Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 299
Mainz -
Erzbischöfe, Kurfürsten, Adelspaläste
Der Neue Dalberger Hof in Mainz
Der
Neue Dalberger Hof
Nicht zu verwechseln mit dem
älteren Dalberger Hof am Ballplatz, ist der neue Dalberger Hof
(Klarastraße 4) ein Werk im Stil des rheinfränkischen Barocks.
In einer auf beispiellose Repräsentation bedachten Zeit war das
alte Anwesen zu klein und unansehnlich im Geschmack der Zeit
geworden, also baute man neu: Prächtiger, größer, einer der
angesehensten Familien von Mainz angemessener. Der Neue Dalberger
Hof (auch Jüngerer Dalberger Hof) wurde ab 1707 geplant und
entstand in den Jahren 1715-1718 unter der Leitung des
Architekten Johann Kaspar Herwarthel (1675-1720). Über dem
Hauptportal war einst ein Chronogramm: CONCORDIA FRATRVM EREXIT =
C + C + D + I + V + M + X + I = 1717, doch diese Inschrift wurde
1829/30 entfernt. Das spielt darauf an, daß der Hof von mehreren
Brüdern errichtet wurde, und das erklärt auch die enorme
Ausdehnung. Der Neue Dalberger Hof, der 1724/25 bezugsfertig mit
Innenausstattung fertiggestellt war, wurde der größte noch
erhaltene Adelshof in Mainz, eine dreiflügelige Gebäudegruppe
um einen Innenhof. Der Bauplatz wurde von der Klarastraße, der
Ottiliengasse und der Emmeranstraße eingerahmt. Man befand sich
auf dem Bauplatz in der Klarastraße in bester Gesellschaft:
Gegenüber war der nur kurz vorher erbaute Ingelheimer Hof
(dessen Ruine einer gesichtslosen Neubebauung wich), auch der
Bauplatz selbst hatte Tradition: Hier befand sich vorher das
Anwesen der Familie Brendel von Homburg, auch dies ein klingender
Name in der Mainzer Geschichte. Für den gewaltigen und dynamisch
bewegten Mittelrisalit der Hauptfassade ist die enge Klarastraße
fast zu klein. Für die pompöse Fassade fehlt der Abstand, um
sie gebührend zu betrachten. Vielleicht aus diesem Grund klappt
das große Dalberg-Wappen in einem beträchtlichen Neigungswinkel
nach vorne, dafür kann man dieses Wappen als einziges
verzerrungsfrei vom gegenüberliegenden Bürgersteig betrachten.
Der riesige Baukörper ist dreigeschossig und hat 15 Fensterachsen zur Klarastraße. Am Mittelrisalit und an den beiden an den Ecken abgerundeten Seitenrisaliten binden paarweise angeordnete Kolossalsäulen bzw. Kolossalpilaster die beiden oberen Geschosse zusammen. Das bildet einen großformatigen Architekturrahmen, dem die kleineren Elemente eingeschrieben sind wie die übereck eingestellten Säulenädikulen der Durchfahrten im Erdgeschoß und Fenstertüren im ersten Obergeschoß. Die Fassade erhält reichlich Bewegung durch die konkav einschwingenden Architekturteile und die konvex ausschwingenden Seitenbalkone, und vor allem auch durch die im Winkel angesetzten Fassadenteile rechts und links am Mittelrisalit.
Dieser hohe Mittelrisalit mit seinen bewegten Linien, mit seiner wuchtigen Gliederung, seinen reichen architektonischen Details und vor allem mit seinem volutengesäumten Aufsatz, der in einem Dreiecksgiebel endet, überschreitet selbst für prunkvolle Adelspaläste eine gewisse Grenze: Deckt man einmal mit den Händen die Seitenteile des Gebäudes ab, so erhält man eine prunkvolle Kirchenfassade des römischen Barocks. Sakrale Prunkarchitektur verschmilzt hier mit barocker, weltlicher Architektur, um die Besitzerfamilie mit architektonischen Mitteln noch mehr zu glorifizieren. Was wir hier sehen, ist ein Wiederhall der Ideen Borrominis in Rom, insbesondere, was die Plastizität der Fassade anbelangt und die dynamische Tiefenerzeugung durch die Ädikulen. Architekturen wie am Palazzo della Propaganda Fide und am Oratorio dei Filippini standen Pate. Andererseits ist das Gebäude ebenso ein Wiederhall der Ideen Fischer von Erlachs in der Wiener Palastarchitektur, insbesondere was die Fassadeninstrumentalisierung angeht. Jedenfalls läßt die Architektur keinen Zweifel daran, daß die großartigste Inszenierung gerade gut genug ist für eine Familie, die sich auf dem ersten Rang der deutschen Reichsritterschaft wahrnahm.
