Bernhard
Peter
Studentische
Heraldik
Studentische
Heraldik
Die
Heraldik der
Studentenverbindungen ist ein parallel zur traditionellen
Heraldik existierendes Phänomen, das sich ab dem 19. Jh.
entwickelte und zu eigenen Gepflogenheiten fand. Studentische
Heraldik nach klassischen Regeln zu beurteilen, ist ein
enttäuschendes Unterfangen, denn man hat sich herzlich wenig
um
Gepflogenheiten klassischer Heraldik geschert, sondern man ist
den Weg eigener Symbolsprache gegangen.
Insbesondere die Zulassung von abgestuften Farbtönen und unheraldischen Identitätszeichen machen eine einheitliche Blasonierung so gut wie unmöglich und bringen die studentische Heraldik in Widerspruch zu den Grundprinzipien des sog. heraldischen Stils. Aus diesem Grund wird studentische Heraldik auch von vielen Heraldikern nicht besonders ernst genommen.
Studentenwappen entstanden in der Verfallszeit, als die Kenntnis klassischer Ästhetik gering war und ebenso die Bereitschaft, sich dieselben zu eigen zu machen. Das fiel damals nicht besonders auf, kontrastiert aber heute mit dem, was engagierte Heraldiker seitdem getan haben, um eine Rückbesinnung auf stilistische Höhepunkte der Blütezeit der Heraldik zu erwirken. Deshalb blicken viele Heraldiker auf studentische Heraldik als nicht regelgerecht hinab, ja bezeichnen die Ergebnisse schlicht als "wertlos". Ob zu Recht, sei dahingestellt, denn dieser Ansatz ist vielleicht zu einfach.
Vielleicht wird man studentischer Heraldik nämlich mit einem ganz anderen Ansatz gerechter: Es ist vielleicht nie Sinn, Zweck und Absicht gewesen, etablierten Regeln der Heraldik buchstabengetreu zu folgen. Genauso wie man andere Rituale der etablierten Gesellschaft kopierte, aber dann für sich adaptierte und z. T. auch umformte und mit ganz anderen Sinninhalten der Gruppe füllte, so nahm man die Form und entwickelte die Symbolsprache gemäß den eigenen Bedürfnissen und setzte sich leichtfertig über die sowieso kritisch betrachteten Vorschriften der "Philister" hinweg. Die Kombination aus Übernahme und Umdeutung, von Außenstehenden manchmal als Karikierung oder Persiflage empfunden, zugleich ist typisch für die Auseinandersetzung korporierten Lebens mit gesellschaftlichen Ritualen.
Ein Beispiel für die Parodierung bestehender Strukturen ist z. B. der Bierstaat (Bierherzogtum, Bierkönigreich), in dem die Herrschaftsstrukturen des Heiligen Römischen Reiches auf die Schippe genommen wurden. Parallelen lassen sich ziehen zwischen Farbenstrophen (insbesondere den inoffiziellen) und Nationalhymnen. Der "Bierjunge" (Bierskandal, Bierduell, "Bierjunge" ist eine ritualisierte Beleidigung, dem "dummen Jungen" entsprechend) ist ein weiteres typisches Beispiel für die Verballhornung und Karikierung gesellschaftlicher Rituale, aus dem Duell entsteht ein Trinkritual, genauso ritualisiert und genauso "bierernst" genommen wie andere Formen des Umgangs mit Vorbildritualen. Die "Bierminute" ist z. B. eine Persiflage auf das Diktat der Zeit (5 Bierminuten = 3 Zeitminuten).
Genauso wäre es denkbar, daß die Verwendung von Schild, Helm und Helmzier einerseits, die Entwicklung einer nicht regelgerechten Symbolik und Farbgebung andererseits das Ergebnis einer bewußt distanzierten Rezeption der Vorbilder war.
Ob es nun einfach Nachlässigkeit oder absichtlich nachlässiger Umgang war, der zum Sonderweg der Studentenheraldik geführt hat, mag dahingestellt sein, Tatsache ist, daß es einen typisch studentischen Wappenstil gibt, der seine eigenen geschmacklichen Rahmenbedingungen hat, die oft mit denen klassischer Heraldik nicht übereinstimmen, und das, was wir als heraldische Regeln bezeichnen, verletzt.
