Bernhard
Peter
Gute
heraldische Praxis: Farben in der Heraldik
Die
Rolle der Farben
Die Farben
sind bindend. Die
einmal gewählten Farben können nicht nach Belieben
geändert
werden.
Die Farben sind unterscheidungstragend. Allein durch den Wechsel
einer einzigen Farbe erhält man ein anderes Wappen!
(Außer bei
Nebenteilen)
Die
Farbpalette
Ein Wappen
hat in der Regel
mindestens 2 Wappenfarben (nur wenige Ausnahmen aus dem frühen
Mittelalter haben einen "ledigen" Schild),
davon 1 Metall: Gold = Gelb, Silber = Weiß! Einen Unterschied zwischen Gold und Gelb oder zwischen Silber und Weiß machen zu wollen, ist heraldisch absolut widersinnig! Nur bei Prunkschilden nahm man dafür damals die echten Metalle, gebräuchlich waren statt der echten Metalle die nächstliegenden Malerfarben, so für Silber Kreideweiß (cerosa cretacea) und für Gold Schwefelgelb (auripigmentum). Bei der Beschreibung von Wappen ist es aber gut und richtig, immer die Metalle zu nennen, um die Absicht klar in den Vordergrund zu stellen. Cave: Bei -> Flaggen hingegen verwendet man die Ausdrücke "gelb" und "weiß".
und 1 Farbe:
Alle Farben werden in einem einheitlichen und kräftigen Grundton wiedergegeben. Nuancierungen (hellblau, dunkelblau, mitternachtsblau oder die Kombination "pfirsichrot und apfelgrün", wie beim Corps Frankonia in Würzburg z. B.) haben in der ernstzunehmenden Heraldik keinen Platz! Leider treten diese Fehler häufig in der Heraldik des 19. Jh., insbesondere in der studentischen Heraldik auf. Die Grundregel, daß reine Farben ohne Unterscheidung von Nuancen verwendet werden, liegt in der Notwendigkeit begründet, Motive auf große Entfernung wahrnehmen zu können. Und dies geht nun mal nicht, wenn man nebeneinander orange und gold, grau und silber, eisenfarben und schwarz oder hellgrün neben dunkelgrün zuläßt. Otto Titan von Hefner spricht treffend von "Farben-Siechlingen", wenn er sich über den Verfall im 19. Jh. aufregt. Gute Heraldik ist Beschränkung auf die oben genannten reinen Farben.
Die Farbe ist stets gleichmäßig, Farbverläufe (z. B. von rot nach blau) widersprechen den Regeln und sind eindeutig falsch.
Die Heraldik gestattet es, alle Gegenstände in allen heraldischen Farben darzustellen. So kann ein Löwe grün, ein Hund rot oder eine Stadtmauer blau sein.
Die exakte Farbe ist auch das Ergebnis subjektiver Empfindung und Wahrnehmung. Die exakte Farbe ist auch eine Frage der Gesamtharmonie, so kann ein zu Gold passendes Rot etwas wärmer sein, ein zu Silber passendes Rot etwas kälter. Ein Gold, das an Rot stößt, kann etwas mehr ins Warme gehen, anders als bei der Farbe Blau als Nachbar. Die exakte Farbe ist nicht im Sinne einer EDV-Definition festgelegt, sondern vielmehr ein Zielkorridor, der einer klaren, satten, gut wahrnehmbaren Farbe mittlerer Helligkeit und guter Sättigung entspricht. Eine Farbe muß nicht per RGB, CMYK, HSVetc. festgelegt sein, um richtig zu sein. Die Festlegung auf einen bestimmten RGB-, CMYK-, HSV- etc.Wert ist vielmehr eine unzulässige Einengung der künstlerischen Freiheit, auch wenn sie gerade im Bereich der Kommunalheraldik von Übereifrigen gerne praktiziert wird, um eine einheitliche Corporate Identity zu haben. Der Künstler kann sich aus heraldischer Sicht (!) bedenkenlos über solche Angaben hinwegsetzen, wenn er anders einen besseren Gesamteindruck erzeugt und meint, die festgelegte Farbe mit einer anderen Nuance wirkungsvoller in Szene setzen zu können.
