Bernhard
Peter
Wappen,
Linien und Territorien der Welfen (3):
Wappen des Hauses Hannover
Aus
"Calenberg" wird "Hannover"
Hannover hat eine reiche
Karriere von Staatsformen durchgemacht: Fürstentum, Herzogtum,
Kurfürstentum, Königreich, Provinz und Land. 1635 hatte Georg
Herzog v. Braunschweig-Lüneburg (17.2.1582 - 11.4.1641) aus dem
neuen Haus Lüneburg anläßlich der Neuaufteilung der welfischen
Territorien das mit dem Ende der Linie zu Wolfenbüttel verwaiste
Fürstentum Calenberg-Göttingen-Grubenhagen übernommen, und
1636 bezog er in Hannover Residenz. Bis kurz vorher war das
Fürstentum von Friedrich Ulrich Herzog von
Braunschweig-Wolfenbüttel (15.4.1591-1634) regiert worden, nun
wurde es wieder eigenständig regiert. Unter Georgs Sohn Ernst
August Kurfürst v. Hannover (20.11.1629 - 23.1.1698) und dessen
Frau Sophie Pfalzgräfin bei Rhein (23.10.1630 - 8.6.1714) wurde
Hannover ein blühender absolutistischer Hof und ein Zentrum
reger geistiger und künstlerischer Tätigkeit. Unter ihnen
wurden Schloß und Gärten Herrenhausen vollendet. Diese neue
Calenberger Linie, der lüneburgischen Linie entsprossen, wurde
zur Keimzelle des Kurstaates und späteren Königreiches, beerbte
andere Linien, z. B. 1705 die zu Lüneburg-Celle, von der bereits
1665 Grubenhagen erhalten worden war, und überflügelte bald
alle anderen welfischen Linien an Bedeutung. Die territoriale
Konzentration wurde möglich durch den Bruch mit einer bisherigen
welfischen Tradition: Ernst August legte 1682 für sein Land das
Primogeniturrecht fest, so daß sein ältester Sohn Georg I.
Ludwig (28.5.1660 - 22.6.1727) nicht
Calenberg-Göttingen-Grubenhagen erbte, sondern auch
Lüneburg-Celle, wobei zur Absicherung noch eine Ehe mit Sophia
Dorothea Herzogin v. Braunschweig-Lüneburg-Celle
(10.9.1666-13.11.1726), der Erbtochter des Georg Wilhelm Herzog
von Braunschweig-Lüneburg-Celle (26.1.1624-28.8.1705),
geschlossen wurde, eine sehr unglückliche und rein politische
Ehe übrigens, die mit Ehegericht, Haft und Scheidung endete. Aus
dem Fürstentum Calenberg-Göttingen-Grubenhagen wurde im Laufe
der Zeit schlicht "Hannover", und dieser Staat des
Heiligen Römischen Reiches vereinigte schließlich alle
welfischen Territorien bis auf das separat bestehende
Braunschweig-Wolfenbüttel, das aus mehreren, nicht
zusammenhängenden Territorien bestand. Weitere territoriale
Zugewinne für Hannover waren 1689 das Herzogtum Lauenburg nach
dem Aussterben der Askanier, 1700 kam Wildeshausen an Hannover,
ferner nach dem Ende des Nordischen Krieges 1715/1720 die
Herzogtümer Bremen und Verden, so daß sich der Hannoversche
Staat bis an die Nordsee erstreckte. 1731 kam das Land Hadeln im
Dreieck zwischen den Mündungen der Elbe und der Weser hinzu,
1741 das Amt Blumenthal. Hannover war schließlich in mehreren
Reichsgremien vertreten, mit 6 Stimmen im Reichsfürstenrat, mit
3 Stimmen im westfälischen Reichsgrafenkollegium, mit 3 Stimmen
im niederrheinisch-westfälischen, mit einer Stimme im
obersächsischen und mit 5 Stimmen im niedersächsischen
Reichskreis.
