Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 358
Meersburg - Kleinod am Bodensee und Residenz der Fürstbischöfe von Konstanz

Neues Schloß in Meersburg, Gartenfassade

Während die Platzfassade des Neuen Schlosses eine zweimalige Umgestaltung erfuhr, im Zuge derer aus einem in der Mitte zurückgesetzten Fassadenkonzept ein mittig vorspringendes wurde, entspricht die Gartenfassade des Neuen Schlosses noch gänzlich Gessingers Konzept. Auf der flacheren Gartenfassade kann man den Rhythmus der geschoßübergreifenden Kolossalpilaster besser genießen als auf der Platzseite. Für das Jahr der Entstehung, 1712, ist das ein erstaunlich modernes Architekturverständnis, das die neuesten Wiener Ideen in die Provinzresidenz transportiert.

Der Architekt des Schlosses und des Gartens, Christoph Gessinger hat eine sehr ungewöhnlichen Lebenslauf. Er soll angeblich aus der Gegend von Köln stammen, trat als Laienbruder in das Benediktinerkloster Isny ein und macht eine Schreinerlehre. Mit seinen Aufträgen entwickelt er sich autodidaktisch von seinem Beruf weg zum Baumeister. Seinen Karrierehöhepunkt erreicht er unter Fürstbischof Franz Schenk von Stauffenberg als Architekt, ab 1705 Bauleiter des Neuen Schlosses und fürstbischöflicher Kammerrat. Ein weiterer Bau aus seiner Hand ist das Schloß in Tettnang. Mit seiner fürstbischöflichen Protektion ist auch ein für die Zeit bemerkenswerter gesellschaftlicher Aufstieg verbunden, diplomatische Missionen werden ihm übertragen. Nebenher war Gessinger als Weinhändler tätig. 1730 kommt es zu einer jähen Wende: Der Bau in Meersburg gerät ins Stocken; Gelder fließen nicht richtig. Eine Hofintrige beschuldigt Gessinger der finanziellen Unregelmäßigkeiten. Der Vorwurf wurde später fallengelassen. Aber die Gesamtlage war damals so, daß Gessinger überstürzt in die Schweiz abreiste. Dabei spielte wahrscheinlich aber auch eine Rolle, daß er am katholischen Hofe des alternden Bischofs zunehmend in Widerstreit mit seinen eigenen persönlichen Glaubensüberzeugungen geriet, denn in Zürich tritt Gessinger aus dem Benediktinerorden aus und konvertiert zum Protestantismus. 1735 stirbt der hoch gestiegene und jäh gefallene Baumeister in Bern.

Der Bauherr, Franz Konrad Kasimir Ignaz von Rodt, war der Sohn des kaiserlichen Feldzeugmeisters und Kommandant von Breisach und Herrn zu Orsenhausen und zu Busmannshausen, Franz Marquard Christoph Joseph Freiherr von Rodt (-20.3.1743) und dessen Frau, Maria Theresia Benedikta von Sickingen zu Hohenburg (11.2.1682-9.11.1756). Damit war er der Neffe seines Amtsvorgängers, denn seine Großeltern mütterlicherseits waren Franz Ferdinand Freiherr von Sickingen zu Hohenburg (20.10.1638-12.10.1687) und Anna Maria Franziska Katharina Kämmerer von Worms gen. Dalberg (1645/1648-19.1.1697). Damit war seine Mutter die Schwester von Kasimir Anton Heinrich von Sickingen zu Hohenburg (14.6.1684-30.8.1750). Franz Konrad Kasimir Ignaz von Rodt wurde am 10.3.1706 im Rodtschen Palais zu Meersburg geboren. Er studierte ab 1721 in Freiburg, wo seine Mutter ihre Wurzeln hatte (Ebnet), und dort erwarb er 1722 den Magister der Philosophie. Weitere Studien folgten in Straßburg, Rom und Siena. 1733 wurde er in das Domkapitel von Konstanz aufgenommen. Die Priesterweihe erhielt er 1737. Die Wahl zum Fürstbischof erfolgte im Jahr 1750. Papst Benedikt XIV. ernannte ihn 1756 zum Kardinalpriester. Seine zeitgenössische Titulatur lautete: "Franz Konrad der Heiligen Römischen Kirchen Titulo Sanctae Mariae de Populo, Kardinalpriester von Rodt, Bischof von Konstanz, des Heiligen Römischen Reiches Fürst, Herr der Reichenau und Oehningen, des hohen Johanniterordens zu Malta Großkreuz und Protektor, Abt zu Szixard in Ungarn, und zu Castel-Barbata im Cremonesischen, auch infulierter Propst zu Eisgarn in Österreich".

