Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1087
Gemmingen (Kraichgau)

Schloß Gemmingen (1): Schloßportal

Gemmingen - der Ort zur Familie! Hier ist Stammland der Freiherren von Gemmingen. Seit 1274 benannte sich das Geschlecht nach dem Ort. Später aber teilten sie sich die Ortsherrschaft mit den Grafen von Neipperg. Das Unterschloß in Gemmingen, welches wir heute bewundern, ist aber nur ein Schloß von insgesamt einst drei Anlagen:

Die Schlösser waren in Besitz verschiedener Zweige der Freiherren von Gemmingen. Hier interessiert nur das Unterschloß. Der rechteckige Bau mit Satteldach wird belebt durch einen links angebauten Treppenturm, der in Höhe der beiden unteren Geschosse achteckig ist und darüber rund gebaut ist, ferner durch einen hofseitigen Standerker über zwei Etagen. Ein kleiner Rundturm von einem Vorgängerbau aus dem Jahre 1520 hat sich ebenfalls erhalten.

Das Schmuckstück des ansonsten zurückhaltend dekorierten Schlosses, an dem sich der ganze figürliche und plastische Reichtum der Renaissance entfaltet, ist das Portal, ein prachtvoller Blickfang aus dem Jahr 1592. Es ist nicht übertrieben, es als einen der großen Höhepunkte künstlerischen Schaffens an den kleinen Landresidenzen der reichsritterschaftlichen Familien des Kraichgaus zu bezeichnen.

Die große Inschrift in der Gebälkzone verrät: "Als man Tausedt fünff Hundert Jahr Vnd Zwaii vnd Neuüntzig zelendt war Ist Auff Gerichtet Dises Hauss erbavt mit Gantzem vleis (Fleiß) Durchaus Durch Wolffgang Dieterich den Edlen Des Hohen Gschlechts von Gemingen Vnd auch die Edel Tugentsam Maria Sein Gemahl mit Nam Ihrs Gschlechts von Gemingen Geborn Von Zucht vnd Gotsfurcht auserkor Sein Reimen fürth Er Wan Got Will So Bin Ich Berait vnd Ist Mein Zil Seins Ehegemals des Gleich Zu Got Mein Trost Alzeit Vnd Hoffnung Staht."

Auf relativ hohen, maskengeschmückten Sockeln flankieren zwei kannelierte Säulen mit vorstehenden Tier- und Menschenköpfen das Portal. Die darüber eingeschobene Inschriftenzone wird von zwei einzigartig phantasievollen Gebälkträgern flankiert, links (oben links im Bild) ein nackter Rumpf, dessen Hosenträger nach hinten in die dortige Volutenrolle übergehen, rechts ein mit den freien Armen eingehaktes Paar, welches mit den Händen an einem Strick zieht, der durch zwei Löwenmäuler verläuft (Abb. weiter unten). Zwischen den Köpfen springt ein Eberkopf hervor.

Wolfgang Dietrich von Gemmingen vermählt mit Maria von Gemmingen, entsprechend findet man zwei gleiche Wappen als Allianzwappen vereinigt. Wer sich durch die Duplizität in der erwarteten Motivfülle enttäuscht sieht, möge auf den Hintergrund der Wappendarstellungen blicken, ein reich mit Beschlagwerk gestalteter Untergrund, der mit einem Fruchtbüschel oben zwischen den Helmzieren und darüber mit einer Löwenmaske und mit zwei schräggestellten Engelsmasken an den Seiten verziert ist. Die den oberen Abschluß tragenden Pfeiler sind rechts als Karyatide gestaltet bzw. links als bärtige männliche Tragfigur ausgestaltet. Besonders faszinierung auch die phantasievolle Gestaltung unterhalb der Hüfttücher, rechte eine Löwenmaske, unten ein Fisch, verbunden durch eine Linie mit zwei Kugeln, links ist es die Maske eines Ziegenbocks, und unten ist eine Kröte o.ä.

Allianzwappen (Ehewappen) von Wolfgang Dietrich von Gemmingen-Gemmingen und Maria von Gemmingen-Bürg. Die Freiherren von Gemmingen führen in Blau zwei goldene Balken. Als Helmzier führen sie zwei wie der Schild mit zwei goldenen Balken belegte blaue Büffelhörner. Helmdecken blau-golden.