Die Symbolik ist häufig eine vaterländisch geprägte. Interessant ist, daß sich hier auch entgegen der klassischen Heraldik (in der jeder Stifter die Deutungshoheit seiner gewählten Zeichen hat) Symbole finden, deren Bedeutung allgemein in korporierten Kreisen verstanden wird und so gut wie gar nicht abweichend eingesetzt werden (Schwert, Leier, Adler, Lorbeerkränze etc.). Ebenso findet man typische Symbole für Wissenschaft (Buch, Eule), und bei manchen Verbänden sind bestimmte Symbole allgemein bestimmten Inhalten zugeordnet und werden bei den einzelnen Mitgliedern eines Dachverbandes nur hinsichtlich Form und Farbe variiert. In positivem Sinne führt das zu einem zusammenhalts- und identitätsfördernden Effekt unter Korporierten, in negativem Sinne führt das zu gestalterischer Stereotypie und künstlerischer Verarmung.
Arten
von Verbindungen
Die
Vielfalt an Verbindungen
ist oft für den Laien schwer zu durchschauen, doch lassen sich
die Verbindungen in mehrere große Gruppen einteilen je nach
Dachverband. Das ist insofern wichtig, als sich jeweils innerhalb
einer solchen mehr oder weniger homogenen Gruppe eine für
diese
typische Symbolik aufgebaut hat, die nicht notwendigerweise von
anderen Gruppen geteilt wird.
Typische Stilmerkmale von Korporationswappen sind:
Typische inhaltliche Elemente von Korporationswappen sind:
Beispiel:
Trier, Böhmerhaus
Dieses ist
die Katholische
Deutsche Studentenverbindung Churtrier im CV, nichtschlagend,
konfessionell ausgerichtet, gegründet am 14. Juni 1960. Der
Wappenschild befindet sich unter dem Erkeransatz der Fassade des
Böhmerhauses, Böhmerstraße 11. Der
halbgeteilte und gespaltene
Schild zeigt im hinteren Teil das rote Kreuz auf silbernem Grund
des Bistums Trier, ein typischer Hinweis auf die betreffende
Universitätstadt, vorne unten auf Gold den typischen
identitätsstiftenden Verbindungszirkel (s. u.). Vorne oben
findet die selbe Farbaufteilung statt, wie sie auch auf Fahnen
und Bändern des Studentenvereins verwendet wird. Das
Vollwappen
zeigt als Helmzier die so typischen drei Straußenfedern in
den
Verbindungsfarben Rot-Gold-Grün. Zur Form des Zirkels: Die
Entstehung der verschnörkelten Monogramme (Zirkel) als
Erkennungszeichen für Corps und Orden ist um 1783 anzusetzen.
Das historisch erste Ausrufezeichen findet sich übrigens in
einer Edition der lutherischen Bibelübersetzung aus dem Jahre
1797. Beides sind also in keiner Weise Elemente, die den
Anforderungen an klassische Heraldik gerecht werden, weil sie
weder in die Welt der Blütezeit der Heraldik gehören
noch an
einem Ritter vorstellbar wären.
Beispiel:
Heidelberg, Plöck 68
Dieses
Verbindungshaus (Plöck
68) in Heidelberg gehört dem "Verein Deutscher Studenten zu
Heidelberg 1883". Die nichtschlagende, politische (mit
völkischer Ausrichtung) Studentenverbindung wurde am 12.1.1883
gegründet. Ihr Wappen ist durch einen silbernen
Schrägrechtsbalken von Schwarz und Rot geteilt und
über allem
mit dem Zirkel belegt. Man findet typische Elemente studentischer
Heraldik wie die einfallslosen Straußenfedern als Helmzier,
die
der Fahne oder dem Burschenband entsprechende farbliche
Schildeinteilung, die dominante Verwendung eines Zirkels, was der
klassischen Heraldik ganz und gar fremd ist, noch fremder als die
Verwendung von Schrift und Buchstaben, ferner die absolute
Gleichgültigkeit gegenüber Maß und guten
Proportionen, wie
sich an der Helmdecke besonders eklatant zeigt. Die Regel,
daß
Farbe außen und Metall innen ist, wird hier ebenfalls
komplett
ignoriert. Über die Kombination Helmkrone zu Stechhelm kann
man
ebenfalls diskutieren.
Beispiel:
Heidelberg, Neue Schloßstraße 10-12
Dieses
Wappen gehört zur
Heidelberger Burschenschaft Frankonia. Diese schlagende und
politische Studentenverbindung, der Deutschen Burschenschaft
angeschlossen, wurde 1833 zum 1. Mal und 1846 zum 2. Mal
gegründet. Die typische und auch auf den Bändern
verwendete
Farbabfolge ist: "Gold-Schwarz-Rot-Gold" - Farbregel
egal, legitimiert durch Bezug auf die Jenaer Urburschenschaft.