Im Giebel der Gartenfassade ist über dem Mezzaningeschoß ebenfalls das Wappen des Vollenders des Schlosses angebracht, Fürstbischof und Kardinal Franz Konrad von Rodt (1750-1775). Es ist das gleiche Wappen wie auf der Vorderseite, nur etwas korrekter angestrichen. Das Wappen an der Gartenfassade wird oben begleitet von den Skulpturen der Gerechtigkeit und der Beständigkeit und drei Schmuckvasen.

Das Wappen des Fürstbischofs und Kardinals Franz Konrad von Rodt (1750-1775) ist geviert mit Herzschild und einer eingepfropften Spitze:

Die schwarzen Ornamente in den goldenen Feldern sind etwas irreführend, es handelt sich nur um eine Damaszierung ohne eigene Bedeutung. Über dem Schild ist ein Fürstenhut zu sehen, hinter dem Schild schräggekreuzt Krummstab und Schwert. Er war aber nicht nur Fürstbischof, sondern auch Kardinal, daher schwebt über allem ein roter Klerikerhut, dazu 2x 10 (eigentlich Anzahl für einen Bischof) Fiocchi in 4 Reihen. Zwei widersehende, auf dem Sims hockende, goldene, widersehende Löwen halten den aus dem Galero herabfallenden Wappenmantel.

Zwei weitere Elemente finden sich regelmäßig neben dem eigentlichen Konstanzer Hochstiftswappen bei den Konstanzer Fürstbischöfen:

Die letzte, vierte Bauphase des Neuen Schlosses betraf nur die Innengestaltung: Unter Fürstbischof Maximilian Christof von Rodt (1775-1800) wurden in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit die Appartements in der Beletage von Pierre Michel d'Ixnard im Stile des Klassizismus umgebaut, wobei die fürstbischöflichen Räume neu ausgestattet und vertäfelt wurden. Im Außenbau wurde nichts mehr verändert.

Dann kam die Säkularisation, und der Markgraf von Baden nahm 1802 das Hochstift Konstanz in Besitz. Das Neue Schloß wurde ausgeschlachtet; alles bewegliche Gut von Wert wurde noch im selben Jahr abtransportiert; selbst einen Großteil der von Franz Anton Bagnato entworfenen und durch den Hafner Blasius Leber hergestellten Rokokoöfen wurde entfernt und ins Mannheimer Schloß transferiert, wo sie den Zweiten Weltkrieg nicht überlebten. 1806 lag französisches Militär im Schloß. Der leere Schloß sollte versteigert werden, aber es wollte niemand haben. 1833 wurde es in der "Augsburger Allgemeinen Zeitung" zum Verkauf angeboten. Ein Verkauf kam nicht zustande. Dann nutzte man das Gebäude eben als Gefängnis (1838), dann als Mädchenpensionat des Kesselschen Fräuleininstituts (1838-1843), danach als Truppenunterkunft preußischer Militärs (1850-1851), als Seemannsschule eines Kapitäns Wraa (1863), als Reichsfinanzschule und schließlich als Taubstummenanstalt (1865-1935). Während der Nazi-Herrschaft wurde das Neue Schloß Jungen-Realschule (sog. Bodenseeschule, 1936-1944). Nach 1945 schätzte die französische Besatzung die Immobilie als Kaserne und Postensitz.

Danach kam die Immobilie 1955 an das Land Baden-Württemberg, welches das Gebäude in mehreren Etappen 1955-1962 (Dornier- und Schloßmuseum), 1988-1991 (Schloßplatz), 1995-1999 (Treppenhaus, Festsaal, Schloßkapelle) und 2011-2012 (Umbau der Schauräume und des Gartens) umfangreich restaurieren ließ. Heute ist hier neben dem Schloßmuseum und dem Dornier-Museum auch noch die Städtische Galerie untergebracht.