Im Volksmund heißt der Hof wegen der an den Toren angebrachten Eberköpfe "Zu den drei Sauköpfen". Diese haben einen Bezug zu den Vorgängerbauten, denn etliche ältere Parzellen wurden damals zu einem großen Bauplatz vereinigt, und einer der Vorgängerhöfe war der Hof "Zum Saukopf". Die Ausstattung und die Deckengemälde von Giovanni Francesco Marchini gingen bereits während der Belagerung der Stadt Mainz im Jahr 1793 durch Brand verloren. Während der französischen Besatzung war das schöne Adelspalais Palais de Justice, 1809 wurde der Hof städtischer Besitz, und nach der Renovierung durch Baudirektor Paul Arnold in den Jahren 1829/29 war er großherzoglich-hessischer Justizpalast, 1832 wurde ein Arresthaus hinzugefügt, 1910 war hier die Kunstgewerbeschule, 1923 wurde der Haus Polizeiamt, ständig wechselte die Nutzung. An den Giebelverdachungen befindet sich ein Reliefschmuck, der aus der Zeit um 1872/73 stammt und von Heinrich Barth geschaffen wurde und der einen deutlichen Bezug zur Nutzung als Justizpalast hat. Während der Zeit des Nationalsozialismus war das Gebäude Haftanstalt für politische Gefangene. 1945 brannte das Gebäude vollständig aus. 1956-1959 Wiederherstellung, wobei auch das ursprüngliche Mansardendach rekonstruiert wurde. Erst folgte eine Nutzung als Behördenhaus und bis zum Ende des 20. Jh. als Polizeipräsidium, ab 1982 war das Peter-Cornelius-Konservatorium hier untergebracht. In den 1990er-Jahren renovierte man halbherzig, kam aber über den Mittelrisalit nicht hinaus. Um die letzte Jahrtausendwende war das Denkmal durch Vernachlässigung akut vom Verfall bedroht. Der Mittelrisalit der Hauptfassade wurde inzwischen fertig restauriert, die damals von Substanzverlust akut bedrohten Seitenflügel ebenfalls. Bis 2008 hatten in diesem Gebäude Ämter der Stadt Mainz ihren Sitz: Amt für Stadtentwicklung, Statistik und Wahlen, Amt für Steuerung und Personal, Frauenbüro, Kultur- und Schulverwaltungsamt. Nach einer umfassenden Fassadenrenovierung und Umbau erfolgte die Privatisierung des Gebäudes mit einer Gesamtwohnfläche von 5985 m² unter Umbau zu 57 Eigentumswohnungen (unter Erbbaurecht) mit Zuschnitten von ca. 50 bis ca. 200 m². Im Hof wurde eine Tiefgarage mit 84 Stellplätzen angelegt.
Das
Dalberg-Wappen:
Das Wappen ist das der
Freiherren von Dalberg, genauer das der Kämmerer von Worms,
genannt von Dalberg. Es ist geviert, Feld 1 und 4: unter einem
mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Schildhaupt in Blau 6
(3:2:1) silberne Lilien (Kämmerer von Worms), Feld 2 und 3: in
Gold ein schwarzes Ankerkreuz (Dalberg). Die dazugehörigen
Helmzieren wären: Helm 1 (rechts): ein wie der Schild bez. Flug,
Helm 2 (links): ein goldener Flug, belegt mit jeweils einem
schwarzen Ankerkreuz. Die dazugehörigen Helmdecken wären
schwarz-golden und blau-golden. Aber das wird hier alles
entbehrt.