Wappen des
Kurfürstentums Hannover vor der Einführung ins
Kurfürstenkollegium:
1692 wurde Hannover
Kurfürstentum, das neunte des Heiligen Römischen Reiches. Die
achte Kur hatten 1648 die Pfalzgrafen erhalten, und um eine
neunte Kur für Österreich hatten sich schon zuvor vergeblich
die Habsburger bemüht. Die Erhebung zum Kurfürstentum war
eingeforderte Belohnung für die Unterstützung des Kaisers im
Pfälzischen Erbfolgekrieg gegen Frankreich. Zur Verwirrung hieß
es offiziell Kurfürstentum Chur-Braunschweig-Lüneburg, obwohl
es nicht dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg entspricht. Herzog
Ernst August von Braunschweig-Lüneburg, der uns im letzten
Kapitel mit seinem Sonderwappen als Bischof von Osnabrück
begegnet ist, wurde 1692 zum Kurfürst ernannt, und er führte
bis zu seinem Tod 1698 einen Warteschild in Form eines ledigen
Herzschildes auf seinem Wappen, das ansonsten 17 Felder mit
Inhalt aufwies. Die Reichserzämter waren normalerweise mit der
Kurwürde verbunden (Ausnahme: Markgrafen von Meißen). Die
frischgebackenen Kurfürsten bekamen zuerst das Amt des
Erzbannerträgers - worauf es Streit mit Württemberg gab, denen
dieses Privileg schon viel früher verliehen worden war. Rein
theoretisch wäre das heraldische Amtszeichen des
Archivexillarius die Reichssturmfahne mit schwarzem Adler in
blauem Feld gewesen, aber diese führte bereits Württemberg.
Also beließ man es eine Weile in einer Art heraldischem
Schwebezustand.
Eines der neueren Felder in den Wappen Hannovers ist das Welfenroß oder Sachsenroß: Die Wurzeln dieses Motivs liegen darin, daß man früher glaubte, daß das Pferd bei den Sachsen den Platz eines Statussymbols innegehabt hatte. Nachdem Herzog Heinrich der Löwe das Herzogtum Sachsen 1180 an die Askanier verloren hatte, fühlten sich die Welfen trotzdem immer noch in der Nachfolge und wollten ihren Führungsanspruch gegenüber den Askaniern betonen und das auch bildlich zum Ausdruck bringen. Seit 1361 wurde das sogenannte Sachsen-Roß ins welfische Wappen aufgenommen, um eine Führerstellung im altsächsischen Raum für die Welfen als Nachkommen der früheren Stammesherzöge zu demonstrieren. Dieses Motiv wanderte später von der Helmzier in ein eigenes Feld im Schild. Deshalb wird das Pferd, obwohl von den Welfen etabliert und mit dieser Symbolbedeutung ausgestattet, korrekt als Sachsenroß bezeichnet.
Der im Siebmacher Landesfürsten 1, Tafel 54 abgebildete und auf S. 30 beschriebene Schild von 1692 ff. ist zweimal gespalten und viermal geteilt über gespaltenem Schildfuß:
Diepholz und Lauterberg erstrecken sich hierbei über jeweils zwei übereinanderstehende Felder. Auf dem Schild ruht der Kurhut.
Wappen des
Kurfürstentums Hannover nach der Einführung ins
Kurfürstenkollegium:
Erst Ernst Augusts Sohn Georg
Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (reg. 1698-1727) erhielt 1706
das ehemals pfälzische Schatzmeisteramt (Bayern wurde die
Kurwürde 1706-1714 aberkannt) und setzte 1708 die goldene
Kaiserkrone (sog. Krone Karls des Großen) in rotem Feld als
Symbol der Erzschatzmeisterwürde in den Schild (der Reichstag
stimmte der Erhebung 1708 zu). Endgültig war das aber erst 1777,
als die Pfälzer Wittelsbacher die Bayern beerbten. Gleichzeitig
zu dieser neunten Kur in protestantischer Hand wurde als
katholisches Gegengewicht die böhmische Kur für den Kaiser
selbst reaktiviert (ebenfalls Reichstag 1708). Im Jahre 1777, als
Bayern durch Erbschaft an die Pfälzer fiel, reduzierte sich die
Anzahl der Kurfürsten wieder auf acht, denn die bayerische
erlosch, und die pfälzische blieb bestehen.