"Natürliche"
Darstellung und "natürliche" Farbe
Dann gibt es noch die sog. "natürliche" Wiedergabe.
"Natürlich" bedeutet heute, daß ein Objekt, meist
ein
Tier, nicht in Form und / oder Farbe heraldisch stilisiert
dargestellt wird, sondern realistisch wiedergegeben wird. Das
bezieht sich entweder auf den äußeren
Umriß ("natürliche
Gestalt") oder auf die Farbwiedergabe ("natürliche
Farbe", "naturfarben") oder auf beides, je nach
Heraldiker und Usus. Im Blasonierungsgebrauch müßten
strenggenommen natürliche Gestalt und natürliche
Farbe separat
angesprochen werden, das wird aber häufig nur
"natürlich" genannt und meint dann meistens beides.
Das Wort "natürlich" ist in den letzten Jahrhunderten
zu einer Art Ausrede geworden, sich über gleich zwei Regeln
der
Heraldik hinwegzusetzen, nämlich erstens die Regel,
daß Objekte
stilisiert wiedergegeben werden, und - im Kapitel über
heraldische Farben wichtiger - zweitens, daß jedes Objekt
unabhängig von seiner tatsächlichen Farbe in jeder
heraldischen
Farbe dargestellt werden kann und in einer der heraldischen
Farben wiedergegeben werden soll. In der Blütezeit der
Heraldik
hatte man damit kein Problem: Wenn man ein Tier so naturnah wie
möglich darstellen wollte, wählte man einfach die
nächstliegende Farbe: Ein Biber wurde schwarz dargestellt, ein
Elefant silbern, ein Baumstamm schwarz. Erst in neuerer Zeit hat
sich dann die Idee entwickelt, Biber und Baumstämme braun und
Elefanten grau abzubilden. Daß das ein Gewinn für
die Heraldik
war, bezweifle ich stark. Denn die Befürworter
"natürlicher" Darstellungen gehen zu sehr von der
Prämisse aus, ein Wappen sei ein Bild, ein Gemälde -
tatsächlich ist es aber ein kontrastreiches Zeichen. Wir
verlieren genau dieses Prinzip unter Bruch zweier heraldischer
Regeln und gewinnen eine größere Nähe zum
echten Objekt, die
der klassischen Heraldik in dieser Form eigentlich nie ein
vorrangiges Ziel war. Nun gut, wir müssen damit leben,
daß aus
der Zeit des 18. und 19. Jh. viele Wappen mit natürlichen
Darstellungen überliefert sind und auf ihre Weise Zeitzeugen
einer Entwicklung sind, mittlerweile selber wieder Geschichte
sind. Aber heute wollen wir uns doch lieber auf die klare
Zeichenhaftigkeit rückbesinnen, die das Wesen gotischer
Heroldskunst ist, und da haben die von manchen
zeitgenössischen
Heraldikern exzessiv genutzten "natürlichen"
Darstellungen keinen Platz.
In anderen Ländern, insbesondere im angelsächsischen Bereich, ist die Entwicklung eine andere, und dort haben natürliche Darstellungen und Farben ("proper") einen ganz anderen Stellenwert, sowohl in der Quote des Vorkommens als auch in der Akzeptanz unter Heraldikern. Grundsätzlich sollte man kontinentale und angelsächsische Traditionen in der Heraldik säuberlich auseinanderhalten. Daß wir heute im Gegensatz zu früher viel mehr Beispiele aus dem angelsächsischen Raum sehen, kennen und wahrnehmen, bedeutet aber weder, daß die Grenzen zwischen den separaten Entwicklungen verwischen, noch, daß das eine für das andere als Vorbild geeignet ist. Wir haben unsere eigene heraldische Tradition, unsere eigene gewachsene Ästhetik, und das ist auch gut so. Wer ein Wappen im britischen Stil möchte, möge es doch bitte in England eintragen lassen!