Anmerkung: In der Züricher Wappenrolle ist ein abweichendes Wappen abgebildet: In Gold drei blaue Balken, Kleinod ein armloser Mannesrumpf mit aufgesetzter spitzer Kapuze, die goldene Kleidung belegt mit den drei blauen Balken. Dieses Wappen wird nicht mehr geführt, sondern ausschließlich das oben beschriebene.

Abb.: Details vom Renaissance-Portal

Es gibt vier Hauptlinien der Freiherren von Gemmingen:

Daneben gibt es weitere Linien (Mühlhausen, Presteneck, Horneck, Tiefenbronn, Hamberg/Homberg...). Die Freiherren von Massenbach sind ebenfalls ein Zweig der Familie, gleichen Stammes und gleichen Wappens.

Die Freiherren von Gemmingen waren im schwäbischen Ritterkreis und im Ritterkanton Odenwald tätig. Bedeutende Familienmitglieder sind die vier Ritterhauptleute im Ritterkanton Odenwald: Weiprecht von Gemmingen (gest. 1680), Reinhard von Gemmingen (1652), ein zweiter Reinhard von Gemmingen (1717-1750) sowie Philipp von Gemmingen (1777-1785). Berühmt ist Wolf von Gemmingen, der 1648 bei den Friedensverhandlungen in Osnabrück die gesamte Reichsritterschaft vertrat. Sein Ziel, der Reichsritterschaft Sitz und Stimme im Reichstag zu verschaffen, scheiterte jedoch an der Wahrnehmung der Reichsritterschaft als eigenen Stand. Reinhard von Gemmingen (1675-1707) war badischer Oberhofmarschall, Geheimrat und Regierungspräsident.

Im Dienste der Kirche gibt es drei Bischöfe und einen Fürstabt: Johann Konrad von Gemmingen war 1595-1612 Fürstbischof von Eichstätt, Johann Otto von Gemmingen war 1591-1598 Bischof von Augsburg, Uriel von Gemmingen war 1508-1514 Erzbischof von Mainz und Kurfürst, und schließlich war Andreas von Gemmingen 1316-1320 Fürstabt des Klosters Hersfeld.

Ausschnitt aus der Genealogie der Herren von Gemmingen, fett sind für die Familiengeschichte relevante Personen, fett und burgunderrot sind die Besitzer der hier beschriebenen Wappensteine, rot sind die Fundstellen von Wappen:

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Hartmut Riehl: Burgen und Schlösser im Kraichgau, Verlag Regionalkultur 1997, ISBN 3-929366-51-7
Zwischen Fürsten und Bauern - Reichsritterschaft im Kraichgau, hrsg. von Clemens Rehm und Konrad Krimm, Heimatverein Kraichgau, Sinsheim 1992, 2. Auflage 1993, ISBN 3-921214-04-1
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Stammliste der Freiherren von Gemmingen: Edmund von der Becke-Klüchtzner, Stamm-Tafeln des Adels des Großherzogthums Baden: ein neu bearbeitetes Adelsbuch, Baden-Baden, 1886,
http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/diglit/beckekluechtzner1886
Walter von Hueck: Stammfolge des Geschlechts der Freiherren von Gemmingen, Sonderdruck aus dem Genealogischen Handbuchs des Adels Band 37 (Freiherrliche Häuser A, Band VI), C. A. Starke Verlag, Limburg an der Lahn 1966
Maria Heitland: Familienchronik der Freiherren von Gemmingen - Fortsetzung der Chroniken von 1895 und 1925/26. Gemmingenscher Familienverband e.V. 1991
J. Siebmachers Grosses Wappenbuch Band E. Württembergisches Adels- und Wappenbuch. Im Auftrage des Württembergischen Altertumsvereins begonnen von Otto v. Alberti, Bauer & Raspe 1975 (Reprint), 1112 Texts. mit 4132 Wappen + 122 S. Figurenverzeichnis.
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 168
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden, hrsg. von Franz Xaver Kraus, Band 8,1: Adolf von Oechelhäuser: Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Sinsheim, Eppingen und Wiesloch (Kreis Heidelberg), Tübingen, 1909 - http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kdm8bd1, S. 173 ff.

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