Der im Siebmacher Landesfürsten 1, Tafel 54 abgebildete und auf S. 30 beschriebene Schild ist zweimal gespalten und viermal geteilt über gespaltenem Schildfuß:
Der einzige Unterschied zum vorherigen Wappen ist also der jetzt mit Inhalten ausgestattete Herzschild. Auf dem Schild ruht der Kurhut.
Beispiele für das Vorkommen dieses Typs:
Die
Kurfürsten von Hannover und englischen Könige:
Wie kommt ein Hannoveraner auf
den englischen Thron? Beginnen wir im Jahre 1689: Dort war am 23.
Oktober dieses Jahres nach der Glorreichen Revolution die Bill of
Rights vom König anerkannt und bestätigt worden, welche die
Rechte des englischen Parlaments gegenüber dem Königtum
festlegte. Hier interessiert aber weniger die Schaffung der
Grundlagen des Parlamentarismus, sondern folgender Passus:
"And whereas it hath been found by experience that it is
inconsistent with the safety and welfare of this Protestant
kingdom to be governed by a popish prince, or by any king or
queen marrying a papist, the said Lords Spiritual and Temporal
and Commons do further pray that it may be enacted, that all and
every person and persons that is, are or shall be reconciled to
or shall hold communion with the see or Church of Rome, or shall
profess the popish religion, or shall marry a papist, shall be
excluded and be for ever incapable to inherit, possess or enjoy
the crown and government of this realm and Ireland and the
dominions thereunto belonging or any part of the same, or to
have, use or exercise any regal power, authority or jurisdiction
within the same...". Damit war festgelegt, daß Katholiken
nicht auf den englischen Thron nachfolgen konnten. In selbem
Geiste wurde 1701 der Act of Settlement abgefaßt: "Provided
always and it is hereby enacted That all and every Person and
Persons who shall or may take or inherit the said Crown by vertue
of the Limitation of this present Act and is are or shall be
reconciled to or shall hold Communion with the See or Church of
Rome or shall profess the Popish Religion or shall marry a Papist
shall be subject to such Incapacities as in such Case or Cases
are by the said recited Act provided enacted and established And
that every King and Queen of this Realm who shall come to and
succeed in the Imperial Crown of this Kingdom by vertue of this
Act shall have the Coronation Oath administred to him her or
them....". Auch hier wurde ganz klar die protestantische
Thronfolge festgelegt. Ein Blick in die Stammtafeln:
William und Mary, übrigens beide Enkel von Charles I., waren das Königspaar, welches die Bill of Rights anerkannte. Nach William folgte 1702 Marys Schwester Anne Stuart. Bei deren Tod ergab sich ein Problem: Sophie Pfalzgräfin bei Rhein (23.10.1630-8.6.1714) war die einzige protestantische Enkelin von König James I. Stuart (19.6.1566-1625), und die nächste lebende protestantische Verwandte des Königshauses, die für die Erbfolge zur Verfügung stand. Im Act of Settlement 1701 wurde diese Thronfolge geregelt, die dann mit dem Tod von Anne Stuart eintrat. Da sie selber am 8.6.1714 verstarb, kam ihr Sohn Georg Ludwig 1714 als George I. auf den englischen Thron. Die Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien sollte 123 Jahre lang andauern. Personalunion bedeutet, daß in diesem Falle beide Ämter, Titel und Würden in der selben Person vereint waren, daß es jedoch nie eine staatsrechtliche Verschmelzung beider Staaten gab. Die Verhältnisse waren in beiden Staaten sowieso sehr unterschiedlich: Großbritannien hatte mit der Bill of Rights den Anfang des Parlamentarismus gemacht und die Macht der Könige eingeschränkt, ein Pfad, der immer weiter beschritten wurde und dem Parlament immer mehr Rechte zukommen ließ, während die tatsächliche Macht der Könige schwand. Hannover dagegen war und blieb ein absolutistisch regierter Staat. Dafür hatte andererseits der jeweilige Monarch in Großbritannien wenig Sorgen mit seinen Nachbarn, während Hannover außenpolitisch stets von den Interessen Brandenburg-Preußens und Frankreichs bedroht war. Durch diese Konstellation kam es übrigens zu dem Kuriosum, daß der englische König bei der Wahl des deutschen Königs mitabstimmen durfte.
