Bernhard Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Besondere Motive: Lilientriangel

Lilientriangel
Eine Lilientriangel ist ein Dreieck, das an den drei Spitzen in die obere Hälfte einer Lilie, welche auch Gleve genannt wird, ausläuft. Die Kanten des Dreiecks können gerade sein, meist werden sie jedoch eingebogen dargestellt. Das Zentrum des Dreiecks kann gefüllt und facettiert sein, oder aber, was häufiger der Fall ist, durchbrochen (gefenstert) sein, so daß das Motiv fast wie ein Element gotischen Maßwerks aussieht. Das unterlag dem Zeitgeschmack, und es finden sich bei den selben Familien sowohl bloße Dreiecke als auch elegant geschwungene Formen mit dreieckigem Loch in der Mitte, das ist also nicht bedeutungstragend. Immer jedoch basiert das Motiv auf einem gestürzten Dreieck, was sich aus der natürlichen und optimalen Lage in einem Dreieckschild ergibt. Die korrekte Blasonierung ist also "ein gestürztes Dreieck, an den Spitzen mit halben Lilien besteckt", oder "ein gestürztes Dreieck, an den Spitzen mit Gleven besteckt" oder "eine gestürzte Lilientriangel/Gleventriangel", wobei neben der Triangel auch noch der weniger geeignete Begriff Fußangel in Gebrauch ist - viele Wege führen nach Rom.

Stromer und Nützel - ein Nürnberger Wappenstreit
In Nürnberg begegnen uns zwei Patrizierfamilien, die das identische Schildbild führen: Beide, die Nützel (Nützel von Sündersbühl) und die Stromer (Stromer von Reichenbach), führten in Rot ein gestürztes silbernes Dreieck, an den Spitzen mit halben silbernen Lilien besteckt. Beide führten ursprünglich auf einem Helm mit rot-silbernen Decken auf einem roten Kissen einen silbernen Glevenstab (Stab mit einer oberhalben Lilie). So finden wir das Wappen auch in den Glasfenstern der großen gotischen Nürnberger Kirchen. Das Wappen der Stromer wird im Siebmacher Band: Bay Seite: 59 Tafel: 63 beschrieben, das der Nützel im Siebmacher Band: BayA1 Seite: 82 Tafel: 82, beide werden bei Schöler auf Tafel 49 beschrieben.

Stromer, Nützel
(Variante 1)
Stromer, Nützel
(Variante 2)
vermehrtes Wappen
Nützel

Warum das so war, ob es dadurch entstand, daß beide Familien in Reichenbach Besitz hatten, oder ob eine echte Stammesverwandtschaft bestand, was die Stromer stets verneinten, ob Ansprüche durch Heirat entstanden waren oder ob es Zufall war, sei dahingestellt. Jedenfalls ergab sich daraus ein Wappenstreit in der Stadt, denn die Zeicheneindeutigkeit war nicht mehr gegeben, und keiner wollte tolerieren, daß die jeweils andere Familie sich mit dem eigenen Symbol schmückte. So kam die Sache nach ausgiebigem Streit vor den Rat, der ein salomonisches Urteil am 28. April 1380 fällte, eine Art Unentschieden: Beide, die Nützel wie die Stromer, durften das gestürzte, in halbe Lilien auslaufende silberne Dreieck in rotem Feld führen. Es wurde jedoch festgestellt, daß den Stromern die Priorität einzuräumen sei, daß sie es also zuerst geführt hätten. Den Nützel wurde das Recht eingeräumt, das Motiv weiterhin zu nutzen. Damit war zwar ein Urteil gefällt, mit dem beide Parteien leben können sollten, aber dennoch war die Sache mit der Uneindeutigkeit und der fehlenden Signifikanz eines Identifizierungszeichens noch nicht vom Tisch. Erst als die Nützel ab 1548 ein vermehrtes Wappen führten, war hinreichende Unterscheidungsfähigkeit gegeben, und der Wappenstreit hörte auf. Die Stromer, die sich auf die ihnen eingeräumte Priorität stützen konnten, behielten das unveränderte Stammwappen, und die Familien waren wieder zufrieden. Die Nützel (Nützel von Sündersbühl) führten jetzt in Feld 1 und 4 in Silber einen schwarzen Adler, 2 und 3 in Rot ein gestürztes, in halbe Lilien auslaufendes silbernes Dreieck, das Stammwappen. So finden wir das vermehrte Wappen in den Glasfenstern von St. Lorenz in Nürnberg als rundes Medaillon. Das ursprüngliche Wappen kam also jetzt in den nachgeordneten Feldern zu liegen, obwohl es eigentlich in den Plätzen 1 und 4 zu liegen kommen müßte. Es kann nur spekuliert werden, daß damit auch seitens der Nützel der Wappenstreit entschärft werden sollte. Dadurch entstand die Legende, der Adler sei das ursprüngliche Wappen, was natürlich nicht zutrifft. Den Herrensitz zu Sundersbühl hatten die Nützel von den Staudigeln erheiratet. Adelsbestätigung und Wappenvermehrung durch Kaiser Karl V. erfolgte in Augsburg am 20.7.1548 für das ganze Geschlecht. Die Nützel erloschen am 10.5.1747 mit Johann Joachim Nützel.