Synonyme
der Farben (Tinkturen)
Bei
Blasonierungen und in der
Literatur werden oft die französischen Fachbegriffe verwendet,
die bei den Farben im engeren Sinne nicht die heute üblichen
französischen Namen für Farben sind (rouge, bleu,
noir, vert).
In der britischen Heraldik sind eigene Bezeichnungen ebenfalls
Standard.
Pelzwerk
Pelzwerk
wird zu den Farben
gerechnet. Es kann als eigenständiges Bild den Schild
füllen
oder aber mit anderen Flächen kombiniert werden. Es hat aber
insoweit eine Sonderstellung, als dabei Kombinationen mit Farbe
und mit Metall möglich sind.
Siehe auch eigenes Kapitel über Pelzwerk.
Wie
beliebt sind die einzelnen Farben in der deutschen Heraldik?
Von der
Beliebtheit der Farben
in der mittelalterlichen europäischen Heraldik, gemessen an
der
Häufigkeit der Verwendung, steht Rot ganz oben, gefolgt von
Silber und Gold. Blau und Schwarz liegen im Mittelfeld, Feh,
Grün und sonstige bilden das Schlußlicht in der
Häufigkeitsverteilung. Entsprechend sind die Kombinationen
rot-gold und rot-silber bei mittelalterlichen Wappen die
häufigsten.
Die folgende kleine Statistik ist das Ergebnis einer EDV-gestützten Auswertung der Blasonierungen aus dem gesamten Siebmacher und der Deutschen Wappenrolle (Band 1-63):
1.) Wie viele Wappen in den o.g. Quellen enthalten eine bestimmte Farbe (neben anderen)?
Silber | 47086 | Blau | 34235 | ||
Gold | 45499 | Schwarz | 24987 | ||
Rot | 40300 | Grün | 17306 |
Dadurch, daß nur halb so viel Metalle wie Farben zur Auswahl stehen und immer ein Metall und eine Farbe mindestens kombiniert werden müssen, ergeben sich die hohen Werte für Silber und Gold. Beide Metalle liegen Kopf an Kopf. Bei den Farben ergibt sich eine deutliche Beliebtheit der Farbe Rot, gefolgt von Blau und Schwarz, während Grün das Schlußlicht ist.
2.) Wie viele Wappen in den o.g. Quellen enthalten zwei bestimmte Farben (neben anderen)?
Rot-silbern | 30536 | Schwarz-golden | 18181 | ||
Rot-golden | 24907 | Schwarz-silbern | 16677 | ||
Blau-golden | 24343 | Grün-golden | 11268 | ||
Blau-silbern | 21629 | Grün-silbern | 10772 |
Egal mit welchem Metall die Farbe kombiniert wird, es wird die oben schon festgestellte Rangliste beibehalten: Rot > Blau > Schwarz > Grün. Der absolute Hit ist ein rot-silbernes Wappen, dagegen ist die Kombination grün-silbern die am wenigsten gern gewählte, sie liegt sogar um den Faktor 3 hinter dem Spitzenreiter zurück.
3.) Wie viele Wappen in den o.g. Quellen enthalten drei bestimmte Farben (neben anderen)?
Rot-blau-silbern | 11721 | Blau-schwarz-gold | 6501 | ||
Rot-blau-golden | 11610 | Rot-grün-golden | 6301 | ||
Rot-schwarz-silbern | 9956 | Blau-schwarz-silbern | 5752 | ||
Rot-schwarz-golden | 9452 | Blau-grün-silbern | 5600 | ||
Blau-grün-golden | 6845 | Grün-schwarz-gold | 3975 | ||
Rot-grün-silbern | 6627 | Grün-schwarz-silber | 3547 |
4.) Wie viele Wappen in den o.g. Quellen enthalten nur zwei bestimmte Farben, andere Farben als die genannten ausgeschlossen?