Erstes
Wappen der Kurfürsten von Hannover und englischen Könige
(1714-1801):
Georg I. König von
Großbritannien und Irland, Herzog v. Braunschweig u. Lüneburg,
Kurfürst von Hannover (28.5.1660 - 22.6.1727) änderte bei
seinem Regierungsantritt in Großbritannien 1714 das Staatswappen
durch Ersatz des vierten Viertels, früher wie Feld 1 auch
England/Schottland, jetzt mit vier neuen Elementen: Braunschweig,
Lüneburg, Hannover, Kaiserkrone (sog. Krone Karls des Großen).
Insgesamt ist das Wappen also wie folgt aufgebaut:
In dieser Form wurde das Wappen benutzt von folgenden britischen Herrschern aus dem Hause Hannover: George I (1714-1727), George II (1727-1760), George III (1760-1801).
Abb.: Wappen von Georg I. (1714-1727), Hannover, Nordportal des niedersächsischen Staatsarchivs
Beispiele für das Vorkommen dieses Typs:
Abb.: Wappen von König Georg II. (1727-1760), Hannover, Portal der ehemaligen Garde-du-Corps-Kaserne am Königsworther Platz
Zweites
Wappen der Kurfürsten von Hannover und englischen Könige
(1801-1816):
Das ab 1801 folgende Wappen
ist wie folgt aufgebaut:
Bildbeispiel: Wappen von König George III (1760-1816) aus dem Haus Hannover, angebracht am alten Festungstor des Forts Galle, Sri Lanka, Detailausschnitt
Auf dem Helm ruht die "Imperial Crown", und darauf steht ein goldener, schreitender, hersehender Löwe (Leopard), der wiederum mit der "Imperial Crown" gekrönt ist. Die ursprüngliche Helmzier der britischen Könige, wie sie seit Edward III. geführt wurde, war ein roter, hermelingestulpter Turnierhut, und darauf der besagte gekrönte Leopard (lion passant guardant). Unter Heinrich VIII. wurde die Helmzier geändert, und statt auf dem Turnierhut stand nun der Löwe auf der königlichen Krone (the Royal Crown proper, thereon a lion statant guardant Or, royally crowned also proper). Die exakte Form der Krone veränderte sich dabei im Laufe der Geschichte immer mal wieder.
Prunkstücke: Um den ovalen Schild liegt das Band des Hosenbandordens mit der Aufschrift "Honni soit qui mal y pense" - "Ein Schelm, der Böses dabei denkt" (Garter), unten ist eine weitere Devise: "Dieu et mon droit" - "Gott und mein Recht". Zwei Schildhalter flankieren das Wappen, heraldisch rechts ein goldener, rotbewehrter, gekrönter, hersehender Löwe für England (engl.:a lion rampant guardant Or crowned), links ein silbernes, golden bewehrtes und bemähntes Einhorn für Schottland, um den Hals eine goldene Krone, heute meist mit daran hängender goldener Kette dargestellt, die hier aber fehlt (engl.: sinister a unicorn Argent armed, crined and unguled Proper, gorged with a coronet Or composed of crosses patée and fleurs de lys (a chain affixed thereto passing between the forelegs and reflexed over the back also Or)). Unter dem Schild befinden sich Rosen und Disteln, Symbole für England und Schottland.
