Bernhard
Peter
Besondere
Motive: Bombe und Granate
Bomben
und Granaten
Bombe und Granate - was ist
der Unterschied? Beide sind Hohlkörper, beide sind mit
Explosivstoffen gefüllt, beide werden unter gewissen Bedingungen
verzögert gezündet, beide sollen Zerstörung über das Ziel
bringen. Doch eine Granate erfährt eine Initialbeschleunigung,
sei es durch eine Treibladung in einem Rohr (Mörser,
Granatwerfer) oder manuell (Wurf, Katapult). Eine Bombe dagegen
wird ohne Treibladung nur von der Schwerkraft angetrieben. Ihr
Ziel erreicht sie in freiem Fall. Beliebt waren Granaten und
Bomben in Wappenschöpfungen des 18. und 19. Jh., insbesondere
bei der Wappenannahme durch verdiente Militärangehörige.
Kriegsgerät,
ja - aber mittelalterlich?
Für jeden von uns sind Bomben
und Granaten Produkte der modernen Militärtechnik, in einem
Atemzug zu nennen mit "Little Boy" und "Fat
Man", mit "M67" und "Hedgehog". Doch die
Wurzeln dieser Waffen sind viel älter. Kenntnisse über
Explosivstoffe gelangten schon im Mittelalter aus China über die
arabische Hochkultur nach Europa (vgl. Schriften von Marcus
Graecus und Roger Bacon), nur genutzt wurde es zeitverzögert,
erst 1-2 Jahrhunderte später setzte sich das Schießpulver in
der Militärtechnik durch und wurde auch zum Bau von
Explosivkörpern genutzt. Also war die Technik zwar schon im
Mittelalter bekannt, spielte aber noch keine Rolle in
Zentraleuropa. Die ersten Granaten waren einfache Vorläufer der
Handgranate, ein runder Metallkörper, mit ca. 75% Kaliumnitrat
(Salpeter), 10% Schwefel und 15% Holzkohle gefüllt, mit einer
Lunte gezündet. Der große Vorteil war, daß man sie aus der
Deckung heraus werfen konnte, sich also selber nicht zeigen
mußte, und Feinde treffen konnte, die sich selber hinter einer
Deckung befanden, also nicht durch direkten Beschuß erreicht
werden konnte. Also eine zutiefst unritterliche Waffe,
Vernichtung zwischen zwei namenlosen, unsichtbaren Kontrahenten.
Der Name "Granate" leitet sich von der Form ab, die
einem Granatapfel ähnelte. Eine Bombe ist im einfachsten Fall
ein mit Schwarzpulver gefüllter Krug, oben mit Werg abgedichtet,
durch eine Lunte gezündet, von einer Mauer der zu verteidigenden
Burg herabgeworfen auf die Feinde. Das Wort wurde aus dem
Französischen im 30jährigen Krieg entlehnt, die Wurzeln liegen
im lateinischen Wort "bombus" und eigentlich weiter im
griechischen Wort "bombos", es bedeutet lautmalerisch
ein dumpfes Tönen, Sausen.
Darstellung
als Wappenbild
Als Wappenbild wird eine Bombe
dargestellt als schwarze, manchmal mit zwei Henkeln versehene
Kugel, häufig auch explodierend gezeichnet. Im Siebmacher wird
weitgehend nicht zwischen Bombe und Granate unterschieden, beide
Begriffe bezeichnen das gleiche Wappenbild einer schwarzen Kugel,
an deren oberer Öffnung Flammen austreten. Wird aber eine
Darstellung mit Henkeln abgebildet, so wird das Objekt stets als
Bombe angesprochen. Das ist auch nachvollziehbar, denn man stelle
sich ein von der Höhe der Stadtmauer herabgeworfenes Gefäß mit
explosivem oder brennendem Inhalt vor - das natürlichste Gefäß
ist ein Henkelkrug o.ä.. Wird aber ein solches Objekt auf eine
ballistische Flugbahn beschleunigt, sind diese Henkel sehr
hinderlich, sowohl beim Abschuß/Abwurf als auch hinsichtlich der
Beeinflussung der Flugbahn unberechenbar.
Wappenbilder, v.l.n.r.: In Silber 3 (2:1) angezündete schwarze Granaten/Bomben, in Silber eine brennende schwarze Bombe, in Silber eine explodierende schwarze Bombe/Granate.
Schauen wir auf die Statistik: In Siebmacher und DWR (1-63) gibt es 117 Wappeneinträge mit einer "Granate", davon stellt eine einzige drei zylindrische Granaten moderner Bauart dar (Iwan, Bg12), alle anderen 116 haben die kugelige Form. Davon sind 2 "platzend", eine mit zusätzlichen Flammen an der Seite (Jäckel, Bg11), eine mit 4 Flammen ringsum (Herren von Ruden, Ost S. 411, T. 160). Eine ist "tot", ohne Flamme (Langen, Pr S. 51, T. 65). Alle anderen 113 dargestellten Granaten sind "brennend" oder "flammend" und folgen der typischen Form. Unter dem Begriff "Bombe" werden im Siebmacher und in der DWR (Band 1-63) 29 Wappen geführt. Davon sind alle ausschließlich kugelförmig dargestellt, 4 davon haben zwei Henkel oder Ösen (Popovich, Un S. 512, T. 372, Hummitsch, Gal, S. 137, T. 166, Stude, Bg10, Willmann, Ost). 28 sind "angezündet", "brennend", "flammend", "sprühend" oder "feurig", nur eine Abbildung von Bomben ist ohne Feuer (Popovich, Un S. 512, T. 372). Eine Bombe ist geflügelt (Höfinghoff, DWR 46, S. 77).
