Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 162
Trier: Im Schatten der glanzvollen Kurfürsten

ehemalige Jesuitenkirche (Seminarkirche)

Görlitz-Epitaph
Wohl selten nur verirrt sich ein Heraldik-Fan gezielt in die Jesuitenkirche - doch er weiß nicht, was er verpaßt, sollte er sie "links liegenlassen": Die Jesuitenkirche in Trier bietet dem Heraldikinteressierten ein Wappen von exquisiter Qualität, das besser ist als 10 Luxus-Epitaphien mit Durchschnitts-Ahnenproben. Es handelt sich um das Epitaph der Elisabeth von Görlitz, welches sich in der Chorapsis auf der Südseite in der Wand eingemauert befindet. Die meisten Besucher suchen die Kirche auf wegen Friedrich Spee zu Langenfeld (s. u.) und übersehen dieses Kleinod der spätgotischen Bildhauerkunst. Die Entstehungszeit liegt um 1460 AD.

Elisabeth von Görlitz war Regentin und Erbin von Luxemburg (1390-1451), die zugunsten von Philipp des Guten von Burgund auf ihre Thronfolgerechte verzichtet hatte, nicht zuletzt wegen hoher Verschuldung verkaufte sie 1443 ihre Pfandrechte an ihn. Danach war sie - mit Verlaub - überflüssig in der Luxemburger Politik und lebte von 1444-1451 in Trier und entwickelte sich dabei zur großen Wohltäterin der Franziskaner. Franziskaner? Einst war die heutige Dreifaltigkeitskirche, Seminarkirche und vormalige Jesuitenkirche (1570-1773) die Franziskaner-Minoritenkirche (1240-1570), denn man bedenke, daß Ignatius von Loyola lange nach der Elisabeth von Görlitz gelebt hat und es damals noch keine Jesuiten gab. 1570 haben die Jesuiten auf Anordnung des Erzbischofs und Kurfürsten Jakob von Eltz (1567-1581) Kirche und Kloster von den Franziskanern übernommen.

Das Epitaph hat nicht nur einen der elaboriertesten und plastischsten Schilde, sondern auch einen der originellsten Schildhalter, wie man ihn in dieser Feinheit und Anmut ansonsten nur auf spätgotischen Gemälden findet. Der quadratische obere Teil des Epitaphs wird von einem Engel in schönsten hochgotischen Formen beherrscht. Originell ist seine Darstellung, denn unter seinem nur locker sitzenden Mantel ist zu sehen, daß er am ganzen Körper außer im Gesicht von Federn bedeckt ist. Der Mantel wird vor der Brust von einer Schließe zusammengehalten und führt am rechten Rand der Platte ein schwungvolles Eigenleben. Die Flügel stehen weit ab und deren lange Teile sind etwa parallel zu den Schildkanten, was Schildhalter und Schild gut miteinander harmonieren läßt - eine Harmonie übrigens, die modernen Wappen, deren Schildhalter leider nur selten individuell komponiert werden, meistens abgeht. Die Schildoberkante hat ihre Projektion genau im Mittelpunkt des Engelsgesichtes, welches von gelocktem Haar gerahmt wird. Wer dieses wunderbare Denkmal geschaffen hat, ist nicht mit Gewißheit zu sagen; man vermutet einen Schüler des Nikolaus Gerhaert von Leyden.

 

Schlanke Säulen rahmen den quadratischen oberen Teil des Epitaps, der obere Abschluß wird von jeweils einer kleinen Statue unter einem Baldachin gebildet, dargestellt sind Adam und Eva.

Der Wappenschild selbst enthält bei näherem Hinsehen nicht nur ein Wappen, sondern zwei, denn es handelt sich um ein Allianzwappen. Als solches ist der Schild gespalten:

Zu Hainaut und Flandern noch eine genauere Betrachtung: Die Hennegauer Grafen spalteten sich zwar einerseits noch in vorheraldischer Zeit vom Haus Flandern als Nebenlinie ab. Als sich die Wappen herausbildeten, führten die Grafen von Hainaut in ihren Siegeln seit 1158 drei Sparren als Wappenbild, das ältere Wappen der Grafschaft Hainaut. Die Grafen von Hainaut konnten 1195 mit Baudouin V. (VIII. in Flandern) durch Heirat die Herrschaft in Flandern übernehmen, so daß sie ab da beide Wappenbilder, den Löwen und die Sparren, hätten führen dürfen. Doch man entschied sich für den flämischen Löwen allein, schwarz in Gold, rotbewehrt und -gezungt, der erstmals unter des Vorgenannten Sohn, Baudouin IX. Graf von Flandern und VI. Graf von Hainaut, im Schild seiner Reitersiegel als einziges Wappenbild erscheint. Ebenso führen seine Töchter Jeanne bzw. Marguerite sowie deren Ehemänner Ferdinand von Portugal und Thomas von Savoyen bzw. Buchard d'Avesnes und Guillaume de Dampierre den flämischen Löwen alleine. Nur für kurze Zeit taucht das Schildbild mit den drei Sparren noch einmal aus der Versenkung auf, als Ferdinands von Portugal, Ehemann der Erbgräfin Jeanne von Flandern-Hennegau, sie zwischen 1212 und 1232 nochmals im Rücksiegel benutzt. Danach wurde endgültig auf das alte Wappen verzichtet und durchgängig der flämische Löwe benutzt. Jeannes zweiter Ehemann, Thomas von Savoyen (-1244), benutzt die Sparren schon nicht mehr, und fortan wurde konsequent das flämische Wappen verwendet.

Genauer betrachtet war Elisabeth die einzige Tochter des Herzogs Johann von Görlitz (Graf von Luxemburg, König von Böhmen, der einzige Herzog von Görlitz (das Herzogtum Görlitz wurde eigens für ihn geschaffen), Markgraf von Mähren, Markgraf von Brandenburg, 1386 - 1388 auch Verwalter des Herzogtums Luxemburg) und der Richardis von Mecklenburg-Schwerin, Tochter von Herzog Albrecht III. von Mecklenburg, weiterhin eine Enkelin des Kaisers Karl IV.

Ihr erster Ehemann, den sie am 16. Juli 1409 in Brüssel heiratete, war Anton von Burgund, Herzog von Brabant und Limburg, Graf von Rethel. Die Mitgift Elisabeths betrug 120.000 Gulden, wurde aber nie ausgezahlt, sondern sie erhielt ersatzweise die Pfandherrschaft über das Herzogtum Luxemburg, das sie später an Burgund brachte. Mit ihrem ersten Gemahl hatte Elisabeth einen einzigen Sohn, der aber noch als Säugling starb. Anton von Burgund starb in der Schlacht von Azincourt (25.10.1415), einem der größten militärischen Siege der Engländer im Hundertjährigen Krieg gegen die Franzosen und deren Verbündete. Dieser Gemahl ist heraldisch nicht vertreten.

Danach heiratete Elisabeth Herzog Johann von Bayern-Straubing, Electus und Fürstbischof von Lüttich und Grafen von Holland. Die Ehe blieb kinderlos. 1425 verstarb ihr zweiter Gemahl (Gift). Dieser Gemahl nimmt die heraldisch rechte Seite des Allianzwappens ein.

Der untere Teil des Epitaphs enthält ein Schriftband, das seinesgleichen in der plastischen Kunst sucht und eigentlich nur von Schriftbändern der gotischen Malerei übertroffen wird. Gotische Minuskeln formen eine mehrzeilige lateinische Inschrift, die in großartigen Kurven dem bewegten Band folgen, das von zwei kleinen Engeln gehalten wird. In Übersetzung lautet die Inschrift: Hier ruht die durchlauchtigste Frau Elisabeth von Görlitz, Herzogin von Bayern und Luxemburg, Gräfin von Chiny, Tochter des erlauchtesten Herrn Johann, Herzog von Görlitz und Markgraf von Brandenburg, Bruder des glorreichsten Fürsten Sigismund, des römischen Kaisers und Königs von Ungarn und Böhmen usw., die verstorben ist Anno Domini 1451 am dritten Tag vor den Nonen des Augusts (5. Aug.), möge ihre Seele in Freden ruhen, Amen.

Eine moderne Kopie dieses Wappensteines ist übrigens in Görlitz zu finden, im Hof der ehemaligen Erweiterten Oberschule, vormals Luisenschule, jetzt Joliot-Curie-Gymnasium, Wilhelmsplatz 5.

Wie wäre dieses Wappen - immerhin hatte Elisabeth von Görlitz im französischsprachigen Raum regiert - auf französisch zu blasonieren?
Beginnen wir mit der Basis-Konstruktion: Wir haben ein in einem Schild zusammengeschobenes Ehewappen, müssen also mit "parti" arbeiten. Der Schild ist gespalten (parti) von den Einzelwappen von Jean de Bavière und Elisabeth de Luxembourg, duchesse de Goerlitz: "Parti, au 1.......; au 2.........." Genauer, um den Charakter eines zusammengeschobenen Ehewappens zu unterstreichen: "Parti, au 1 de son mari, qui est........, au 2 de son père, qui est...... ".