Bildbeispiel: Wappen von König George III (1760-1816) aus dem Haus Hannover, angebracht am alten Festungstor des Forts Galle, Sri Lanka, vollständige Ansicht mit Prunkstücken
Beispiele für das Vorkommen dieses Typs:
Hannover
im Zeitalter Napoleons:
Die enge Verbindung zwischen
Hannover und Großbritannien führte dazu, daß die Hannoveraner
an der Seite des Inselstaates gegen das Frankreich der Revolution
kämpften, allerdings nur in Form von gestellten
Truppenkontingenten. Niedersachsen selbst wurde von den
Revolutionskriegen kaum berührt. 1803 profitierte Hannover vom
Reichsdeputationshauptschluß, denn von den säkularisierten
Fürstentümern bekam Hannover das ehemalige Fürstbistum
Osnabrück als Ersatz für seine Rechte in Hamburg und Bremen,
dazu Hildesheim, Corvey und Höxter als Ersatz für die
Ansprüche auf die Grafschaft Sayn-Altenkirchen. Doch die
Neuordnung zugunsten großräumigerer Staatenbildung war nicht
lange stabil. Nun traf der französische Expansionsdrang auch
Niedersachsen hart: Hannover, das die Politik Englands teilen
mußte, geriet zwischen die Interessen Frankreichs und Preußens.
Kurhannover wurde noch im selben Jahr 1803 vom französischen
Heer erobert, aber 1805 an Preußen abgetreten, 1806 schon wieder
französischer Besitz und blieb es bis 1813. Das Heilige
Römische Reich wurde 1806 aufgelöst, die Kurwürden waren damit
Geschichte. Hannover wurde kurze Zeit später in das Königreich
Westfalen integriert, welches Napoléon für seinen Bruder
Jérôme eingerichtet hatte, erst der südliche Teil mit
Göttingen, Grubenhagen und Clausthal, 1810 gehörte auch der
nördliche Teil zu Frankreich. Dieses Schicksal teilte Hannover
übrigens mit seinem welfischen Schwesterstaat
Braunschweig-Wolfenbüttel. 1810 griff Napoleon auch nach dem
gesamten norddeutschen Küstenbereich, um ein Handelsembargo
gegen England besser aufrechterhalten zu können. Die vielen
Veränderungen während der Fremdherrschaft, die die historisch
gewachsenen Strukturen negierten, nährten den nationalen
Widerstandswillen, deren Symbolfigur der sog. Schwarze Herzog
wurde, Friedrich Wilhelm Herzog v. Braunschweig-Wolfenbüttel
(9.10.1771-16.6.1815) aus der den einst zweiten Welfenstaat
regierenden Linie, Sohn von Carl II. Wilhelm Ferdinand Herzog v.
Braunschweig-Wolfenbüttel (9.10.1735-10.11.1806) und Augusta v.
Hannover Prinzessin von Großbritannien (1737-23.3.1813). Er
kämpfte als preußischer General in den Befreiungskriegen und
fiel in der Schlacht von Quatre-Bras bei Nivelle in Brabant, zwei
Tage vor der Schlacht bei Waterloo.
Das
Königreich Hannover (1814&ndash1866):
Einen echten Nachfolgestaat
gab es erst 1814. Die Geburtsstunde des Königreiches Hannover
schlug auf dem Wiener Kongreß, als Europas Reiche neu geordnet
wurden und durch das Ende des Alten Reiches die Kurfürstentümer
politisch ad acta gelegt worden waren. Aus den bis dahin
verschiedensten Welfen-Herrschaftsgebieten entstanden auf dem
Wiener Kongreß genau zwei neue Staaten, das Königreich Hannover
und das Herzogtum Braunschweig, letzteres weitestgehend in seinen
alten Grenzen. Für Hannover gab es jedoch einige substantielle
territoriale Änderungen: Das Herzogtum Lauenburg mußte von
Hannover an Preußen abgegeben werden, und die Preußen reichten
es an Dänemark weiter. Im Gegenzug bekam Hannover von Preußen
das Stift Hildesheim, die Stadt Goslar, das Untereichsfeld,
Ostfriesland, die Grafschaft Bentheim (bereits 1752 als Pfand),
das Herzogtum Arenberg-Meppen und die Niedergrafschaft Lingen.
Weiterhin gehörten zu Hannover Osnabrück und das Emsland. Im
Königreich Hannover gab es bis 1837 eine Personalunion mit dem
König von Großbritannien, danach gingen beide getrennte Wege.
