Bernhard
Peter
Besondere
Motive: Der Vytis
Der Vytis
Das litauische Wappen zeigt in
Rot ein silbernes Roß mit geharnischtem, silbernen Reiter, mit
bloßem erhobenen Schwert in der Rechten dargestellt, mit blauer
Satteldecke und blauem Schild, darin ein goldenes Doppelkreuz.
Der silberne Ritter wird auch Vytis genannt,
"Verfolger". Vermutlich entwickelte sich aus einer
einfachen Herrscher-Darstellung der gerne gepflegte Mythos des
Verfolgers, der die Feinde aus dem Land vertreibt, wie z. B. in
der Schlacht bei Tannenberg.
Abb.: Vytis auf einer rekonstruierten kursächsischen Postmeilensäule am Dresdner Postplatz.
Das Wappen
der litauischen Großfürsten und der Jagiellonen
Es ist ein sehr altes Wappen,
das bereits für den litauischen Fürsten Narimantas (Sohn von
Gediminas) in einer Chronik zu Beginn des 14. Jh. und 1366 auf
dem Siegel des litauischen Großfürsten Algirdas (1296-1377,
ebenfalls ein Sohn von Gediminas, seit 1345 litauischer
Großfürst, regierte nach Entmachtung des Bruders Jaunutis mit
dem weiteren Bruder Kestutis gemeinsam bis 1377) nachgewiesen
ist. Algirdas Sohn Wladyslaw II Jagiello (Jogaila) wurde
Nachfolger als litauischer Großfürst, aber er konnte sich erst
nach schweren Auseinandersetzungen gegen seinen Onkel Kestutis
behaupten. Auch er führte den Vytis. Zu diesem Zeitpunkt hatte
dieser aber noch nicht das charakteristische Patriarchenkreuz
(korrekter: Doppelkreuz, denn die horizontalen Schenkel sind
gleich lang) im Schild, das später zum festen Bestandteil des
litauischen Wappens und zum Zeichen der Jagiellonen werden
sollte. Der Hintergrund dieses Details ist der in der Union von
Krewo (Kreva (lit.), Krewa (russ.)) vom Großfürsten Jogaila
(1348-1434, 1377-1401 Großfürst, 1386-1399 polnischer König)
geschlossene Vertrag, der die Konvertierung von König und Adel
zum Christentum beinhaltete. Dieses Kreuz finden wir übrigens
als Symbol in weiteren osteuropäischen Staatswappen. Seit 1386
also ist das Doppelkreuz als Jagiellonen-Symbol auf dem Schild
des litauischen Vytis. In früheren Siegeln gab es noch eine
gewisse Variationsbreite hinsichtlich der Bewaffnung des Ritters,
etwa mit Lanze, doch seit dem 15. Jh. ist der Vytis mit Schild,
Doppelkreuz und erhobenem Schwert verbindlich.
Der Vytis
im Wappen von Polen-Litauen
Der Vytis blieb das litauische
Staatssymbol während der Zeit des Großfürstentums und auch
später während der Realunion mit Polen, wo er mit dem
polnischen Adler im gevierten Schild dargestellt wurde. Erst 1795
verschwand er als Staatssymbol zusammen mit dem Staatswesen im
Zuge der dritten polnischen Teilung.
Abb.: Litauischer Vytis geviert mit polnischem Adler auf einer restaurierten kursächsischen Postmeilensäule vor dem Moritzburger Schloß.
Der Vytis
im Wappen von Rußland
Der litauische Vytis begegnet
uns nicht nur als Staatswappen des Großfürstentums und als
Bestandteil des Wappens von Polen-Litauen. Als Rußland 1795
große Teile des ehemaligen Staates schluckte, wurde auch das
litauische Wappen in das Große russische Staatswappen
aufgenommen.
Der Vytis
im 20. Jh.
In der ersten Hälfte des 20
Jh. gab es Bestrebungen zur Reaktivierung während der
litauischen Unabhängigkeit 19181940 als Erste Litauische
Republik; verschiedene Gestaltungen wurden angefertigt, doch der
Vytis erlangte nicht den Status eines offiziellen Staatswappens.
Als Litauen 1940 von der Sowjetunion besetzt wurde, wurde der Vytis als Symbol eigenstaatlicher Organisation verboten, seine Benutzung war unter Stalin strafbewehrt. Bis 1990 wurde von der litauischen Sowjetrepublik (1940-1990) ein Gebilde als offizielles Symbol geführt, das den Namen "Wappen" nicht verdient: Innerhalb eines oben offenen Kranzes aus grünem Eichenlaub und goldenen Getreideähren schräggekreuzt eine goldene Sichel und ein ebensolcher Hammer über einer goldenen, aufgehenden Sonne, überhöht von einem roten, fünfzackigen Stern. Ein rotes Band umschlingt den unteren Teil des Kranzes, bez. mit der Abkürzung LTSR (Lietuvos Tarybu Socialistine Respublika, Litauische Sozialistische Sowjetrepublik).