Die nächste zu definierende Substruktur wäre, daß 1 geviert ist mit zwei Komponenten und 2 geviert ist mit vier Komponenten und Herzschild: "Parti, au I de son mari, qui est écartelé, aux 1 et 4 ......., aux 2 et 3 ........; au II de son père, qui est écartelé ......., sur le tout ........".

Jetzt kommt noch hinzu, daß die Plätze 2 und 3 der vorderen Spalthälfte nochmals geviert sind, und "écartelé" innerhalb eines "écartelé" wird zu "contre-écartelé": "Parti, au I de son mari, qui est écartelé, aux 1 et 4 ......., aux 2 et 3 contre-écartelé de ... et ....; au II de son père, qui est écartelé ......., sur le tout ........".

Wie das nachher aussieht, sehen wir, wenn wir die Zuordnung der Felder einsetzen: "Parti, au I de son mari, qui est écartelé, aux 1 et 4 de Bavière, aux 2 et 3 contre-écartelé de Flandre et Hollande; au II de son père, qui est écartelé de Bohême, de Brandenbourg, de Basse-Lusace et de Görlitz, sur le tout de Luxembourg".

Jetzt könnten wir hilfsweise so weiter machen: setzen: "Parti, au I de son mari, qui est écartelé, aux 1 et 4 de Bavière (.......), aux 2 et 3 contre-écartelé de Flandre (.......) et Hollande (.......); au II de son père, qui est écartelé de Bohême (.......), de Brandenbourg (.......), de Basse-Lusace (.......) et de Görlitz (.......), sur le tout de Luxembourg (.......)". Aber natürlich lassen wir am Ende die Zuordnungen und die Klammern weg!

Nun zu den einzelnen Feldern:

Jetzt setzen wir die einzelnen Felder in den oben abgeleiteten "Konstruktions-Rahmen" ein: "Parti, au I de son mari, qui est écartelé, aux 1 et 4 fuselé en bande d'argent et d'azur, aux 2 et 3 contre-écartelé d'or au lion de sable, armé et lampassé de gueules, et d'or au lion de gueules, armé (et parfois lampassé) d'azur; au II de son père, qui est écartelé, au 1 de gueules au lion d'argent, couronné, armé et lampassé d'or, la queue fourchue et passée en sautoir, au 2 d'argent à l'aigle de gueules, membrée, becquée et liée d'or, au 3 d'argent au boeuf rampant de gueules, au 4 coupé de gueules au lion d'argent, parfois couronné d'or, et d'argent, sur le tout burelé d'argent et d'azur de dix pièces au lion de gueules, couronné, armé et lampassé d'or".

Oder auch ein bißchen verkürzt: "Parti, au I écartelé: aux 1 et 4 fuselé en bande d'argent et d'azur, aux 2 et 3 contre-écartelé d'or au lion de sable, armé et lampassé de gueules, et d'or au lion de gueules, armé (et parfois lampassé) d'azur. Au II écartelé: au 1 de gueules au lion d'argent, couronné, armé et lampassé d'or, la queue fourchue et passée en sautoir, au 2 d'argent à l'aigle de gueules, membrée, becquée et liée d'or, au 3 d'argent au boeuf rampant de gueules, au 4 coupé de gueules au lion d'argent, parfois couronné d'or, et d'argent, sur le tout burelé d'argent et d'azur de dix pièces au lion de gueules, couronné, armé et lampassé d'or".

Übrigens - einfacher ist es natürlich, Ehewappen als zwei zusammengestellte Wappen aufzubauen, wo zwei separate Schilde aufeinander bezogen sind. Eine solche Konstruktion würde man aufbauen mit "Armes accolées de....... et de......."

