Bernhard Peter
Gute heraldische Praxis: Motive und Schildbild

Arten von Schildinhalten:
Man unterscheidet:

Was wird nun auf den Schilden abgebildet? Man unterscheidet

Im abgebildeten fiktiven Beispiel haben wir ein zusammengesetztes Wappen, entstanden aus zwei Wappen, die im gevierten (quadrierten) Schild vereinigt werden. An Heroldsbildern haben wir zum einen die Ständerung in Rot und Gold, zum andern den silbernen Schrägbalken in Blau. An gemeinen Figuren kommen die Rosen vor, an Beizeichen die Turnierkragen. Nebenteile sind abgesetzte kleine Teilbereiche gemeiner Figuren, im Beispiel die Kelchblätter der Rosen.

Richtung des Motives:
Normalfall: Wenn eine Person oder ein Tier abgebildet ist, blickt die Schildfigur immer auf dem Papier nach links (heraldisch nach rechts). Der Schild wurde am linken Arm getragen, die heraldisch rechte Kante ist die dem möglichen Gegner zugewandte. Das Schildbild blickt einem Gegner mutig ins Gesicht und nicht "feige" nach hinten. Wenn bei der Blasonierung eines einzelnen Wappens keine Richtung angegeben ist, also z. B. nur "Löwe", blickt er automatisch nach heraldisch rechts, wie in der linken Abbildung.

Redende Wappen:
Besonders üblich bei bürgerlichen Wappen. Übersetzung des Familiennamens in ein Symbol. Bsp.: Shakespeare: Speere, Familie von Wedigh: Sparren und Weidenblätter, Familie Kaufmann: Händler als Helmzier und Wappenfigur, Familie Pilgrim: Pilgerstab. Den redenden Wappen ist eine eigene Seite gewidmet.

Symbolik des Motivs:
Immer wieder wird an den Heraldiker die Frage herangetragen, was die Symbolik des Schildbildes ist, was Farben und Figuren zu bedeuten haben. Grundsätzlich kann diese Frage nur beantwortet werden, wenn der Stifter eines Wappens die beabsichtigte Symbolik schriftlich niedergelegt hat und dies damit heute nachvollziehbar ist. Denn es gibt in der Heraldik keine feststehenden Bedeutungen für die Symbole, genausowenig wie für die Farben. Das wird allein daraus ersichtlich, als es zu verschiedenen Zeiten und je nach Zusammenhang unterschiedliche Farbsymbolikschemata gab, die man z. B. in der Malerei anwenden kann, nicht aber in der Heraldik. Alle Farben sind gleichwertig und können vom Stifter mit einer beliebigen Symbolik belegt werden, sie können aber auch ganz einfach frei gewählt sein.

Es wird immer wieder versucht, solche Schlüsselzuweisungen zu treffen, doch ist das reine Spekulation. Die Deutungshoheit liegt allein beim Wappenstifter, sei es ein Mitglied der wappenführenden Familie, sei es der verleihende Souverän etc. Wenn jemand unter anderem goldene Leoparden in Rot übereinander führt, kann er damit einen Bezug auf's Braunschweigische andeuten, genausogut könnte er Bezug nehmen auf die englischen Leoparden, oder auf den heiligen Willibald, aber mit gleicher Wahrscheinlichkeit war der Wappenstifter im Kolonialdienst in Afrika oder die Familie hatte sich leidenschaftlich für den örtlichen Tierpark engagiert und wollte das dokumentieren. Oder jemand führt Lindenblätter. Ist das eine Anspielung auf eine Gerichtslinde, auf einen Lindenwald, auf den Sommer, auf die heilenden Kräfte der Lindenblätter in der Medizin oder hatte der Stifter seine Frau beim Tanz unter der Dorflinde kennengelernt? Auch wenn etwas augenfällig scheint, es muß nicht der wahre Grund sein, den kennt nur der Wappenstifter. Kein seriöser Heraldiker wird also in ein bestehendes Wappen etwas hineininterpretieren, das nicht belegt ist, denn allgemeine Symbolik ist nicht gegeben. Allenfalls bei redenden Wappen kann der Bezug zum Namen hergestellt werden, wenn es offensichtlich ist, aber auch hierbei ist Vorsicht geboten, denn eine eventuelle zusätzliche Absicht des Stifters bleibt uns verborgen. Hierdurch wird auch deutlich, wie wichtig der Wappenbrief oder die Stiftungsurkunde für nachfolgende Generationen ist, damit diese das Wappen noch verstehen können, wenn der Wappenstifter selbst nicht mehr lebt. Der Stifter ist grundsätzlich frei in der Wahl der Symbolik, der Motive, und der den Motiven zugedachten Symbolik. Insofern kann ein Wappen nicht mit Gewißheit gedeutet werden, wenn der Wappenstifter nichts hinterlegt hat. Alles andere ist Spekulation.