Heute ist der Reiter seit der Unabhängigkeit 1990/91 wieder das litauische Staatswappen, am 11.3.1990 wurde er wieder das offizielle Nationalsymbol, am 10.4.1990 wurde er wieder Staatsemblem, und er wurde in Art. 15 der neuen Verfassung von 1992 als Staatswappen festgelegt. Die heutige Darstellung zeigt in Rot ein silbernes, goldenbewehrtes, blau mit goldener Verzierung gezäumtes Roß mit geharnischtem, silbernen Reiter mit goldenen Sporen, mit erhobenem, blanken, goldengegrifften silbernen Schwert in der Rechten dargestellt, mit blauer Satteldecke und blauem Schild, darin ein goldenes Doppelkreuz. Als Staatsflagge war seit der Unabhängigkeit erst die gold-grün-rote Trikolore in Gebrauch, seit 2004 der Vytis auf rotem Tuch.
Weitere
Wappen mit dem Vytis
Der Vytis ist aber nicht nur
das litauische Staatswappen, sondern er begegnet uns auch in zwei
der zehn Distriktwappen:
Der Vytis begegnet uns auch im weißrussischen Wappen, wie es 1991-1995 geführt wurde, ebenfalls silbern auf rotem Grund, aber mit silbernem Schild (statt blauem).
Die polnische Woiwodschaft Podlachien, im äußersten Nordosten Polens gelegen und damit an Litauen angrenzend, führt einen geteilten Schild oben in Rot den polnischen Adler, unten den Vytis.
Familienwappen
mit dem Vytis
Es gibt auch ein
Familienwappen, das den Vytis zum Inhalt hat, das der Fürsten
Czartoryski, ein polnisch-litauisches
Dynastengeschlecht, das seine Abstammung auf einen Enkel des
litauischen Großfürsten Gediminas namens Konstanty Olgierowicz
zurückführt, der den Besitz Czartorysk in Wolhynien um 1400
erworben hat. Weitere Besitzungen sind Klewan und Zukow, um 1430
erworben. Anerkennung des Fürstenstandes in Buda am 14.6.1442,
Bestätigung desselben für Litauen in Lublin am 25.5.1569 und
für Polen am gleichen Ort einen Tag später.
Erbländisch-österreichische Anerkennung und Bestätigung durch
Kaiser Joseph II in Wien am 9.6.1785. Das Wappen zeigt nach dem
Wiener Diplom vom 9.6.1785 in Rot auf grünem Boden im rechten
Untereck eine silberne Stadtmauer mit drei purpurnbedachten
spitzen silbernen Zinnentürmen. Vor diesen sprengt galoppierend
ein silbernes Roß mit schwarzem Zügel (ohne Satteldecke).
Darauf sitzt ein silbern-geharnischter Ritter mit vier roten
(purpurnen) Helmfedern, in der Rechten ein Schwert schwingend, am
linken Arme einen blauen Schild haltend, worin ein goldenes
Doppel- oder Patriarchenkreuz (Siebmacher, Band Fürsten, S. 54,
T. 63 und 64). Fürstenhut, hermelingefütterter roter
Wappenmantel. Schildhalter zwei silbern geharnischte Ritter mit
purpurnen Federbüschen auf dem Helm wie im Schilde, jeweils mit
der inneren Hand den Schild und mit der äußeren Hand einen auf
dem Boden abgestellten blauen Schild mit goldenem Doppel- oder
Patriarchenkreuz haltend. Von diesem Wappen gibt es mehrere
Varianten, mit Satteldecke oder ohne, Stadt im rechten Untereck
oder im Schildfuß, verschiedene Gestaltung der Türme, grüner
Boden vorhanden oder nicht, Säbel statt Schwert o.ä. Bedeutende
Mitglieder der Familie waren Fürst Konstantin Adam Czartoryski
(1774-1860), Offizier, und Fürst Adam Jerzy (Georg) Czartoryski
(1770-1861). Letzterer war russischer Außenminister unter
Alexander I. und spielte als Regierungschef eine Rolle bei dem
Novemberaufstand (Kadettenaufstand) von 1830/1831 in Polen. Nach
seiner Emigration wurde der Pariser Familiensitz kultureller
Mittelpunkt polnischer Emigranten.
Literatur:
Siebmachers Wappenbücher,
besonders die Bände Fürsten.
Hans Masalskis, Kleine Geschichte Litauens im Zusammenhang mit
seinen Nachbarn - Mit zahlreichen Bildern und Dokumenten
(Taschenbuch) 2005
Niendorf, Mathias: Das Großfürstentum Litauen. Studien zur
Nationsbildung in der Frühen Neuzeit (1569-1795),
Veröffentlichungen des Nordost-Instituts. Harrassowitz Verlag
Wiesbaden 2006.
Günther Schäfer, Litauen: Das komplette Handbuch für
individuelles Reisen und Entdecken auch abseits der
Touristenpfade (Broschiert), Reise-Know-how
Manfred Hellmann, Grundzüge der Geschichte Litauens, 1966
Manfred Hellmann, Grundzüge der Geschichte Litauens und des
litauischen Volkes, 1990
Michael Garleff, Die baltischen Länder: Estland, Lettland,
Litauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart 2001
Litauen und seine Geschichte: http://www.litauen-vilnius.de/index.html
Russisches Wappen: http://www.armorial.ru/imperial_de_m.htm#_imperial
Litauisches Wappen: http://flagspot.net/flags/lt).html
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