Wappen im nördlichen Seitenschiff
Aus der Zeit der Nutzung als Jesuitenkirche finden wir keine Wappen in der Kirche, wohl aber aus der Zeit als Franziskanerkirche: Vier Schlußsteine im nördlichen Seitenschiff sind mit Wappenschilden geschmückt. Der erste, westlichste Schlußstein trägt in mehrfach silbern-blau geteiltem Schild einen roten Löwen, das Wappen des Hauses Luxemburg. Der zweite Schlußstein von Westen trägt in rotem Schild einen heute golden angestrichenen und gekrönten Löwen, der eigentlich silbern und doppelschwänzig sein müßte, weil er das böhmische Wappen darstellen soll. Diese Kombination führt zu Johann den Blinden (10.8.1296-26.8.1346), einen Neffen des aus dem Hause Luxemburg stammenden Trierer Erzbischofs Balduin von Luxemburg (amtierte 1308-1354). Johann der Blinde, je nach Land auch Johann von Böhmen, Johann von Luxemburg, Jan Lucemburský (tschechisch), Jang de Blannen (luxemburgisch), Jean de Luxembourg (französisch), Jean l’Aveugle (französisch) genannt, war 1311-1346 König von Böhmen, Markgraf von Mähren, Graf von Luxemburg und 1311-1335 Titularkönig von Polen. Sein Epitaph im Prager Veitsdom trägt ebendiese Wappenkombination aus Luxemburg und Böhmen. Sowohl Balduin als auch Johann hatten Geld für den Bau des Seitenschiffes gegeben, deshalb sind sie mit den genannten Wappen vertreten. Auch die beiden anderen Schlußsteine (ohne Abb.) tragen den Löwenschild, allerdings erheblich kleiner, einmal unter dem auferstandenen Christus mit Kreuzstab und Fahne in den Händen, und einmal unter einer Kreuzigungsdarstellung mit Maria und Johannes. Auch dort ist der Löwe jeweils vergoldet; der böhmische Löwe muß jedoch silbern dargestellt werden.

 

Denkmal des Friedrich Spee von Langenfeld
Der Jesuitenpater Friedrich Spee von Langenfeld (25.2.1591-7.8.1635) Dichter religiöser Lyrik (Kirchenlieder) und Verfasser der Cautio criminalis, mit der er sich gegen den Hexenwahn und die Folterpraktiken seiner Zeit einsetzte, wurde 1633 ans TriererJesuitenkolleg versetzt, wo er Professor für Moraltheologie war. Das Stammwappen der aus Westfalen stammenden und später im Rheinland ansässigen Spee, die sich zunächst Spede schrieben, seit dem 14. Jh. Besitzer von Langenfeld waren und sich seitdem danach nannten, in der jülichschen, kölnischen und bergischen Ritterschaft aufgeschworen waren, ist in Silber ein schreitender, roter, gekrönter Hahn. Das zugehörige Kleinod wäre zu rot-silbernen Decken in roter, golden gekrönter Hahnenrumpf wachsend zwischen einem offenen roten Flug, jeder Flügel mit einem silbernen Schildchen mit rotem Hahn belegt. Ambrosius Franz von Spee, Herr zu Aldenhof und Heltorf, kurkölnischer Geheimer Rat, Oberstküchenmeister und Oberststallmeister, erhielt am 9.5.1739 von Kaiser Karl VI. die Reichsgrafenwürde; das vermehrte Wappen der Grafen von Spee ist geviert und wird mit zwei Helmen geführt. An dem über der Spee-Gruft aufgestellten, von Wilhelm Albermann (1835-1913) geschaffenen Denkmal ist der Schild am Sockel angebracht, allerdings nur durch Vergoldung akzentuiert, die nichts mit den heraldischen Tinkturen zu tun hat. Ein weiteres Mal begegnet uns das Spee-Wappen auf einer Plakette an der Außenseite des Jesuitenkollegs.

 

Literatur:
Dr. Jean-Claude Loutsch, Armorial du pays de Luxembourg, 1974, Publications Nationales Du Ministère des Arts et des Sciences, Imprimerie Saint-Paul, Société Anonyme, Luxembourg
http://www.genealogie-mittelalter.de/luxemburger/elisabeth_von_goerlitz_1451/elisabeth_von_goerlitz_herzogin_von_brabant_1451.html
Kirchenführer der Jesuitenkirche Trier
Wertvolle Hinweise gab Herr Peter Stammnitz, Idar-Oberstein, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
http://bwpc08.fh-trier.de:8080/kuDb/servlet/videoObj?aktSchluessel=1772
http://www.genealogie-mittelalter.de/luxemburger/luxemburg_grafen_von.html
http://www.hoeckmann.de/geschichte/luxemburggeschichte.htm
http://www.ps-trier.de/01bccb93f2109d243/01bccb93f210a5652/index.html
http://www.genealogie-mittelalter.de/luxemburger/johann_herzog_von_goerlitz_1396/johann_herzog_von_goerlitz_+_1396.html
Claus D. Bleisteiner, Grundzüge der wittelsbachischen Heraldik im Hennegau und in Holland, in: Der Wappen-Löwe, 18. Band, Sonderband
Friedrich Spee:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Spee
Spee von Langenfeld:
https://de.wikipedia.org/wiki/Spee_(Adelsgeschlecht)
Veröffentlichung der Photos aus dem Innenraum mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr. Georg Bätzing, Regens, Bischöfliches Priesterseminar, Jesuitenstraße 13, 54290 Trier, vom 2.2.2007. Ihm sei an dieser Stelle herzlich dafür gedankt.

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