Rot-silbern | 6914 | Schwarz-golden | 3655 | ||
Rot-golden | 2714 | Schwarz-silbern | 2398 | ||
Blau-golden | 4365 | Grün-golden | 469 | ||
Blau-silbern | 2900 | Grün-silbern | 816 |
Auch diese Tabelle spricht eine deutliche Sprache, wobei der Ausschluß anderer Farben das aussagekräftigste Ergebnis liefert. Wenn man nur die aus genau einem Metall und einer Farbe bestehenden Wappen betrachtet, wird die oben schon festgestellte Rangliste bestätigt: Rot > Blau > Schwarz > Grün. Dabei wird Rot lieber mit Silber kombiniert als mit Gold, Blau lieber mit Gold als mit Silber, Schwarz lieber mit Gold als mit Silber (was ja auch ein insgesamt eher "farbloses" Wappen ergäbe), und Grün wird, wenn es denn mal für zweifarbige Wappen genommen wird, lieber mit Silber kombiniert, und das Schlußlicht ist grün-golden als Kombination. Warum schneidet bei dieser Betrachtung Grün noch schlechter ab als in den obigen Statistiken? Mit der Bedingung "keine anderen Farben dazu" erfolgt zugleich eine statistische Bevorzugung einfacher Stammwappen, die ein früheres Entstehungsdatum haben als buntere Komplexwappen späterer Zeit. Also: Wer den Mainstream bevorzugt, liegt mit Rot-Silber genau richtig, wer dagegen das Außergewöhnliche sucht, wählt Grün-Gold oder verwendet Pelzwerk.
5.) Wie viele Wappen in den o.g. Quellen enthalten nur drei bestimmte Farben, andere Farben als die genannten ausgeschlossen?
Rot-blau-silbern | 2220 | Blau-schwarz-gold | 822 | ||
Rot-blau-golden | 1701 | Rot-grün-golden | 666 | ||
Rot-schwarz-silbern | 2085 | Blau-schwarz-silbern | 419 | ||
Rot-schwarz-golden | 1381 | Blau-grün-silbern | 763 | ||
Blau-grün-golden | 1584 | Grün-schwarz-gold | 539 | ||
Rot-grün-silbern | 1270 | Grün-schwarz-silber | 327 |
Auch hier liefert der Ausschluß anderer Farben das aussagekräftigste Ergebnis. Wenn man nur die aus genau einem Metall und zwei Farben bestehenden Wappen betrachtet, wird die oben schon festgestellte Rangliste Rot > Blau > Schwarz > Grün verstärkt, denn die Statistik wird angeführt von den rot-blauen und rot-schwarzen Kombinationen mit einem Metall. So wird deutlich, daß hier weniger geschmackliche Abwägungen im Sinne von "Was paßt zu was?", überspitzt ausgedrückt "Kann ich einen blauen Hut zu einem grünen Kleid anziehen?" eine Rolle spielen, sondern auch die Kombinations-Statistik nur die allgemeine Beliebtheit der Farbe verstärkt wiedergibt. Also ist die beliebteste Kombination rot-blau-silbern, gefolgt von rot-schwarz-silbern. Das Schlußlicht ist grün-schwarz-silbern. Interessant ist aber auch der Ausreißer, nämlich daß die blau-silbern-schwarze Kombination so schlecht abschneidet, das mag wohl an dem geringen Kontrast zwischen den beiden doch dunklen Farben liegen, die neben Silber beide zu ähnlich erscheinen. Immerhin ist der Unterschied zwischen Top und Flop der Faktor 6.8!
6.) Wie
viele Wappen in den o.g. Quellen enthalten Pelzwerk?