Das hier abgebildete Wappen ist am 1893 eingeweihten Frankenhaus
in der Schloßstraße angebracht. Das Gesamtlayout
zeigt durchaus
Vertrautheit des Künstlers mit heraldischen Proportionen,
wenngleich das Wappen typische Elemente studentischer Heraldik
zeigt wie die einfallslosen Straußenfedern als Helmzier (vier
Straußenfedern, weil die typische Farbabfolge 4 Farben
umfaßt)
und den stets vorhandenen Zirkel, hier auf dem Herzschild. Der
Adler in Feld 1 ist schwarz auf goldenem Feld. Die verschiedenen
Breiten der Streifen in Feld 2 und 3 machen auf die Blasonierung
neugierig. Farbversionen zeigen in Feld 2 nebeneinander Schwarz
und Rot, vgl. Farbregel. In Feld 3 zeigen Farbversionen sogar
zwei benachbarte rote Streifen. Das Schwert und die Lyra in Feld
4 haben eine tiefere Bedeutung, insbesondere in Kombination mit
dem Kranz: Man vergleiche z. B. den gußeisernen Aufsatz vom
Grab
Theodor Körners, gefallen 1813 bei Gadebusch als
Lützower
Jäger, insbesondere vor dem Hintergrund des posthum von seinem
Vater edierten Gedichtbandes "Leyer und Schwert" mit
patriotischer Lyrik des Dichter-Kriegers, dessen Leben und
Sterben diese Symbole treffend charakterisieren. Die erste
Burschenschaft in Jena stand zudem stark unter dem Einfluss der
Lützower. Leier und Schwert finden sich daher als fixe
Motivkombination bei einer Vielzahl burschenschaftlicher Wappen,
einige Beispiele: Burschenschaft Suevia Leipzig, Dresdener
Burschenschaft Arminia, Hallesche Burschenschaft Rhenania,
Göttinger Burschenschaft Thuringia. Auch hier liegt ein
Verstoß
gegen die Farbregel vor, denn Schwert und Lyra sind im
vorliegenden Fall golden auf silbernem Felde dargestellt.
Beispiel:
Bierkrug der Verbindung K.St.V.
Rheno-Frankonia zu Würzburg
Ein
typisches Einsatzgebiet
studentischer Heraldik sind Gegenstände des täglichen
Gebrauchs
mit besonderem Bezug zur korporativen Geselligkeit wie z. B.
Bierkrüge. Dieses wappengeschmückte Beispiel einer
Würzburger
katholischen Studentenverbindung illustriert hervorragend die
Prinzipien studentischer Heraldik: Der Hauptschild ist geviert.
Alle vier Felder weisen einen regionalen Bezug auf: Wenn man sich
in Feld 1 den schrägrechten Wellenbalken silbern auf
grünem
Feld vorstellt, hat man das Wappen der preußischen
Rheinprovinz.
Feld 2, rot-silbern mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, ist
der sog. Fränkische Rechen mit Bezug zum nominellen Titel
„Herzog zu Franken“, den die Würzburger
Fürstbischöfe führten. Diese beiden Felder
gemeinsam spiegeln
schon den Namen der Verbindung "Rheno-Frankonia" wider.
Die Verbindung war zwar nie im Rheinland ansässig, doch die
Kombination soll zum Ausdruck bringen, daß Studenten aus
allen
Teilen Deutschlands als Mitglieder willkommen sind und daß
die
Korporation mit dem Anspruch auftritt, Studenten eines weiten
Einzugsbereiches eine Heimat zu bieten.