Diese in Personalunion mit Hannover verbundene Macht machte bei
den Verhandlungen Vieles möglich, so daß Hannover durchaus auf
der Gewinnerseite der Neuordnung stand. Als besonderes Bonbon
bekam Hannover 1816 noch die bisher hessischen Exklaven in
Niedersachsen, darunter die Herrschaft Plesse, das Amt Auburg,
das Amt Freudenberg und das Amt Uchte. Das Königreich Hannover
endete 1866, als Preußen Hannover annektierte, nachdem dieses an
der Seite Österreichs gegen Preußen gekämpft und verloren
hatte, Ergebnis einer sich langsam aufbauenden Konfrontation
zwischen den beiden deutschen Staaten. Aus dem ehemaligen
Königreich wurde 1866 die preußische Provinz Hannover.
Drittes
Wappen der englischen Könige aus dem Haus Hannover nach dem
Verlust der Kurwürde (1816-1837)
Hannover stand nach dem
Untergang des Heiligen Römischen Reiches und dem Wiener Kongreß
nicht länger die Kurfürstenwürde zu. Es wurde Königreich.
Entsprechend wird 1816 der Kurfürstenhut über dem Herzschild
durch eine Bügelkrone ersetzt. Der Herzschild mit dem Symbol des
Erzamtes wird noch beibehalten, obwohl nicht mehr ganz korrekt.
In der neuen Form wird das Wappen geführt von folgenden Königen
aus dem Haus Hannover: George III (1816-1820), George IV
(1820-1830), William IV (1830-1837). Im Detail:
Nur das Wappen des jeweiligen Souveräns hatte auf dem Herzschild eine Bekrönung in Form der hannoveranischen Königskrone, und nur der jeweilige Souverän durfte sich des Erzschatzmeisteramtszeichens bedienen. Dabei muß man aber differenzieren: Es gibt eine heraldische hannoversche Königskrone (Hanoverian Royal Crown), deren Entwurf vom Prinzregenten am 6.5.1816 gebilligt wurde und deren Gestaltung per Proklamation am 8.6.1816 veröffentlicht wurde. Sie existierte nie materiell, sondern nur auf dem Papier und in der Heraldik. Diese Krone diente ab 1816 als Bekrönung des Herzschildes im Wappen der britischen Könige aus dem Haus Hannover; außerdem wurde sie für die Gestaltung des neu gestifteten Guelphen-Ordens verwendet. 1843 hingegen wurde von König Ernst August von Hannover eine hannoversche Königskrone in Auftrag gegeben; diese wurde tatsächlich angefertigt und wird heute auf der Marienburg aufbewahrt. Diese Krone wird logischerweise nicht in der britischen Heraldik verwendet. Die Krone im Herzschild jedoch ist die sogenannte Krone Karls des Großen (crown of Charlemagne) und wird ebenfalls nur vom jeweiligen Chef des Hauses Hannover geführt.
1837 war Schluß mit den Hannoveranern auf dem englischen Thron. Eine Frau kann im Königreich Hannover nicht die Thronfolge antreten. Somit ging die Krone von Hannover beim Regierungsantritt von Queen Victoria an Ernest Duke of Cumberland über, und Queen Victoria begründete mit ihrem Mann das Haus Sachsen-Coburg-Gotha in Großbritannien, das später zum Haus Windsor wurde. Beide Kronen gingen getrennte Wege. Entsprechend dieser Abkopplung von den hannoveranischen Stamm wurden die deutschen Zutaten 1837 aus dem britischen Wappen entfernt.
Abb.: Hannover, Portikus des Leineschlosses, Wappen von König Wilhelm IV.
Beispiele für das Vorkommen dieses Typs:
Wappen des
Königreichs Hannover:
Die Personalunion mit England
währte nicht ewig. Nicht alle Könige von Hannover waren
gleichzeitig englische Könige, aber sie blieben englische
Prinzen. Der Unterschied ist, daß das Wappen der Könige von
Hannover, die nicht gleichzeitig auf dem englischen Thron saßen,
an dem in Großbritannien üblichen System der Differenzierung
mittels Turnierkragen und Beizeichen auf diesem teilhaben. Der
Schild ist wie oben beschrieben in drei Ebenen aufgebaut, aber
über dem Hauptschild liegt oben ein dreilätziger silberner
Turnierkragen, für den jeweiligen Erstgeborenen ohne Beizeichen.