Auch diese kleine Erhebung ist das Ergebnis einer
EDV-gestützten
Auswertung der Blasonierungen aus dem gesamten Siebmacher und der
Deutschen Wappenrolle (Band 1-63): Insgesamt enthalten 304 Wappen
Pelzwerk im weitesten Sinne, also entweder Pelz (36), Pelzwerk
(41), Hermelin (181), Feh (26), Kürsch (11), Gegenhermelin
(0),
Pfahlfeh (3), Eisenhutfeh (16), Gegenfeh (1) oder Goldhermelin
(1) - insgesamt nur ein Viertel eines Prozentes der untersuchten
Wappen! Mit welchen Farben wird Pelzwerk (alle genannten
Begriffe) im weitesten Sinne am liebsten kombiniert? Ergebnis:
Nur mit Rot 15, nur mit Blau 3, nur mit Grün 1, nur mit
Schwarz
3, nur mit Silber 1, nur mit Gold 3, nur mit Rot und Silber 12,
nur mit Rot und Gold 15, nur mit Blau und Silber 5, nur mit Blau
und Gold 8, nur mit Blau und Rot 4, nur mit Schwarz und Gold 3,
nur mit Schwarz und Silber 3, nur mit Schwarz und Rot 1, nur mit
Schwarz und Blau 1 etc. Auch hier wird wieder die Vorliebe für
Rot deutlich, gefolgt von Blau. Zugleich wird aber auch deutlich,
daß sich die deutsche Heraldik mit dem Pelzwerk nie so
richtig
"warmgeworden" ist, im Gegensatz zu Großbritannien und
Frankreich etwa. Einfaches Hermelin ist hierzulande der
Löwenanteil. Und gerade die extravaganteren Spielarten wie
Gegenhermelin, Goldhermelin und Gegengoldhermelin kann man guten
Gewissens als fast unbekannt in der deutschen Heraldik
bezeichnen. Von konservativen Heraldikern werden sie auch nicht
befürwortet.
Konturen
Konturen
sind, wie der Name
schon andeutet, Umrisse in Linienform, keine mit Farbe
gefüllten
Flächen. Konturen werden in der Regel bei Aufrissen auf Papier
in Schwarz ausgeführt. Bei plastischen Darstellungen wie bei
Steinmetzarbeiten oder Holzschnitzereien hat man natürlich die
Möglichkeit, Konturen noch zusätzlich als Absatz zu
akzentuieren. Konturen sind keine eigenständige Figur
o.ä.,
deshalb ist es auch völlig unbedeutend, daß eine
schwarze
Kontur beispielsweise ein rotes Feld eingrenzt. Das ist
keinesfalls ein Fall für Kopfzerbrechen wegen der Farbregel,
sondern eine Kontur wird eben nicht als selbständiger Inhalt
wahrgenommen. Denn ein Schildinhalt besteht primär aus
Flächen,
nicht aus Linien. Eine Kontur ist kein Motiv, sondern grenzt
Motive voneinander ab. Deshalb wird auch dafür gesorgt,
daß
diese Abgrenzung unterschiedlicher Farbflächen mit maximaler
Prägnanz geschieht, und das geht praktischerweise am besten
mit
einer schwarzen Linie. Andersfarbige Konturen entsprechen nicht
dem Konsens und auch nicht gängiger Praxis. Davon
unbeeinflußt
sind die künstlerischen Erfordernisse bei einer plastischen
Darstellung des Oberwappens. Von der Kontur abzugrenzen ist die
Bordur - das ist ein eigenständiges schmales
flächiges Element
nicht-vernachlässigbarer Eigenbreite, und eine Bordur
unterliegt
der Farbregel. Eine Bordur wird von zwei Konturen eingefaßt,
denn sie ist ein Motiv, ebenso wie der Saum, eine dünne Bordur.
