Bernhard Peter
Kombinationen unvollständiger Teilungslinien:
Göpel und Deichsel

Deichsel und Deichselschnitt, Göpel und Göpelschnitt
Es gibt in der Heraldik zwei prinzipielle Aufteilungen durch unvollständige Teilungslinien: Beim Deichselschnitt und beim Göpelschnitt laufen drei Linien im Mittelpunkt zusammen. Beim Deichselschnitt ist die senkrechte Linie unten, und die beiden anderen Linien weichen nach oben auseinander in Richtung der beiden Oberecken. Beim Göpelschnitt ist die senkrechte Linie oben, und die beiden anderen Linien weichen nach unten seitlich auseinander in Richtung der beiden Unterecken. Beide Schnitte sind insofern heraldisch nicht unproblematisch, als sich hier drei Linien in einem Punkt treffen, also eine ungerade Zahl. Eine solche Anordnung ist nicht gemäß der Farbregel angemessen tingierbar, es wird immer, wie man es auch dreht und wendet, eine Verstoßgrenze geben, wo Farbe an Farbe oder Metall an Metall grenzt. Da es diese Heroldsbilder jedoch seit langem gibt, und der Fehler nicht vermeidbar ist, wird der Verstoß bei diesem Schildbild toleriert. Salopp gesagt: Die Farbregel ist gültig, wenn sich ein Verstoß vermeiden läßt. Aus diesem Grund sind diese Schildbilder auch nicht erste Wahl, weil sie einen farblich in Schwierigkeiten bringen, und Heraldiker sowas heute lieber vermeiden, wenn es geht.

Es gibt drei prinzipielle Arten, diesen Verstoß gegen die Farbregel aus der Welt zu schaffen. Erstens kann man die senkrechte Linie zwischen den beiden abgewinkelten Armen fortführen bis zum Schildrand, dann erhält man den Deichselschnitt mit gespaltener Spitze bzw. den Göpelschnitt mit gespaltener Spitze, insgesamt vier Plätze, die sich entsprechend der Farbregel einfärben lassen. Die zweite Möglichkeit ist die Verdoppelung der senkrechten Linie, so daß man ein Deichselstück bzw. ein Göpelstück erhält, welches zwar auch aus drei Flächen besteht, die sich aber in keinem Punkt treffen, so daß man mit zwei Farben auskommt.

Die dritte Möglichkeit sauberer Tingierung gemäß den Farbregeln besteht darin, aus der Trennlinie überall einen Balken zu machen, also die Linie des Motivs überall doppelt zu führen in Balkenbreite. So erhält man aus einem Göpelschnitt einen Göpel und aus einem Deichselschnitt eine Deichsel. Einzelne Flächen wie die Spitze können abweichend tingiert werden, dann wird der Göpel bzw. die Deichsel als "gefüllt" gemeldet, wenn es sich um die Spitze zwischen den beiden abgewinkelten Armen handelt. Wird nur der Begriff Göpel oder Deichsel verwendet, bedeutet das automatisch, daß die Figur von Schildrand zu Schildrand geht, also durchgehend ist. Ist das Objekt dagegen allseits vom Rand abgeledigt, spricht man von einer freischwebenden Deichsel oder einem freischwebenden Göpel. Ohne weitere Angaben bestehen Göpel und Deichsel immer aus geraden Linien. Sie sind aber auch mit gebogenen Linien möglich, das ist dann jeweils ein eigenständiges Heroldsbild und wird als eingebogene Deichsel bzw. eingebogener Göpel bezeichnet.

Im folgenden Abschnitt werden die zur Deichsel analogen Motive exemplarisch abgebildet. Alles oben Gesagte gilt hier ebenso, nur vertikal gespiegelt.

Woher kommen die Begriffe? Eine Deichsel ist bei Zuggespannen, Kutschen, Ochsenkarren etc. eine Holzkonstruktion, die hinten, dem Kutscher zugewandt, mit dem Lenkkranz der Vorderachse verbunden ist und vorne der Befestigung der Zugtiere dient. Vorne ist sie häufig gegabelt, wenn sie nur für ein Zugtier bestimmt ist (oder allgemein eine ungerade Anzahl), wobei das unpaarige Tier in der Mitte zwischen beiden Gabelenden läuft. Solch eine Konstruktion nennt man auch Gabeldeichsel. Das Schildbild nimmt darauf Bezug, wie der Kutscher die Deichsel dieht: Gerades Stück unten, Gabel oben. Analog wird die Deichsel in der Heraldik auch Gabel genannt. Ein weiterer Begriff dafür ist Schächerkreuz, eine Y-artige Kreuzform, die im späten 13. und frühen 14. Jh. in der Christusdarstellung auftrat.

Ein Göpel dagegen ist eine Vorrichtung zum Antrieb einer senkrecht stehenden Welle. In der Regel wurden an eine senkrecht gelagerte Welle, die einen Mahlstein, einen Zug-, Schleifmechanismus o.ä. antrieb, seitlich Hebel angebracht, die durch Menschen- oder Tierkraft in eine Richtung gedrückt oder gezogen wurden. Typischerweise drehten Esel oder Pferde eine Rundganggöpelvorrichtung. Darauf bezieht man sich bei dem heraldischen Begriff: Die seitlich bis zum Tier herunterreichenden Hebel an einer senkrechten Hauptwelle (Göpelspindel).

Eine weitere Variante ist die, bei der das senkrechte Teilstück einer Deichsel oder eines Göpels über den Verbindungspunkt hinaus geführt wird, so entstehen Pfahldeichsel und Pfahlgöpel.

Göpel und Deichsel können mit passenden anderen Heroldsbildern kombiniert werden, so daß interessante Bilder in verwechselten Farben entstehen.

Göpel und Deichsel können mit Schildhaupt und Schildfuß kombiniert werden, die Deichsel am besten mit dem Schildfuß, der Göpel am besten mit dem Schildhaupt, so entstehen Schildhauptgöpel und Schildfußdeichsel, mit verlängerter Senkrechten auch Schildhauptpfahlgöpel und Schildfußpfahldeichsel.

Literatur und Quellen:
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München 2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4 (Deutschland)

Deutsche Wappenrolle, Band 1-71, Degener Verlag
Wappenbilderordnung, Symbolorum armoralium ordo, hrsg. vom HEROLD, bearbeitet von Jürgen Arndt und Werner Seeger, Skizzen von Lothar Müller-Westphal, Verlag Degener, 2. Auflage 1996, Band 1 und 2

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