Interessant ist, daß der hannoversche Mittelschild nie alleine
als Landeswappen geführt wurde, sondern stets als Zeichen der
regierenden Dynastie dem britischen Rückschild aufgelegt wurde.
Bildbeispiel: Schloß Celle, Wappen von Ernst August I. König v. Hannover, Herzog von Cumberland, Prinz von Großbritannien (5.6.1771 -18.11.1851). Wappen diesen Typs befinden sich über den beiden östlichen Eingängen, von denen der nördlichere der Hauptzugang zum Schloßmuseum ist und der südlichere in den Innenhof führt. Ernst August I. war der vierte König von Hannover und der erste hannoversche König nach der Aufhebung der Personalunion mit Großbritannien. Über dem Wappen ist die hannoversche Königskrone, die anläßlich der Ausrufung des Königreichs Hannover neu entworfen wurde. Der Kronreif ist oben jeweils zu Spitzen ausgezogen, die abwechselnd mit Tatzenkreuzen und Blattzinken besetzt sind, wobei die insgesamt acht Kronbügel über den beiden ihren Ausgang nehmen.
Bildbeispiel: Schloß Celle, Wappen von Ernst August I. König v. Hannover (5.6.1771 -18.11.1851), Detail.
Die beiden Schildhalter des Wappens des englischen Königshauses befinden sich im Celler Beispiel nicht rechts und links neben dem Schild, sondern in den Zwickeln des Torbogens. Heraldisch rechts ist das ein goldener, rotbewehrter, gekrönter, hersehender Löwe für England, gegenüber ist es ein silbernes, golden bewehrtes und bemähntes Einhorn für Schottland, um den Hals eine goldene Krone, die unten in die drei Zipfel eines Turnierkragens ausläuft.
Bildbeispiele: Schloß Celle, Wappen von Ernst August I. König v. Hannover (5.6.1771 -18.11.1851), Details.
Majestätswappen
des Königreichs Hannover 1837-1866:
Auch wenn kein konkreter
englischer Thronanspruch mehr bestand, wurde der britische
Rückschild beibehalten. Das Wappen wurde wie oben beschrieben
nach 1837 weitergeführt, aber ohne Turnierkragen, und der
Mittelschild wurde ohne Krone geführt. Die königliche Krone
ruht dafür auf dem Rückschild. Auch die englischen
Schildhalter, Löwe und Einhorn, wurden beibehalten, ebenso der
Titel eines Prinzen Großbritanniens und Herzogs von Cumberland.
Somit ist dieses Wappen ein Hybrid aus königlich-englischen
Schildhaltern und königlich-hannoverscher Krone.
Beispiele für das Vorkommen dieses Typs:
An Prunkstücken wurden der Georgs- und der Guelphen-Orden geführt sowie die Devise "Numquam retrorsum" (niemals zurück). Lorbeer und Eiche werden unter dem Wappen mit Rose (England), Distel (Schottland) und Kleeblatt (Irland) zur einer hannoveranisch-britischen Dekoration kombiniert.
Als Mitglieder des englischen Königshauses waren die Wappen der Könige von Hannover mit dem Ordensband des Hosenbandordens umgeben. Nach Aufhebung der Personalunion rückten hannoversche Orden an dessen Stelle: 1839 wurde der St. Georgs-Orden gegründet, dessen Devise das "Numquam retrorsum" war. Am 15.12.1865 wurde noch kurz vor Ende des Königreiches der Ernst-August-Orden gegründet, dessen Devise "Suscipere et finire" war (Beginnen und beenden).