Schattenfarbe
"Schattenfarbe"
bedeutet, daß nur die schwarze Kontur einer Figur dargestellt
wird. Die Figur selbst besitzt keine Eigenfarbe, sondern die
Farbe des darunterliegenden Feldes. Der Begriff Schattenfarbe kann auch in
zusammengesetzten Wörtern wie "Schattenankerkreuz"
oder "Schattenfensterraute" verwendet werden, wenn
verdeutlicht werden soll, daß es sich lediglich um den
schwarzen
Umriß eines Objektes handelt.
Es gibt zwar Wappen in Schattenfarbe auch im Siebmacher, z. B. Klenau von Janovic im Band Böhmen (in Rot ein in 3 Reihen zu je 6 Feldern silbern-blau geschachteter Balken, darunter ein Herz von Schattenfarbe), von Laudon gleichfalls im Band Böhmen (zwischen zwei goldenen Schrägrechtsbalken in Blau drei hersehende Löwenköpfe, der erste rot, der zweite silbern und der dritte von Schattenfarbe), bekannt sind ferner die Barone von Trazegnies mit einem Löwen in Schattenfarbe in mehrfach gold-blau schrägrechtsgeteiltem Felde innerhalb eines roten (gedornten) Bordes, desgleichen der gleichnamige Ort in Belgien, auch in neuerer Zeit taucht sie hin und wieder auf, so z. B. im Wappen der Kärntner Gemeinde Hohenthurn von 1993 (in silbernem Schildhaupt in Schattenfarbe vier allseits anstoßende, gestürzte, mit je fünf Ringen belegte Sparren, unten begleitet von halben Spitzen außen und drei ganzen mit je einem Ring belegten Spitzen innen; darunter in Grün ein vierzinniger, silberner, teilweise schwarz gefugter Turm mit je einer schwarzen hochrechteckigen Fensteröffnung vorne oben und hinten unten). Ein weiteres Beispiel ist das Wappen der Herren von Montpaon in der Rouergue, nachgewiesen seit ca. 1400, auch im Lütticher Wappenbuch um 1450, in Gold vier blaue Schrägbalken, überdeckt von einem Pfau in Schattenfarbe. Lord Scrope of Masham (gest. 1415) führte einen Leoparden in Schattenfarbe als Bestandteil seines Wappenschildes.
Doch sollte das Existieren und Erklären dieser Mode keinesfalls aus den Augen verlieren lassen, daß das Wesen der Heraldik die Erzeugung einer klaren, kontrastreichen Graphik ist. Und daß Schattenfarbe genau das nicht ist, insbesondere auf blauen oder grünen Feldern nicht, versteht sich von selbst. Meiner Meinung nach widerspricht die Verwendung von Schattenfarbe den klaren darstellerischen Prinzipien der hochgotischen Heraldik, die uns Richtschnur sei. Schattenfarbe führt das Prinzip des Kontrastreichtums, eines der fundamentalsten heraldischen Prinzipien, ad absurdum. Daher ist sie eigentlich ein Unding. Schattenfarbe ist daher zu den heraldischen Kuriosa zu rechnen und keine ernsthafte und reguläre gestalterische Option.
Heutige Wappenstifter sollten sich bewußt sein, daß es sich bei Schattenfarbe zwar um ein historisch nachweisbares und durch Beispiele belegbares Phänomen handelt, das aber aufgrund seiner Seltenheit seit jeher eher ein Kuriosum war. Es gibt immer wieder Wappenstifter, die Aufmerksamkeit um jeden Preis wollen, gerne mit dem Kopf durch die Wand möchten und von gerade diesen seltenen Randphänomenen fasziniert sind. Man möge sich aber immer vor Augen halten, was der Sinn von Heraldik ist: Man will ein klares, kontrastreiches Zeichen - und das sind Objekte in Schattenfarbe gerade nicht. Es kann nicht im Sinne guter heraldischer Praxis sein, das, was früher schon außerhalb des wünschenswerten gestalterischen Korridors lag, weil es fundamentalen Prinzipien wie Kontrastreichtum zuwiderläuft, auf einmal für erstrebenswert zu halten.
