973 wurde das Seminar einer umgreifenden Renovierung unterzogen, weil die Gebäude sich in einem desolaten Zustand befanden. Dabei wurde die Vierflügelanlage mit Ausnahme des Kapellenflügels ausgekernt, so daß innen praktisch alles zweckmäßig und entsprechend der neuen Verwendung neu gestaltet wurde. Auch wurden dabei alle Dachstühle erneuert. Als restaurierten Altbestand darf man heute nur noch die Außenhülle und die Kapelle betrachten. Heute dient das ehemalige Priesterseminar vor allem als Internat, während die Klassenräume im angrenzenden Reithof liegen.

Zur Übersicht: Die Bischöfe von Konstanz
Burkhard II. von Randegg (1462-1466)
Hermann III. von Breitenlandenberg (1466-1474)
Ludwig von Freiberg (1474-1481, Bistumsstreit, Kandidat des Papstes)
Otto IV. von Sonnenberg (1474-1491, Bistumsstreit, Kandidat des Domkapitels und des Kaisers)
Thomas Berlower (1491-1496)
Hugo von Hohenlandenberg (1496-1531, 1526 Auszug aus Konstanz, Verlegung der Residenz nach Meersburg, Rücktritt 1529)
Johann von Lupfen (1532-1537)
Johann von Weeze (1537-1548)
Christoph Metzler (1549-1561)
Mark Sittich von Hohenems (1561-1589)
Andreas von Österreich (1589-1600)
Jakob Fugger (1604-1626)
Sixt Werner von Praßberg und Altensummerau (1626-1628)
Johann Constanz Graf von Waldburg-Wolfegg (1628-1644)
Johann Franz I. von Praßberg und Altensummerau (1645-1689)
Marquard Rudolf von Rodt (1689-1704)
Johann Franz II. Schenk von Stauffenberg (geb. 1658, reg. 1704-1740, Baubeginn des Meersburger Neuen Schlosses, auch Fürstbischof von Augsburg)
Hugo Damian von Schönborn (1740-1743, auch Fürstbischof von Speyer, Fortführung des Baues des Meersburger Neuen Schlosses)
Kasimir Anton von Sickingen (1743-1750, Fortführung des Baues des Meersburger Neuen Schlosses)
Kardinal Franz Konrad von Rodt (1750-1775, Vollender des Meersburger Neuen Schlosses)
Maximilian Christof von Rodt (1775-1800)
Karl Theodor von Dalberg (1800-1817, weitere Bischofsthrone in Worms, Regensburg und Mainz, Fürst von Aschaffenburg, Großherzog von Frankfurt)
Ignaz Heinrich von Wessenberg (Sonderstellung: 1817 Bistumsverweser bis zur Auflösung des Bistums 1821, nicht Bischof)

Literatur, Links und Quellen:
http://www.dhg.fn.bw.schule.de/
http://www.dhg.fn.bw.schule.de/Schule/Geschichte/Gebaeude/seminar.html
Herbert Frey: Johann Franz Schenk von Stauffenberg, in: Historisches Lexikon der Schweiz, online:
http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D26344.php.
Johann Franz Schenk von Stauffenberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Franz_Schenk_von_Stauffenberg
Familie Schenk von Stauffenberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Stauffenberg_(Adelsgeschlecht)
Neues Schloß Meersburg mit Priesterseminar:
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/h-r/Meersburg.html
Johann Christoph Gessinger:
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/GessingerOSB.html
Franz Anton Bagnato:
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Bagnato_Franz_Anton.html
Helmut Maurer, Brigitte Degler-Spengler, Rudolf Reinhardt: Bistum Konstanz, Geschichte, in: Helvetia Sacra, Abteilung I, Band 2, Erster Teil, Basel 1993, S. 84-163.
Franz Xaver Bischof: Das Ende von Hochstift und Bistum Konstanz und der rechtsrheinischen Teile der Hochstifte Basel und Strassburg, in: Alte Klöster - Neue Herren, Ausstellungskatalog, Ostfildern 2003.
Helmut Maurer, Brigitte Degler-Spengler, Rudolf Reinhardt, Franz Xaver Bischof: Bistum Konstanz, die Bischöfe, in: Helvetia Sacra, Abteilung I, Band 2, Erster Teil, Basel 1993, S. 229-494.
Dr. Eberhard Achtermann "Wege und Abwege des Bruders Christoph Gessinger", in: Staatl. Aufbaugymnasium Meersburg (Hg.), Seminar Meersburg 1735 - 1985. Beiträge zur 250-Jahrfeier, Stockach 1985, S. 21 - 34
http://www.dhg.fn.bw.schule.de/Schule/Geschichte/Gebaeude/gessinger.html
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Michael Losse: Burgen, Schlösser, Adelssitze und Befestigungen am Bodensee und am Hochrhein, Band 1.2, 176 S., Imhof-Verlag, Petersberg, 1. Auflage 2011, ISBN-10: 3865681913, ISBN-13: 978-3865681911, S. 94-95.

Die Wappen der Fürstbischöfe und Bischöfe von Konstanz

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