Abb. links: St. Sebald, Nürnberg, Wappen-Medaillon auf der Südseite, Ausschnitt mit Nützel-Schild.
Abb. rechts: St. Sebald, Nürnberg, Wappen-Medaillon auf der Nordseite, Ausschnitt mit Stromer-Schild.

Die Stromer hingegen entwickelten ihr Oberwappen weiter: Erst führten sie auf einem Helm mit rot-silbernen Decken auf einem roten Kissen einen silbernen Glevenstab (Stab mit einer oberhalben Lilie). So ist es in den gotischen Glasfenstern von St. Sebald und St. Lorenz in Nürnberg zu sehen. In der Stiftskirche St. Martha gibt es eine Darstellung, wo auf dem Helm mit eigentlich rot-silbernen, dort aber gänzlich silbernen Decken auf einem eigentlich roten, dort silbernen Kissen ein silberner Stab zu sehen ist, der oben mit drei oberhalben Lilien besetzt ist, also 1 Schaft, 3 Lilien. In der Literatur wird das Stromer-Wappen meist mit drei Glevenstäben in der Helmzier wiedergegeben (vgl. Siebmacher Band: Bay Seite: 59 Tafel: 63), und so finden wir es auf den Totenschilden in der Nürnberger Lorenz-Kirche. Mit drei separaten, fächerförmig gestellten Lilienstäben, also auch mit drei unabhängigen Stäben, finden wir es auch auf einer separaten runden Glasscheibe in St. Lorenz, die deutlich nach den anderen Beispielen entstanden ist. Die Darstellung in der Stiftskirche St. Martha ist also eine Zwischenstufe, ein einzelner Schaft, von dessen Abschlußplatte drei oberhalbe Lilien mit je drei Blättern entspringen. So können wir den Differenzierungsprozeß nachvollziehen, und hier in St. Martha haben wir mit der Teilaufspaltung nur im oberen Bereich eine hochinteressante Übergangsform.

Abb. links und Mitte: St. Sebald, Nürnberg, Stromer-Fenster.
Abb. rechts: Stiftskirche St. Martha, Nürnberg, Stromer-Fenster mit Stromer-Wappen.

Interessanterweise sieht man auch eine Entwicklung des Motivs: In den frühen, gotischen Fenstern wie hier in der unteren Photo-Reihe ist das Dreieck sehr klein und dient eigentlich nur der Verbindung der drei groß dargestellten Lilien. Eigentlich ist es nur ein dreieckiger Kreuzungspunkt der drei "Lilienstiele". In den späteren Darstellungen, wie in der oberen Photo-Reihe, tritt das Dreieck deutlicher hervor und hat jetzt auch Platz für einen zentralen Durchbruch, seine Seiten ergeben sich graphisch in einem schwungvollen Zug aus den Seitenblättern der Lilien heraus, so daß jeweils zwei Lilienseitenblätter und ein Bogen eine zeichnerisch durchgehende Einheit bilden, was der Darstellung eine besondere Harmonie und Dynamik verleiht.

Weitere Wappenbeispiele mit Lilientriangel
Eberstein (Schöler S. 40, Tafel 49, Siebmacher Band: Pr Seite: 41 Tafel: 50, Band: Pr Seite: 120 Tafel: 163, Band: Sa Seite: 9 Tafel: 8, siehe auch Münchner Kalender 1916 mit einer äußerst schwungvollen und eleganten Darstellung des Motivs, hessischer, fränkischer und thüringischer Uradel, besaßen die 1282 zerstörte gleichnamige Burg auf der Rhön, Stammhaus bei Milseburg bei Fulda): in Blau ein gestürztes silbernes Dreieck, an den Spitzen mit halben silbernen Lilien besteckt (Lilientriangel). Es gibt die Figur als Dreieck und auch als mit drei mittig zusammenstoßenden Stäben verbundene Gleven. Auf dem Helm mit blau-silbernen Decken der Rumpf einer blau gewandeten, golden gekrönten Mohrin (oder Mohr) mit abstehendem, ggf. blau-silbern oder rot-silbern umwundenen Zopf. Beispiele für Wappendarstellungen gibt es in der Schwanenritterkapelle zu Ansbach, in der Kirche von Weisbach bei Neustadt a. d. Saale und in der Kirche von Mühlfeld bei Mellrichstadt.

