Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 298
Mainz - Erzbischöfe, Kurfürsten, Adelspaläste

Der Stadioner Hof in Mainz

Der Stadioner Hof ist ein dreigeschossiges Mainzer Adelspalais aus der Zeit des Barocks. Der repräsentative Adelshof (Große Bleiche 15, an der Ecke zur Gärtnerstraße) wurde in den Jahren 1728-1733 errichtet. Eigentlich war es der unvollendete Rollingsche Hof, erbaut für Lothar Franz von Rollingen (de Raville, Stammwappen: in Rot drei silberne Sparren), Geheimer Hofrat, Herr von Dalenbroich und Koerich im heutigen Großherzogtum Luxemburg, Erbmarschall des Herzogtums Luxemburg und der Grafschaft Chiny. Diesen Hof ersteigerte Friedrich Graf von Stadion-Thannhausen im Jahre 1737 und stellte ihn fertig. Graf Friedrich war Großhofmeister und erster Minister am kurfürstlichen Hof.

Ursprünglich hatte das Gebäude drei Flügel. Der Baumeister ist Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Grünstein (1692-1765), kurmainzischer Baudirektor und Hofmarschall, Architekt bedeutender Adelspalais in ganz Mainz. In diesem Palais (wie auch in seinen anderen Bauten) adaptierte er die Idee des französischen Hôtel particulier, des französischen Adelspalais-Typs aus der Spätzeit Ludwigs XIV. und schuf so eine charakteristische Architektur für die Mainzer Adelshöfe. Die Große Bleiche ist die erste Achse des barocken Stadtausbaus von Mainz. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war hier unbebautes Wiesenland, das innerhalb der Stadtmauern lag. Auf den sumpfigen Wiesen legten die ansässigen Weber ihre neu gewebten Leinen aus, um sie so in der Sonne natürlich aufhellen zu lassen, daher der Name "Große Bleiche". Mit den drei neuen Straßenzügen "Große Bleiche", "Mittlere Bleiche" und "Hintere Bleiche" wurde das Bleichenviertel die erste nach barocken Gesichtspunkten geschaffene Stadtanlage mit schachbrettartigem Grundriß und breit angelegten Straßen, wovon die "Große Bleiche" die Prachtstraße wurde.

Der Stadioner Hof blieb bis 1787 in Familienbesitz. Dann wurde Mainz von französischen Truppen erobert, und am 11.01.1798 wurde das Adelspalais vom frz. Generalkommissar Francois Joseph Rudler beschlagnahmt. Das frisch eroberte Rheinland wurde entsprechend der französischen Verwaltungsstruktur neu gegliedert, und Mainz wurde zur Hauptstadt des Departements du Mont-Tonnere, des Departement Donnersberg. In den Jahren 1802-1814 war hier die französische Justiz untergebracht (Justizpalast). 1816-1890 diente der Stadioner Hof als Sitz der jeweiligen Gouverneure und Kommandanten (Preußen und Österreich). Im Zweiten Weltkrieg wurde der Hof schwerst beschädigt, ab 1949 wurde er wiederaufgebaut unter Wahrung der Barock-Fassade. Erst später wurde der Dreiecksgiebel mit Wappen dem Mittelrisalit wieder hinzugefügt; der erste Wiederaufbau hatte auf ihn verzichtet, wie alte Aufnahmen belegen. Statt dessen hatte man 1949 ein entstellendes Mezzanin- bzw. Attikageschoß hinzugefügt, darüber ein Walmdach. Historisch korrekt wäre der Dreiecksgiebel vor einem Mansarddach gewesen, also mit schräger, dachartig gestalteter Außenhülle. Das Gebäude in der Großen Bleiche 15 beherbergt heute eine Filiale der Commerzbank. Der Hof wurde in den frühen Neunzigern umfassend restauriert, und seitdem hat der Mittelrisalit wieder seinen optisch erforderlichen Abschluß, auch wenn dem restaurierten Giebel drei Fenster des unhistorischen Attikageschosses zum Opfer fielen.