Feld 3 erinnert an ein weiteres fränkisches Fürstbistum, nämlich Eichstätt, denn die studentische Korporation dieses Namens wurde am 18.2.1892 in Eichstätt gegründet, damals allerdings unter dem Namen "Academia". Zwei Fürstbistümer in einem Wappen, das ist passend zu einer Verbindung, die sich nicht nur zu den von allen gepflegten Prinzipien der Wissenschaft und der Freundschaft bekennt, sondern auch zu dem der katholischen Religion, und die im "Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine" (KV) Mitglied ist. Das vierte und letzte Feld des Hauptschildes zeigt in Schwarz eine schräggestellte und an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte rot-golden gevierte Standarte, das Würzburger Stadtwappen. Würzburg ist der heutige Sitz der Verbindung, denn in Eichstätt verschlechterte sich die personelle Situation Anfang des 20. Jh., und so verlegte man 1910 den Sitz in die nächstbedeutendere Studentenstadt, wobei auch der Name geändert wurde. Daß Eichstätt durch das Hochstift-Wappen, Würzburg aber durch das Stadtfähnchen wiedergegeben wird, ist nicht einheitlich. Die Übernahme ganzer bestehender Wappen als Teilfelder wird in der heutigen Heraldik bei Privatpersonen nicht gerne gesehen, sei hier aber bei einer Institution mit den entsprechenden Ortsbezügen hingenommen. Der Herzschild ist grün-silbern-golden zweimal schräggeteilt, dem Burschenband und der Fahne entsprechend, und mit dem Verbindungszirkel belegt, welcher eine Ligatur aus R(heno), F(rankonia), v(ivat), f(loreat) und c(rescat) ist und mit dem typischen Ausrufezeichen vervollständigt wird. Die Farben sind beim Wechsel von Eichstätt nach Würzburg geblieben, die von der Verbindung selbst als "grün-weiß-gold" angegeben werden, wobei heraldisch natürlich gold = gelb und silber = weiß gilt und man die Metalle auch einheitlich als Metalle blasonieren sollte. Daß hier im Herzschild die beiden Metalle aneinanderstoßen, ist nach strenger Anwendung der Farbregel ein heraldischer Makel, wird aber mit der Nähe einer katholischen Verbindung zum Vatikan und seinen Farben erklärt. Die Helmzier sind, ganz typisch Verbindungswappen, drei Straußenfedern in den Farben des Burschenbandes und der Fahne sowie des Herzschildes. Eine solche Lösung wird sehr oft gewählt, selten wagt hier jemand mal etwas heraldisch Anspruchsvolleres. Die Helmdecken weisen natürlich aus heraldischer Sicht darstellerische Mängel auf, was jedoch typischerweise in Kauf genommen wird, die Gründe des laxen Umgangs mit heraldischen Regeln wurden oben diskutiert.
Beispiel:
Bierkrug der Unitas
Dieses
zweite Beispiel eines
studentischen Couleur-Artikels in Form eines Bierkruges gehört
zu einer Unitas-Verbindung im Verband der wissenschaftlichen
katholischen Studentenvereine. Die dem Dachverband
angehörenden
Einzelverbindungen weisen in ihrer Symbolik viele Gemeinsamkeiten
auf. So sind deutschlandweit die Farben blau-silbern-gold
(manchmal auch in alternativer Reihenfolge), und diese Farben
tauchen in dem Wappen auf, als Feldfarben, als Wulstfarben und
ebenso in den Helmdecken.
Der Schild ist geviert. Feld 1 zeigt in Blau eine silberne Lilie. Dieses Element taucht öfter in Unitas-Verbindungswappen auf und wird von diesen als Symbol für Virtus (Tugend) verstanden, dem ersten der drei Grundprinzipien. Auch Feld 2, in Silber eine auf einem Buch sitzende Eule, alle Figuren golden, steht nach dem Selbstverständnis der Unitas für eines ihrer Grundprinzipien, für die Scientia (Wissenschaft). Das dritte Fundamentalprinzip, die Amicitia (Freundschaft), wird in Feld 4 dargestellt, in Silber zwei schräggekreuzte und von einem Ring umschlossene Pfeile, alle Figuren rot. Die Eule und die Pfeile finden sich ebenfalls in anderen Unitas-Wappen wieder unter Variation der Farben und Formen. Wenn man Verbindungswappen mit Lilie, Buch oder Eule oder beidem und/oder mit Pfeilen findet, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Unitas-Wappen. Die W.K.St.V. Unitas Berlin hat Eule/Buch und Lilie, die W.K.St.V. Unitas-Rhenania zu Bonn hat Buch und Lilie, die Unitas Stolzenfels Bonn hat Pfeile und Eule/Buch, die Unitas Palatia Darmstadt hat Buch und Lilie, alle drei Elemente finden sich bei der Unitas Rheno-Moenania zu Frankfurt, bei der Unitas München, bei der Unitas Sugambria zu Osnabrück und bei der Unitas Freiburg. Feld 3 ist hier golden-schwarz gespalten. Der Farbverstoß in Feld 2 ist ein heraldischer Makel, wird aber mit der Nähe einer katholischen Verbindung zum Vatikan und seinen Farben erklärt, genauso das Aufeinandertreffen von Silber und Gold in den Herzschilden vieler Unitas-Verbindungen. In seiner Anhäufung von Symbolen, in der Verwendung innerhalb der Studentenkreise mit bestimmten Inhalten verknüpfter Motive ist auch dieses hier gezeigte Verbindungswappen ein typisches, auch wenn im Oberwappen mit der Verwendung des Löwen schon eine gewisse Kreativität gezeigt wird, denn viele Unitas-Verbindungen haben auch hier nur die so beliebten Straußenfedern in den Verbandsfarben. Der Herzschild zeigt hier nur den Verbindungszirkel, welcher eine Ligatur aus v(ivat), f(loreat) und c(rescat) u(nitas) ist.