Fazit: Im Siebmacher wird darstellerisch kein Unterschied gemacht zwischen Granate und Bombe. Von der brennenden, kugelförmigen Gestalt abweichende Darstellungen sind seltene Ausnahmen. Sind Henkel angebracht, lautet die Bezeichnung "Bombe". Ohne Henkel kann jede Bezeichnung gewählt werden. Längliche, spitzzulaufende Explosivobjekte werden immer als Granate angesprochen, entsprechen aber eigentlich nicht dem heraldischen Stil, weil diese Form weit nach dem Zeitfenster entstand, aus dem wir akzeptable Wappenmotive entlehnen.
Die Wappenbilderordnung bevorzugt für die kugelige Darstellung den Ausdruck Bombe (Nr. 9681), während sie mit der Granate die längliche, spitz zulaufende Form späterer, gezogener Granaten assoziiert (Nr. 9683).
Synonyme
Bombe, Granate, bombe (frz.),
fire-ball, bomb (engl.), bomba (ital.), grenade (engl.), grenade
de guerre (frz.)
gezogene Granate, grenade d'artillerie (frz.), grenade
cylindrique (frz.), grenade (engl.), bomb-shell (engl.)
Darstellung von Granaten und Bomden in historischen Wappen-Graphiken:
Abb. links: angezündete Granaten/Bomben im Wappen, gezeichnet von Lorenz M. Rheude (1863-1939) aus München für Harald von Denffer (Exlibris von 1902).
Abb. rechts: Ausschnitt aus einem Exlibris von unbekannter Hand für Thomas Boycott aus dem Jahr 1761. Der englische Blason wäre: Gules on a chief Argent three fireballs proper, crest: out of a mural coronet an arm couped at the elbow in armour, in the hand a fireball, all proper. Deutsch: rot mit silbernem, mit drei brennenden, naturfarbenen Granaten belegten Schildhaupt, auf dem (nicht vorhandenen) Helm aus einer Mauerkrone wachsend ein gepanzerter, im Ellenbogen abgewinkelter Arm, eine Granate wie beschrieben haltend. Die Familie hatte ihren Sitz auf Rudge Hall in Rudge, Grafschaft Shropshire. Das Wappen wurde am 21.3.1663 den beiden Brüdern Silvanus Boycott of Hinton in the County of Salop und Francis Boycott of Byldwas in the County of Salop durch die Hand von Edward Byshhe, Clarenceux King of Armes, verliehen, mit dem Wortlaut "Upon a Cheife Argent in a Feild Gules three Granadoes proper. And for the Crest, An armed Arme proper issuing out of a Crowne Murall, casting a Granado". Die beiden genannten Brüder waren Söhne von William Boycott of Byldwas. Silvanus führte das Wappen wie beschrieben, Francis eine Mondsichel zur Differenzierung ("he the said Francis with the distinction of a Crescent"). Die Granaten spielen darauf an, daß der Vater der beiden Brüder König Karl I. mit Granaten und anderen militärischen Versorgungsgütern beliefert hatte, und die beiden Söhne hatten Karl II. bei seiner Flucht geholfen.
Beispiele
für Wappen mit diesem Motiv
Es sei vorab angemerkt, daß
viele Wappen mit diesem Motiv im Siebmacher aufgrund ihrer
Entstehungszeit (sog. Verfallszeit) inakzeptable Verstöße gegen
heraldische Regeln - insbesondere die Farbregeln - aufweisen.
Literatur:
Siebmachers großes
Wappenbuch, Sonderband B1: Wappenbilder-Ordnung, Bd. 1, Degener
Verlag, ISBN 3-87947-114-2
Siebmachers großes Wappenbuch, Sonderband B2;
Wappenbilder-Ordnung Bd. 2. 1991. 393 S. 7 Tafeln mit zahlr. Abb.
Festeinband, Degener Verlag, ISBN 3-87947-100-2
Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Von Apfelkreuz bis
Zwillingsbalken. Battenberg-Verlag, 2. Auflage 2006, ISBN:
3-86646-010-4
Siebmachers Wappenbücher
John Burke, A Genealogical and Heraldic History of the Commoners
of Great Britain, Band 4, http://books.google.de/books?id=6AtBAQAAMAAJ&pg=PA470
Verleihung Boycott: http://ukga.org/Grants/boycott.html
Zurück
zur Seite: Besondere Motive
Zurück
zu Heraldik-Regeln
©
Copyright Text, Graphik und Photos - sofern nicht anders
angegeben: Bernhard Peter 2008, 2009, 2014
Die Abb. historischer Zeichnungen sind selbst angefertigte Scans
historischer Originale.
Sofern bekannt, ist der Urheber bei der jeweiligen historischen
Graphik angegeben.
Impressum