Hoch oben im Giebel das Allianzwappen Stadion - Sickingen. Der Strich in der Mitte ist die Fahnenstange. Über allem die Rangkrone eines Grafen mit 9 Zinken. Anton Heinrich Friedrich Graf von Stadion-Warthausen und Thannhausen (5.4.1691-26.10.1768) war der Sohn von Johann Philipp Joseph Graf von Stadion zu Warthausen und Thannhausen (6.10.1652-2.1.1742) und Maria Anna Gräfin von Schönborn (11.7.1669-26.11.1703). Er heiratete in erster Ehe die aus Freiburg stammende Maria Anna Augusta Antonia Euphemia Euphrosyna von Sickingen zu Hohenburg (3.3.1706-1774), die Tochter von Ferdinand Hartmann Freiherr von Sickingen zu Hohenburg (1673-29.8.1743) und Maria Elisabeth Margareta Sidonia Gräfin von Pappenheim (17.9.1680-20.4.1734).

Die Grafen von Stadion sind ein altes graubündnerisches Rittergeschlecht, die später in Schwaben seßhaft geworden sind. Schon 1270 wird ein Walther de Stadegun erwähnt. 1686 wurden sie Freiherren, 1705 Reichsgrafen. Im Herzschild das alte Stammwappen der Grafen von Stadion, in Schwarz drei goldene Wolfsangeln (Wolfsanker) gestürzt und pfahlweise. Dieser Herzschild liegt einem gevierten Schild auf, der in den Feldern 1 und 4 in Schwarz 3 (2:1) goldene Tannenzapfen (Thannhausen, 1708) und in den Feldern 2 und 3 in Silber ein rotes Kreuz hat. Zu diesem Wappen gehören drei Helme mit folgenden Helmzieren: goldener Tannenzapfen (von Thannhausen), ein schwarzes, golden gestreiftes Kissen, darauf eine goldene Wolfsangel (ein goldener Wolfsanker), mit dem Ring aufwärts, in dem ein Pfauenstoß steckt (von Stadion), ein schwarzer Flug. Decken schwarz-gold, schwarz-gold, rot-silber. Der Ort Oberstadion in Württemberg (Alb-Donau-Kreis) benutzt heute das alte Stadionsche Stammwappen.

Die Freiherren von Sickingen führen in Schwarz fünf (2:1:2) silberne Kugeln. Hier sind Schild und Kugeln rot bordiert. Beim Schild gilt das für eine Linie, bei den Kugeln ist es unzutreffend. Es handelt sich wohl um eine nicht signifikante künstlerische Freiheit. Die zugehörige Helmzier wäre ein silberner (Gruber) oder goldener (Scheiblersches Wappenbuch) Schwanenrumpf, rückwärts mit hahnenfedergezierten roten Kugeln (auch als rote Äpfel mit drei schwarzen Blättern interpretiert) besteckt. Helmdecken rot-silbern (Gruber) oder schwarz-silbern (Wappenbuch der Stadtbibliothek in Zürich) bzw. schwarz-golden oder schwarz-silbern (Rahrbach) oder schwarz-golden (Scheiblersches Wappenbuch).

Literatur:
Baedeker: Mainz, Karl Baedeker-Verlag, 2004. ISBN 3-87954-074-8
Werner Schäfke: Der Rhein von Mainz bis Köln, eine Reise durch das romantische Rheintal, DuMont Kunstreiseführer, DuMont Verlag, Köln 2006, ISBN 978-3-7701-4799-1
http://www.festung-mainz.de/bibliothek/aufsaetze/mainzer-stadtgeschichte/die-bleichen.html
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Stadt Mainz, Band 2.2: Altstadt, bearb. von Ewald Wegner, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz 1988, Wernersche Verlagsgesellschaft Worms, 3. Auflage 1997, ISBN 3-88462-139-4, S. 198-200
Bockenheimer: Graf Anton Heinrich Friedrich von Stadion, in: Allgemeine Deutsche Biographie 54 (1908), S. 427-429
http://www.deutsche-biographie.de/ppn117652199.html
Stadioner Hof:
http://www.stadtbild-deutschland.org/forum/index.php?page=LexiconItem&id=100
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Stadioner Hof:
http://de.wikipedia.org/wiki/Stadioner_Hof
Stadioner Hof:
http://www.schloesserrundschau.de/pfalz/schloesser/mainz01.html
Stadioner Hof:
http://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/mainz/kulturdenkmaeler/stadioner-hof.html

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