Der
Wappenstreit von 1913/1914:
Die
Defizite der studentischen
Heraldik veranlaßten führende Köpfe sowohl
der Heraldik als
auch des Verbindungswesens, sich Gedanken über eine
mögliche
Hebung des Standards zu machen. Felix Hauptmann (1856-1934) gab
1883 mit einer kurzen Abhandlung den Anstoß zur Verbesserung.
Eine unmittelbare Folge war, daß der Wingolfsbund mit all
seinen
angeschlossenen Verbindungen (nur Marburg folgte 1912 nach)
konsequent seine Wappen änderte. Prof. Gotthold Sabel,
Wingolfsphilister, entwarf die neuen Wappen nach streng
heraldischen Gesichtspunkten. 1912 einigte man sich im
Wingolfsbund auch noch auf eine einheitliche, sich am gotischen
Stil orientierende Darstellungsweise. Sie sollten vorerst und
dauerhaft die einzigen bleiben.
Der nächste Akteur war Friedrich Freiherr von Gaisberg-Schöckingen, der 1913 einen Artikel schrieb mit dem Titel "Zur Hebung der studentischen Heraldik". Er wünschte sich eine Rückbesinnung auf klassische Heraldik und die Weglassung all der neuzeitlichen Elemente wie Zirkel, Daten, Buchstaben, Schlägerkreuze, und statt der ideenlosen Straußenfedern sollte endlich eine richtige, individuelle Helmzier Verwendung finden. Der Zirkel sollte als unheraldisches Element aus dem Schild fliegen und neben die Wappenzeichnung gesetzt werden. Alles sehr vernünftige Vorschläge, die vom Künstler Gustav Adolph Closs, einem engen Spezi des Autors und selber ehemaliger Corps-Student, beispielhaft für drei Verbindungen illustriert wurden.
Es folgte ein riesiger Aufschrei in den Verbindungen, die auf ihren heraldisch falschen, aber liebgewonnenen Eigenheiten und den mittlerweile selbst zur Tradition gewordenen Fehlern beharrten und diese gerade wegen des Sonderweges für besonders identifikationsfähig hielten. Insbesondere waren drei Fakten unannehmbar: 1.) niemand wollte das Schlägerkreuz aufgeben, weil es in hohem Maße das Wesen schlagender Verbindungen repräsentierte, 2.) Anleihen bei der englischen Heraldik waren unannehmbar und 3.) die zeichnerischen Vorschläge für beispielhafte Verbindungen wurden als überhebliche Anmaßung und Übergriff empfunden. Aus einer Heraldik-Diskussion wurde eine Diskussion um Beleidigung und Satisfaktion. Die Wogen schäumten immer höher, bis man 1914 andere Sorgen in Deutschland hatte.
Bleibt festzuhalten, daß 1.) der Wingolfsbund hier aus heraldischer Sicht besonders lobend erwähnt werden soll, und 2.) die Sache deutlich gezeigt hat, daß es bei den Verbindungswappen nicht vordergründig um Befolgung heraldischer Regeln geht, sondern um einen Eigenweg einer gespiegelten Welt, die von der umdeutenden Zueigenmachung gesellschaftlicher Rituale genährt wird.
Literatur,
Quellen und Links:
Liste
burschenschaftlicher
Wappen: http://www.burschenschaft.de/geschichte/wappenkunde.html - http://www.burschenschaft.de/geschichte/wappenkunde/allgemeiner-deutscher-burschenbund.html - http://www.burschenschaft.de/geschichte/wappenkunde/deutsche-burschenschaft.html
Symbolik von Burschenschaftswappen: http://www.burschenschaft.de/geschichte/geschichte-der-db/si.......-burschenschaft.html
Michael Doeberl et al., Das Akademische Deutschland, C. A.
Weller-Verlag, Berlin 1931
CV: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Mitgliedsverbindungen_des_CV
Unitas Vereine: http://www.unitas.org/index.php?id=804
Ein herzliches Dankeschön an Herrn Martin Kögel
für wertvolle
Hinweise
Harald Lönnecker: "Und wenn es noch so falsch ist, so
bleibt es doch unsere Tradition", in: Herold-Jahrbuch, Neue
Folge, 19. Band, Selbstverlag des Herold, Berlin 2014, ISBN
978-3-9804875-8-0, S. 149 ff.
©
Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2013, 2014
Urheber des jeweiligen Aufrisses auf den Bierkrügen unbekannt
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