Ein besonders negatives Beispiel in dieser Hinsicht ist der Wappenschwindler Paul Gründel (1857-1931), der das sog. "Traumbuch" verfaßte, das von seriösen Heraldikern als reine Phantasie zur besseren Durchführung seiner Schwindeleien eingestuft wird. Gründel ist berüchtigt für das Verfassen weit hergeholter Deutungen, die seinem "Traumbuch" entnommen sind, rundum ein Schwindel. Leider werfen diese unseriösen Machenschaften des 19. Jh. immer noch ihren Schatten.

Für viele historische Wappen gibt es sog. Wappensagen oder Wappenlegenden. Dies ist jeweils nicht mehr als eine hübsche Geschichte, die in den allermeisten Fällen nichts, aber auch gar nichts mit der tatsächlichen Entstehung eines Motivs zu tun hat, sondern lange nach der Entstehung des Wappens erfunden wurde, um die Familie oder einzelne Personen in die Nähe bestimmter Ereignisse zu rücken oder daran zu erinnern. Solche Wappenlegenden haben durchaus einen gewissen Unterhaltungswert, sind aber als Quelle zur tatsächlichen Entstehungsgeschichte und Symbolik nicht zu gebrauchen.

Wir tendieren heute dazu, in Allem und Jedem Tiefgang und Symbolik sehen zu wollen. Heute mag das durchaus der Fall sein, daß bei einer Wappenstiftung hinter jeder Linie eine Fülle tiefschürfender Überlegungen steht. Doch ebenso müssen wir akzeptieren, daß bei historischen Wappen, besonders bei einfachen Heroldsbildern, diese Motive vermutlich einfach gewählt wurden, weil sie hübsch und kontrastreich waren und noch von keinem anderen geführt wurden und aus keinem weiteren Grund. Es wäre an den Haaren herbeigezogen, in eine einfache Ständerung tiefsinnige Symbolik hineinzuinterpretieren: Vermutlich wurde sie einfach gewählt, weil sie als schön empfunden wurde. Und genauso kann man heute ein Schildbild frei wählen, weil man sich mit der inhärenten Schönheit und Harmonie identifiziert - es muß nicht hinter allem eine tiefsinnige Erklärung stehen.

Ein Vollwappen auf dem Schild?
Der Regelfall ist, daß der Schild das Schildbild trägt, und das Oberwappen über dem Schild angebracht wird. Man achtet also darauf, daß die dargestellten Teile den tatsächlich verwendeten Teilen entsprechen. In späterer Zeit, insbesondere bei Tartschen, kam es aber auch vor, daß ein Vollwappen auf einen Schild gemalt wurde. Nicht daß dies besonders schön wäre oder der reinen Lehre der Heraldik entspräche - aber es kommt vor. Ein solches Beispiel findet sich im Universitätsmuseum Marburg, dort ist auf eine Tartsche der Landgrafen von Hessen mit schmaler, fast schlitzförmiger Aussparung und mehreren senkrecht verlaufenden Profilierungen ein Vollwappen mit kompletter Helmzier aufgemalt. In der Literatur wird meistens angegeben, daß diese ausnahmsweise vorkommenden Darstellungen von Vollwappen auf Schilden ein Phänomen der Tartschen und ihrer Zeit sind. Das ist zu einfach, denn für solche Darstellungen lassen sich sogar Belege aus dem 14. Jh. finden. Ein solches Beispiel ist das Grabmal des Burggrafen Reiner in der katholischen Pfarrkirche des Moselortes Bernkastel: Der Ritter legt betend die Hände zusammen, unter den linken Arm hat er das Schwert geklemmt, und über den Schwertgriff ist der Halteriemen des Schildes geworfen, der ein Vollwappen trägt, mit Topfhelm und Helmzier - gestorben 1372 AD. Fazit: Eine solche Darstellung ist zwar weder schön noch die Regel, aber das Auftreten ist doch deutlich früher anzusiedeln als meistens angegeben.

Tierdarstellungen
Tiere werden normalerweise, wenn nicht anders angegeben, in angreifender, dynamischer Stellung abgebildet. So ist ein Löwe, wenn er nicht abweichend blasoniert wird, immer ein steigender Löwe, ein Hund ein aufspringender Hund, ein Hirsch ein aufspringender Hirsch, ein Adler ein Vogel mit ausgebreiteten Flügeln etc. Denn schließlich sollte das Wappentier in seiner besten, kräftigsten, aktionsreichsten Stellung abgebildet werden und dem Gegner, der es auf dem Schild erblickte, einen solchen Eindruck hinterlassen, der möglichst auch mit dem Schildträger assoziiert werden sollte. Natürlich sind abweichende Stellungen heraldisch möglich, die müssen aber blasoniert werden. Ein Löwe kann schreiten, dann wird er auch als "schreitender Löwe", oder wenn er zusätzlich noch ein hersehender Löwe ist, als "Leopard" blasoniert. Ein Hirsch wird als schreitender Hirsch blasoniert, wenn es ein solcher ist, desgleichen ein Rabe als sitzender Rabe, wenn die Flügel nicht ausgebreitet sind etc. Man achte aber darauf, daß solche Stellungen nicht guter Heraldik entsprechen, die von der Typisierung eines Tieres in starker Position abweichen - ein sich auf dem Rücken wälzender Hund wäre nicht heraldisch.