Wappen von
Hannover als preußische Provinz:
Das Königreich Hannover, das den niedersächsischen Raum
weitestgehend beherrscht hatte, wurde nach dem
preußisch-österreichischen Krieg und der Kapitulation der
hannoverschen Armee nach der Schlacht bei Langensalza laut Gesetz
vom 20.8.1866 und gemäß Besitzergreifungsurkunde vom 2.10.1866
von Preußen "für immer" annektiert, ein Schicksal,
das Hannover mit Kurhessen, Nassau und Frankfurt teilte. König
Georg V. mußte ins Exil gehen. Nach 7 Jahrhunderten welfisch
geprägter Selbständigkeit im Reich wurde es ein von einem
Oberpräsidenten geleiteter Teil Preußens, und die
lüneburgischen Löwen des braunschweig-lüneburgischen Wappens
fanden Eingang in das königlich-preußische Staatswappen. Als
preußische Provinz führte Hannover folgende Wappen,
"befreit" von allen bisherigen Territorial- und
Anspruchswappen, reduziert auf das Welfenroß in verschiedener
Ausgestaltung:
Bildbeispiel: mittleres Wappen am Rathaus der Stadt Helmstedt, linker Erker
Literatur,
Links und Quellen:
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf
CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon
der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter
bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007,
ISBN 978-3-406-54986-1
Hugo Gerard Ströhl, Deutsche Wappenrolle, Reprint von 1897,
Komet Verlag Köln, ISBN 3-89836-545-X
Heraldik Großbritanniens: http://en.wikipedia.org/wiki/Royal_Supporters_of_England - http://en.wikipedia.org/wiki/Royal_coat_of_arms_of_the_United_Kingdom - http://www.royal.gov.uk/Home.aspx - http://www.royal.gov.uk/MonarchUK/Symbols/Coatsofarms.aspx - http://www.heraldica.org/topics/britain/royalarm.htm - http://en.wikipedia.org/wiki/Royal_Arms_of_England
Turnierkragen im englischen Königshaus: http://en.wikipedia.org/wiki/Royal_Labels_of_the_United_Kingdom
Welfen: http://www.welfen.de/
Wappen in Hannover: http://www.myheimat.de/hannover-mitte/hannovers-einhoerner-und-koenigswappen-d60376.html
Geschichte Hannovers: http://home.arcor.de/heimatkunde_iburg/Hannover.pdf
Englische Könige aus dem Haus Hannover: http://www.englishmonarchs.co.uk/hanover_11.htm
Münzen der Welfen zu finden bei: http://www.mcsearch.info/ und bei http://www.welfen-muenzen.de/
JVA Celle: http://www.jva-celle.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=23453&article_id=82356&_psmand=169%20%A0
Peter Hoffmann: Niedersächsische Geschichte - kurz gefaßt.
Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung.
Hannover 2004. http://www.nibis.de/nli1/rechtsx/nlpb/pdf/Landesgeschichte/NDS-kurzgefasst09-04.pdf
Carl-Hans Hauptmeyer: Landesgeschichte und historische
Regionalentwicklung im Überblick. Niedersächsische
Landeszentrale für politische Bildung. Hannover 2004. http://www.nibis.de/nli1/rechtsx/nlpb/pdf/Landesgeschichte/Hauptmeyer_Niedersachsen.pdf
Dieter Brosius: Niedersachsen - Geschichte im Überblick.
Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung.
Hannover 1993. http://www.nibis.de/nli1/rechtsx/nlpb/pdf/Landesgeschichte/Brosius.pdf
Bill of Rights: http://avalon.law.yale.edu/17th_century/england.asp
Act of Settlement: http://www.legislation.gov.uk/aep/Will3/12-13/2 - http://www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=46986 - http://www.royal.gov.uk/HistoryoftheMon....ctofSettlement.aspx
ein herzliches Dankeschön an Herrn Karl-Ernst Sittel für
wertvolle Hinweise
Arnold Rabbow, Hannovers letztes Königswappen, Kleeblatt,
Zeitschrift für Heraldik und verwandte Wissenschaften, 2/2012,
S. 19-23
Wappen, Linien und Territorien der
Welfen (1): Wappen-Komponenten und ihre Geschichte
Wappen, Linien und Territorien der Welfen
(2): Entwicklung der herzoglichen Wappen
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