Das Wappen wird von einer prächtigen Kartusche mit im unteren Bereich einwärts, im oberen Bereich auswärts gedrehten Schnörkeln gerahmt, von der zu beiden Seiten Blumengirlanden zu zwei auf dem Gesims sitzenden Putten verlaufen. Auf der Kartusche ruht eine vergoldete Blattkrone.
Das
Geschlecht derer von Dalberg
Die von Dalberg stammen aus
dem Nahegau und wurden erstmals 1208 nachgewiesen. Der
Schwerpunkt der Besitzungen liegt im Rheinland, um Worms und Bad
Kreuznach. Dalberg bei Bad Kreuznach war seit 1132 Stammsitz der
Familie. Die Familie starb aber schon 1323 im Mannesstamme aus
und verschmolz durch Heirat mit den Kämmerer von Worms, welche
einst das Amt der Kämmerer des Bischofs von Worms bekleidet
hatten und irgendwann ihre Amtsbezeichnung zu ihrem Familiennamen
gemacht hatten. Die Kämmerer von Worms lassen sich schon im 10.
und 11. Jh. identifizieren. Nach der Heirat zwischen den beiden
ohnehin verwandten Familien vereinigte man beider Wappen in einem
gevierten Schild und nannte sich "Kämmerer von Worms,
genannt Dalberg" oder "Kämmerer von Worms, Freiherr
von Dalberg".
Die Familie stieg zu einer der wichtigsten und angesehensten Adelsfamilien des Heiligen Römischen Reiches auf. Die Bekleidung von allerhöchsten Stellungen im Dienste der Kirche und des Reiches, die Funktion als Bischöfe, Erzbischöfe, Äbte, Fürstäbte, Präsidenten des Reichskammergerichts etc. kennzeichnete den Aufstieg der Familie. Zwischen 1671 und 1817 waren 9 Dalberg Kapitulare von Würzburg, des weiteren gibt es einen Fürstabt von Fulda. Es gab mehrere Linien, so die Linie Dalberg-Haßloch mit Besitz in Haßloch, Gabsheim, Mommenheim und Bechtolsheim (beides Ganerbschaften), die Linie Dalberg-Herrnsheim mit Besitz in Mandel (Niederrhein), Essingen, Herrnsheim, Abenheim, Kropsburg und natürlich die Hauptlinie Dalberg-Dalberg mit Besitz in Dalberg, Sommerloch, Oberhub, Unterhub, Wallhausen, Walderbach, Spabrücken, also insgesamt entlang des Rheines und der Nahe mit Streubesitz in Franken und Württemberg.
Ein Privileg der Familie Dalberg ist zur Redensart geworden: Die Redensart "Ist denn kein Dalberg da?" bezieht sich auf das Privileg, als erste von allen Anwesenden zum Reichsritter geschlagen zu werden. So mußten die Reichsherolde erst fragen, ob ein Dalberg anwesend ist, ehe der Kaiser die neuen Reichsritter schlug, ein Brauch, der angeblich seit 1452 überliefert sei, aber auf ein erheblich älteres Privileg zurückgehen sollte. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Familienlegende, die erst in der ersten Hälfte des 19. Jh. in Umlauf gebracht wurde, auf Veranlassung der Familie. Es gab weder einen Ritterschlag eines Kämmerer von Worms auf der Tiberbrücke im Jahr 1155 durch Kaiser Friedrich Barbarossa, noch erschallte jemals bei einer Kaiserkrönung der Ruf "Ist kein Dalberg da?". Der erste Ritterschlag auf der Tiberbrücke erfolgte 1452. Und auch dann war noch nicht von einem entsprechenden Privileg die Rede. Erst 1494 bekam die Familie von Kaiser Maximilian I. das Privileg, bei einer Krönung als erste dran zu sein, wenn Ritterschläge vergeben wurden. Von diesem Privileg wurde lange kein aktiver Gebrauch gemacht. Erst 1653 kam es zu einer Erster-Ritterschlag-Zeremonie aus Anlaß der Krönung von König Ferdinand IV. in Regensburg. Weitere Fälle sind für die Jahre 1658, 1690, 1711 und 1742 belegt. Dafür erhielten sie ab 1742 wertvolle Gedächtniskleinodien verliehen. 1654 wurde der Familie die Reichsfreiherrenwürde verliehen. Mit Maria Anna von und zu Dalberg, seit 1912 Ehefrau von Prinz Franz zu Salm und Salm-Salm, starb das Geschlecht am 22. Februar 1979 aus. Der letzte männliche Sproß einer Dalberg-Seitenlinie war Johannes von Dalberg (1909-1940). Bekannte Vertreter des Adelsgeschlechts sind:
Ein Gitter vor der zum Eingang hochführenden Treppe im linken Seitenrisalit wiederholt als moderne Schmiedearbeit das Dalberg-Wappen unter Angabe von Erbauungszeit und Wiederaufbaujahr, wobei das Wappen aber seitenverkehrt wiedergegeben wird.