Beliebtheit von Motiven
Manche Motive wie Löwe oder Adler werden aufgründ ihrer Häufung als typisch "heraldisch" angesehen. Manche Motive kommen so häufig vor, daß sich der Spruch etablieren konnte "Wer kein Wappen führt, führt einen Löwen". Ein typisches Motiv ist heute keine gute Wahl bei einer Neuannahme. Bei gegebener Anzahl von Farben, Metallen und Pelzwerk kann man sich ausrechnen, wieviel zusätzliche Merkmale man benötigt, um bei einer bestimmten Zahl zu erreichender Varianten noch ein Alleinstellungsmerkmal zu haben. Dies ist aber nicht nur ein mathematisches Problem, sondern auch ein graphisches: Irgendwann werden die Unterschiede so marginal, daß man nicht mehr guten Gewissens von zwei unterschiedlichen Wappen sprechen kann. Bei heutigen Gestaltungen sollte man also von besonders häufigen Motiven Abstand nehmen, da sie kein vordergründiges Alleinstellungsmerkmal mehr möglich machen und sich Dubletten oder große Ähnlichkeiten nur schwer vermeiden lassen. Aber wie häufig sind welche Motive wirklich? Die folgende kleine beispielhafte Statistik ist das Ergebnis einer EDV-gestützten Auswertung der Blasonierungen aus dem gesamten Siebmacher und der Deutschen Wappenrolle (Band 1-63):

Löwe 11223
Stern 10677
Balken 5819
Spitze 5626
Rose 5781
Adler 5339
Lilie 4376
Schwert 3587
Sparren, gesparrt 2724
Pfeil 2521
Greif 2191
Flug, Flügel, Adlerflug 1941
Krone 1873
Hand 1866
Ring 1846
Pfahl 1828
Scheibe, Kugel 1756
Pferd, Ross 1570
Hirsch, Hindin, Hirschkuh 1508
Baum 1501
Rauten, Wecken, gerautet, geweckt: 1496
Fuß 1471
Hirsch 1469
Schach, geschacht 1366
Einhorn 1153
Wolf 970
Bär 957
Schlüssel 947
Schlange 895
Sonne 858
Rad 774
Mond 768
Steinbock, Bock 761
Getreide, Ähre, Garbe, Getreideähre, Getreidegarbe 737
Hammer 618
Hund, Bracke, Windspiel 578
Pelikan 512
Wellenbalken 512
Huhn, Hahn 469
Schildchen 454
Buch 443
Leopard 441
Lanze 425
Rabe 418
Schaf, Lamm 412
Lindenblatt 364
Widder 359
Fuchs 342
Sichel 325
Waage 265
Eichenblatt, Eichblatt 252
Keule 248
Mohr 227
Eule, Kauz 226
Weintraube 221
Eber 206
Biene 199
Hellebarde 194
Hermelin 193
Fallgatter 178
Hase 174
Ärmel, Hängeärmel 170
Bein   153
Schuh, Bundschuh 150
Zickzackbalken 148
Dolch 147
Glocke 143
Rebe, Weinrebe 142
Ständer, Ständerung, geständert 142
Panther 140
Stufe 138
Kammrad 134
Krebs 130
Weberschiffchen 128
Rechen 125
Granatapfel 108
Pferdekopf 106
Bienenkorb 97
Morgenstern 96
Zange 95
Schnalle, Gürtelschnalle 94
Messer 93
Eiche 89
Bord 88
Schelle 84
Biber 79
Pfau 78
Kesselhaken 76
Würfel 74
Katze 68
Luchs 66
Tulpe 65
Phönix 63
Amboß 62
Harfe 62
Keil 56
Sirene 49
Stufengiebel 46
Igel 46
Blitz 43
Esel 43
Eichhörnchen 42
Deichsel 41
Leier, Lyra 41
Elefant 40
Wassermühlrad 39
Doppelsparren 36
Spindel 36
Säge 32
Schräggitter 31
Maus 31
Frosch 31
Gugel 30
Mispelblüte 28
Feh 26
Melusine 25
Affe 24
Göpel 20
Wolfszahn 17
Vierblatt 14
Königsadler 13
Kleeblattschnitt 13
Tannenschnitt 9
Göpelschnitt 8
Deichselschnitt 7
Narzisse 6
Stechpalme 6
Flöte 6
Salzpfanne 5
Schmetterling 5
Hummel 4
Lilienschnitt 4
Lindenblattschnitt 4
Ratte 3
Tannenreisschnitt 3
Zwillingssparren  2

Zusammenfassung:

Literatur, Links und Quellen:
Heinrich Hussmann: Über deutsche Wappenkunst: Aufzeichnungen aus meinen Vorlesungen, Guido Pressler Verlag, Wiesbaden 1972
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold", Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, Verlag Degener, Neustadt 1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München 2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4 (Deutschland)
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