Freiherren Eller von Eberstein (Siebmacher Band: PrGfE Seite: 27 Tafel: 17, Westfälisches Wappenbuch, Stammsitz Schloß Eller bei Düsseldorf, in Westfalen zu Bustedde angesessen): Geviert: Feld 1 und 4: ein rotes Schildchen in von Blau und Gold zwölffach geständertem Feld. Feld 2 und 3: in Blau eine dreieckige, an den Enden mit Lilien besteckte silberne Spange (gestürztes Dreieck / Dreipaß / Fußangel / Triangel). Zwei Helme: Helm 1 (rechts): auf dem blau-golden bewulsteten (westfäl. WB.) oder gekrönten (Siebmacher) Helm mit blau-goldenen Decken ein rechts blauer und links goldener Flug, dazwischen oben angestemmt ein von Blau und Gold zwölffach geständerter Schild mit rotem Herzschild. Helm 2 (links): auf dem blau-silbern bewulsteten (westfäl. WB.) oder gekrönten (Siebmacher) Helm mit blau-silbernen Decken der Rumpf einer blau gewandeten, golden gekrönten Mohrin mit abstehendem Zopf (westfälisches WB) bzw. eines ebensolchen Mohren mit abstehendem, rot-silbern umwundenen Zopf und zwei abfliegenden silbernen Bändern (Siebmacher). Zu der Namens- und Wappenverbindung kam es am 12.8.1819 für Karl Heinrich Christian Wilhelm v. Eberstein, aus dem Ast, der das Fideikommiß Morungen (Kreis Sangerhausen) besitzt, königlich preußischer Major, Universalerbe seines Onkels, Droste Christian Ludwig von Eller, Letzter seiner Familie.

Eberstein
(Schöler, Tafel 49; Siebmacher)
Eller von Eberstein
(Westfälisches WB; Siebmacher)
Foid
(Schöler Tafel 49)

Bei Schöler (S. 45, Tafel 49) findet sich die Familie Foid, eine nürnbergische Familie, die führten in Silber ein gestürztes schwarzes Dreieck, an den Spitzen mit halben schwarzen Lilien besteckt.

Im Siebmacher finden sich noch zwei bürgerliche Wappen mit der Lilientriangel ohne Angabe von Tinkturen, die Familie Fritschal aus Zofingen im Aargau (Siebmacher Band: Bg11 Seite: 4 Tafel: 5), Eigenleute der Grafen von Tierstein. Dieses Motiv ist 1399 für Hans Fritschal nachgewiesen. Ferner findet sich (Siebmacher Band: NÖ1 Seite: 329 Tafel: 179) die ausgestorbene Familie Paltram mit der gestürzten Lilientriangel, auf dem Helm wird die Schildfigur von zwei emporgereckten, bekleideten Armen gehalten, so ein Siegel von Hans Paltram aus dem Jahre 1529.

 

Abb. links: Wappen der Stromer von Reichenbach, gezeichnet von Otto Hupp für den Münchener Kalender 1932. Abb. rechts: Wappen der von Eberstein, gezeichnet von Otto Hupp für den Münchener Kalender 1916.

Literatur, Links und Quellen:
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus St. Sebald mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Dr. Axel Töllner und Herrn Pfarrer Gerhard Schorr vom 12.7.2010, wofür ihnen an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus St. Martha mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Georg Rieger vom 9.7.2010, wofür ihm an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
St. Martha, Nürnberg: http://stmartha.de, http://stmartha.de/index.php5
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Max von Spießen (Hrsg.): Wappenbuch des Westfälischen Adels, mit Zeichnungen von Professor Ad. M. Hildebrandt, 1. Band, Görlitz 1901 - 1903.

Otto Hupp, Münchener Kalender 1916, Verlagsanstalt München und Regensburg 1916
Otto Hupp, Münchener Kalender 1932, Verlagsanstalt München und Regensburg 1932
Hartmut Scholz, St. Sebald in Nürnberg, Meisterwerke der Glasmalerei, Band 3, Verlag Schnell Steiner GmbH Regensburg 2007, ISBN 978-3-7954-1846-5

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