Im rechten Seitenrisalit befindet sich in der Tordurchfahrt zum Hof eine Vitrine mit Fundstücken vom Gelände, darunter auch ein spitzovaler Wappenstein der Brendel von Homburg (in Gold ein roter Zickzackbalken) aus grauem Sandstein, der in einem Brunnen gefunden wurde. Die Brendel von Homburg besaßen einen Vorgängerbau, der später im Dalberger Hof aufgegangen ist, wie etliche andere auch: Die Hofplätze der Häuser "Zum Bunten Mantel", "Zum Frohen", "Zum Juckel", "zum Schlegel", "Zur Setzrebe", "Zum Saukopf" gingen genauso wie der Brendelsche Hof in der riesigen Anlage auf..
Literatur:
Baedeker: Mainz, Karl
Baedeker-Verlag, 2004. ISBN 3-87954-074-8
Werner Schäfke: Der Rhein von Mainz bis Köln, eine Reise durch
das romantische Rheintal, DuMont Kunstreiseführer, DuMont
Verlag, Köln 2006, ISBN 978-3-7701-4799-1
Otto Gruber: Wappen des
mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl.
Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen
Jahrgängen der "landeskundlichen
Vierteljahresblätter".
Jüngerer Dalberger Hof: http://de.wikipedia.org/wiki/Dalberger_Hof#Jüngerer_Dalberger_Hof
Dalberg: http://de.wikipedia.org/wiki/Dalberg_(Adelsfamilie)
R. Schneider: Der Dalberger Hof in Mainz und sein Architekt
Caspar Herwartel 1675-1720, Idee und Gestalt eines barocken
Stadtpalastes, Wernersche Verlagsgesellschaft; 1986
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und
Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag -
Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher
Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler
in Rheinland-Pfalz, Stadt Mainz, Band 2.2: Altstadt, bearb. von
Ewald Wegner, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege
Rheinland-Pfalz 1988, Wernersche Verlagsgesellschaft Worms, 3.
Auflage 1997, ISBN 3-88462-139-4, S. 248-250
Jüngerer Dalberger Hof: http://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/mainz/kulturdenkmaeler/dalberger-hof.html
Jüngerer Dalberger Hof: http://www.dein-rhein-main.de/staedte/mainz/themen/tourismus/sehenswuerdigkeiten/beruehmte-bauwerke/aelterer-juengerer-dalberger-hof.html
Jüngerer Dalberger Hof: http://www.architektur-bildarchiv.de/image/Jüngerer-Dalberger-Hof-Mainz-19145.html
Jüngerer Dalberger Hof: http://www.stadtbild-deutschland.org/forum/index.php?page=Thread&threadID=4034
Dalberger Hof als NS-Gefängnis: http://www.mainz1933-1945.de/rundgang/teil-i-innenstadt/dalberger-hof.html
Eigentumswohnanlage Dalberger Hof: http://www.dalbergerhof.com/ - http://www.dalbergerhof.com/4.html
Franz Stephan Pelgen, Jana Bisová: Die einzigartige Würde der
Kämmerer von Worms genannt von Dalberg als Erste Erbritter des
Heiligen Römischen Reichs und ihre sichtbaren Abzeichen, hrsg.
vom Stadtarchiv Worms, Worms 2022, 232 S., Das Wormsgau, Beiheft
43, ISBN-10: 3980675408, ISBN-13: 978-3980675406
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