Und so reizvoll es z. B. wäre, ein gläsernes Objekt in Schattenfarbe darzustellen, dieser Ansatz ist für heraldische Abstraktion zu naturalistisch. Heraldischer Stil bedeutet Abstraktion von Gegenständen zu einem klaren Zeichen, kein Abbild der sichtbaren Wirklichkeit.
Ein Grenzfall sind "gemauerte" Flächen, welche man aber als "gemauert" und nicht als "Schattenfarbe" bezeichnet, da zwischen den Linien die Eigenfarbe der Mauer sichtbar ist und die Mauer als Ganzes Eigenfarbe und äußere Kontur hat.
Manchmal wird Schattenfarbe heute auch so verstanden, daß innerhalb der Linien der Hintergrund abgedunkelt wird, so z. B. im Wappen der Gemeinde Thal in der Steiermark von 1987 (in Rot zwei silberne Pfähle, jeder Pfahl belegt mit sechs Muscheln in Schattenfarbe). Diese Interpretation deckt sich nicht mit der heraldischen Bedeutung, sondern mit der malerischen.
Der Begriff bedeutet in der Heraldik nämlich etwas anderes als in der Malerei, wo die Farbe gemeint ist, mit der der Schatten eines Gegenstandes angedeutet wird (die einen Ton abgedunkelte Eigenfarbe zuzüglich der Komplementärfarbe derselben zuzüglich einer Blaukomponente wegen der stärkeren Streuung blauen Lichts nach den Gesetzen der Physik).
Ein Beispiel: Links in Gold ein grüner Schragen, begleitet von Blättchen in Schattenfarbe. Mittig in Grün ein goldener Schragen, begleitet von Blättchen in Schattenfarbe. "Schattenfarbe" im heraldischen Sinne bedeutet Kontur und Durchscheinen der Untergrundfarbe. In der rechten Abbildung liegt dagegen keine Schattenfarbe im heraldischen Sinn vor. Dieses Schildbild würde man als "in Grün ein goldener Schragen, begleitet von goldenen Blättchen" blasonieren. Hierbei wurde lediglich im Rahmen der künstlerischen Freiheit schattiert, also abweichende Farbe für den Schatten (hier sepia) im "malerischen" Sinne zur Verdeutlichung der Kontur und Erhöhung der Plastizität verwendet (ob dies angemessen ist, ist eine ganz andere Fragestellung).
Es findet sich immer wieder das Gerücht, Schattenfarbe würde verlorene Herrschaften bedeuten - das ist absolut unbegründet und bei näherem Hinsehen haltlos. Jeglicher Zusammenhang kann verneint werden.
Keine
Wertigkeit
Alle Farben
sind gleich viel
"wert" und es ist keine Farbe oder Metall in der
Heraldik höher oder geringer zu achten als die
übrigen, und es
gibt keine besseren oder schlechteren Farben. Es gibt auch keinen
Rang der Farben. Farben sind Mittel zur Unterscheidung von
Flächen durch unsere Wahrnehmung, nicht mehr und nicht
weniger.
Doch leider tauchen solche esoterischen Rangzuweisungen immer
wieder auf. Farbwertigkeit ist der ernstzunehmenden Heraldik
fremd.
Zwei
Metalle (1)
Daß
Gold und Silber nicht
gemeinsam im Wappen vorkommen dürfen, ist falsch.
Selbstverständlich können Wappen beide Metalle
enthalten, wenn
sie durch eine Farbe oder durch Pelzwerk voneinander getrennt
sind. In den o.g. Quellen (Siebmacher und DWR Band 1-63)
enthalten 25227 Wappen beide Metalle (neben anderen Farben). Bei
der Komplexität zusammengesetzter Wappen des Territorialadels
ist es auch gar nicht anders möglich.
Richtig ist aber, daß man sich nach Möglichkeit auf so wenig Farben und Metalle wie möglich beschränken sollte.
