Bernhard
Peter
Besondere
Motive: Ibis, Heiliger Ibis
Der
Heilige Ibis, ein Motiv aus Afrika
Der Heilige Ibis (Threskiornis
aethiopicus) ist eine Vogelart aus der Familie der Ibisse und
Löffler (Threskiornithidae). Sein Lebensraum ist Afrika, früher
Ägypten, heute ausschließlich südlich der Sahara. Der Heilige
Ibis erlangte in Ägypten große kulturelle Bedeutung, weil er
als Inkarnation des Gottes Thot galt und entsprechend verehrt
wurde. Von daher ist eine Kenntnis des Vogels im vormodernen
Europa prinzipiell denkbar, auch wenn dieses Motiv weit
außerhalb des üblichen Motiv-Repertoires der Heraldik steht.
Einerseits eröffnet die Verwendung außereuropäischer Tiere
viele Möglichkeiten, unverbrauchte Motive für
Wappengestaltungen zu finden, andererseits ist es eine
empfindliche Gratwanderung, wenn man Tiere, die in der Welt der
Gotik und Renaissance einfach nicht in Europa existierten, als
Motive einbringt. Konservative Heraldiker sehen es kritisch, weil
die Meßlatte die Vorstellbarkeit an einem Ritter ist, und die
ist bei einem Ibis nicht gegeben. Liberalere Heraldiker hingegen
freuen sich über Wappen, die den ewig gleichen, abgedroschenen
Figurenkanon durch erfrischende Neuerungen hinter sich lassen.
Wie so oft gilt auch hier - wenn die Gesamtgestaltung überzeugt,
wie im unten gezeigten Beispiel, läßt man sich eher von der
zweiten Ansicht überzeugen.
Wappenaufriß
von Rodo von Haken: Familienwappen Henning
Dieser Aufriß stammt von der
Hand von Roderich von Haken (8.9.1867-1929) und stellt das Wappen
der bürgerlichen Familie Henning dar, in Gold
auf erniedrigtem grünen Balken stehend ein natürlicher,
silberner Ibis mit schwarzem Hals, Kopf, Schnabel, Schweif und
ebensolchen Ständern, mit rubinroten Augen, im schwarzen
Schnabel eine grüne Eidechse haltend, im Schildfuß eine
schwarze Lilie. Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken der
ganze Ibis mit Eidechse im Schnabel wie beschrieben. Der Ibis ist
ein sehr seltenes Wappentier; die typische Form des langgezogenen
Schnabels ist durch alte Siegel überliefert, und die
Familientradition identifiziert den Vogel ebenfalls als Ibis.
Ebenso erscheint die Echse im Schnabel bereits auf alten Siegeln,
wodurch sich der Vogel z. B. vom Strauß mit dem typischen
Hufeisen unterscheidbar macht. Der Aufriß wurde publiziert im
Archiv für Stamm- & Wappenkunde, 12. Jahrgang 1911-1912, als
Kunstbeilage.
Ibisse in Europa
Es gab früher auch in Europa
einen Vogel der als Waldrapp, Schopfibis oder Mähnenibis
(Geronticus eremita) etc. bezeichnet wurde. Auch er gehört zu
der Familie der Ibisse und Löffler (Threskiornithidae). Die
Hauptunterschiede zum Heiligen Ibis sind das schwarze Gefieder
und der ausgeprägte Schopf auf dem Kopf. Im 17. Jh. wurde er
durch die Bejagung ausgerottet. Das war ein Ibis, der zu
heraldischen Zeiten in Zentraleuropa bekannt gewesen war. Er hat
es aber in historischen Zeiten nicht in den heraldischen
Motivkanon geschafft.
Moderne Wappen mit Ibis
Mit einem Ibis gibt es sonst
nur noch das Wappen Graffstädt (DWR Band: XXXIX
Seite: 3 Nr: 7961/82): In Gold auf schwarzem gezinnten Schildfuß
hockend ein rotbewehrter schwarzer Ibis, auf dem schwarz-golden
bewulsteten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein wachsender,
schwarz mit goldenen Aufschlägen, Knöpfen und Leibgürtel
bekleideter schwarzhaariger Mann, in der Rechten eine goldene
Schreibfeder, in der Linken eine goldene Pergamentrolle haltend.
Die dort gezeigte Zeichnung ist übrigens wenig überzeugend und
fällt weit hinter dem oben gezeigten Beispiel zurück. Auch wenn
der offizielle Blason den Vogel nur als "Ibis"
bezeichnet, läßt sich anhand der schwarzen Farbe und des
gezeichneten Schopfes eine Nähe zum oben erwähnten Waldrapp
feststellen.
Literatur, Links und Quellen:
Archiv für Stamm- &
Wappenkunde, hrsg. von Lorenz M. Rheude, 12. Jahrgang 1911-1912,
Verlag Gebr. Vogt, Roda, Beilage
Heiliger Ibis auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Heiliger_Ibis
Deutsche Wappenrolle Band 39
Waldrapp: https://de.wikipedia.org/wiki/Waldrapp
ein herzliches Dankeschön an Herrn Heribert Bielmann für
wertvolle Hinweise
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