Zur Übersicht: Die Bischöfe von Konstanz
Burkhard II. von Randegg (1462-1466)
Hermann III. von Breitenlandenberg (1466-1474)
Ludwig von Freiberg (1474-1481, Bistumsstreit, Kandidat des Papstes)
Otto IV. von Sonnenberg (1474-1491, Bistumsstreit, Kandidat des Domkapitels und des Kaisers)
Thomas Berlower (1491-1496)
Hugo von Hohenlandenberg (1496-1531, 1526 Auszug aus Konstanz, Verlegung der Residenz nach Meersburg, Rücktritt 1529)
Johann von Lupfen (1532-1537)
Johann von Weeze (1537-1548)
Christoph Metzler (1549-1561)
Mark Sittich von Hohenems (1561-1589)
Andreas von Österreich (1589-1600)
Jakob Fugger (1604-1626)
Sixt Werner von Praßberg und Altensummerau (1626-1628)
Johann Constanz Graf von Waldburg-Wolfegg (1628-1644)
Johann Franz I. von Praßberg und Altensummerau (1645-1689)
Marquard Rudolf von Rodt (1689-1704)
Johann Franz II. Schenk von Stauffenberg (geb. 1658, reg. 1704-1740, Baubeginn des Meersburger Neuen Schlosses, auch Fürstbischof von Augsburg)
Hugo Damian von Schönborn (1740-1743, auch Fürstbischof von Speyer, Fortführung des Baues des Meersburger Neuen Schlosses)
Kasimir Anton von Sickingen (1743-1750, Fortführung des Baues des Meersburger Neuen Schlosses)
Kardinal Franz Konrad von Rodt (1750-1775, Vollender des Meersburger Neuen Schlosses)
Maximilian Christof von Rodt (1775-1800)
Karl Theodor von Dalberg (1800-1817, weitere Bischofsthrone in Worms, Regensburg und Mainz, Fürst von Aschaffenburg, Großherzog von Frankfurt)
Ignaz Heinrich von Wessenberg (Sonderstellung: 1817 Bistumsverweser bis zur Auflösung des Bistums 1821, nicht Bischof)

Literatur, Links und Quellen:
Neues Schloß Meersburg: http://www.neues-schloss-meersburg.de/start/
Neues Schloß Meersburg:
https://www.meersburg.de/161
Neues Schloß Meersburg:
http://www.oberschwaben-tipps.de/neues-schloss-meersburg/
Neues Schloß Meersburg:
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/h-r/Meersburg.html
Johann Christoph Gessinger:
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/GessingerOSB.html
Franz Anton Bagnato:
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Bagnato_Franz_Anton.html
Pozzi-Plan:
http://www.sueddeutscher-barock.ch/Bilder_jpg/grafik/m/Meersburg_PlanPozziGr.jpg
Grundriß:
http://www.sueddeutscher-barock.ch/Bilder_jpg/grafik/m/Meersburg_GrRisseGr.jpg
Fassadenrisse:
http://www.sueddeutscher-barock.ch/Bilder_jpg/grafik/m/Meersburg_Res_Fass-PlanGr.jpg
Michael Wenger: Neues Schloß Meersburg, München und Berlin 2000.
Helmut Maurer, Brigitte Degler-Spengler, Rudolf Reinhardt: Bistum Konstanz, Geschichte, in: Helvetia Sacra, Abteilung I, Band 2, Erster Teil, Basel 1993, S. 84-163.
Franz Xaver Bischof: Das Ende von Hochstift und Bistum Konstanz und der rechtsrheinischen Teile der Hochstifte Basel und Strassburg, in: Alte Klöster - Neue Herren, Ausstellungskatalog, Ostfildern 2003.
Helmut Maurer, Brigitte Degler-Spengler, Rudolf Reinhardt, Franz Xaver Bischof: Bistum Konstanz, die Bischöfe, in: Helvetia Sacra, Abteilung I, Band 2, Erster Teil, Basel 1993, S. 229-494.Dr. Eberhard Achtermann "Wege und Abwege des Bruders Christoph Gessinger", in: Staatl. Aufbaugymnasium Meersburg (Hg.), Seminar Meersburg 1735 - 1985. Beiträge zur 250-Jahrfeier, Stockach 1985, S. 21 - 34
http://www.dhg.fn.bw.schule.de/Schule/Geschichte/Gebaeude/gessinger.html
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Michael Losse: Burgen, Schlösser, Adelssitze und Befestigungen am Bodensee und am Hochrhein, Band 1.2, 176 S., Imhof-Verlag, Petersberg, 1. Auflage 2011, ISBN-10: 3865681913, ISBN-13: 978-3865681911, S. 90-94.
Herbert Frey: Franz Konrad Kasimir Ignaz von Rodt, in: Historisches Lexikon der Schweiz, online:
http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D26339.php

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