Zwei
Metalle (2)
Die
heraldischen Metalle sind
Gold und Silber. Diese Aufzählung ist abschließend.
Es gibt
kein drittes Metall. Manchmal begegnet einem die irrige Ansicht,
Rot sei als Metall zu betrachten, weil Kupfer rot sei. Dies ist
falsch. Tatsächlich ist das eine apologetische
Hilfskonstruktion, um Verstöße gegen die Farbregel
irgendwie
mit einer an den Haaren herbeigezogenen Begründung zu
legitimieren. Interessanterweise wird diese Logik nur dann aus
dem Hut gezaubert, wenn man Rot neben Schwarz stellen möchte,
und nicht neben Silber oder Gold. Wie sehr das alles Unfug ist,
wird klar, wenn man den Gedanken mal weiter spinnt: Frisch
geschmirgeltes Kupfer ist glänzend hellrosa, ein paar Wochen
alte Kupferoberflächen sind stumpf rötlich, ein paar
Jahre alte
Kupferoberflächen sind braun, und mit ein bißchen
Acetat in der
Luft auch mal grün. Doch dadurch werden weder Rosa, Rot noch
Braun oder Grün Metalle. Ferner kann Stahl je nach Behandlung
blau werden, und brüniertes Eisen ist schwarz. Auch dadurch
werden weder Blau noch Schwarz Metalle. Langer Rede, kurzer
Sinne: Daß Kupfer = Rot ein drittes Metall sei und damit
neben
Farben stehen könne, ist schlicht Unfug.
Richtig ist: Es gibt genau zwei Metalle in der Heraldik: Gold und Silber.
Farbsymbolik
- nur in der Esoterik, nicht in der Heraldik
Farbsymbolik
ist unheraldisch.
Später wurde viel zur Bedeutung und Symbolik der Farben
hineininterpretiert - aber man bedenke: Im Mittelalter war ein
Wappen ein vorrangig kontrastreiches Zeichen. Dem Ritter war es
vollkommen egal, ob er nun die Ausstrahlung von Glaube oder
Hoffnung hatte - ihm war wichtig, daß er von Freund und Feind
im
dicksten Schlachtgetümmel erkannt wurde, bevor das Schwert in
der Luft war!
Die Symbolik eines Wappens kann uns nur der Wappenstifter erklären. Er allein weiß, warum er Symbole und Farben gewählt hat. Wenn er nett ist, hinterläßt er seinen Nachkommen und der Nachwelt eine Symboldeutung, dann verstehen wir das Wappen auch. Aber nachträglich anhand von esoterischen Schlüsselzuweisungen Sinn in die Farbwahl hineinzudeuten, ist totaler Unfug und hat nichts mit dem Willen des Wappenstifters zu tun.
Genauso sollte das Mißverständnis angesprochen werden, einzelne Farben hätten etwas mit Planeten und anderen Himmelskörpern zu tun und ließen sich so esoterisch deuten - alles Humbug. Tatsächlich wurden eine Zeitlang im 16. und 17. Jh. Planetenzeichen verwendet, um die Farben in Schwarz-weiß-Zeichnungen zu codieren. Die sind genausowenig esoterisch zu deuten wie unsere heutigen Schraffuren.
Doch leider tauchen solche esoterischen Deutungen immer wieder auf und halten sich hartnäckig. Leider werden dadurch viele Heraldik-Interessierte verunsichert und gelangen auf eine völlig falsche Fährte. Farbsymbolik ist der ernstzunehmenden Heraldik fremd.
Zusammenfassung der Farbregeln für die deutsche Heraldik
Literatur,
Links und Quellen:
Heinrich
Hussmann: Über
deutsche Wappenkunst: Aufzeichnungen aus
meinen Vorlesungen, Guido
Pressler Verlag, Wiesbaden 1972
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold",
Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften,
Verlag Degener, Neustadt 1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst,
Bechtermünz
Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München
2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4
(Deutschland)
©
Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2004-2007
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