Bernhard
Peter
Polio:
Rüsten Sie sich und Ihre Familie gegen Kinderlähmung!
Was ist Kinderlähmung?
Die Kinderlähmung =
Polio = Poliomyelitis ist eine akute, fieberhafte und
hochansteckende Infektionskrankheit, die von Viren verursacht
wird. Früher eine gefürchtete Krankheit, ist sie durch
konsequente Impfmaßnahmen in den Industriestaaten fast aus
unserem Bewusstsein verschwunden, ganz anders in
Entwicklungsländern. Das Gefährliche an dieser Erkrankung sind
die zwar nur in wenigen Fällen auftretenden, dann aber zu
bleibenden Schäden führenden Lähmungserscheinungen oder
Gehirnhautentzündung, die mangels wirksamer Medikamente nur
symptomatisch behandelt werden können.
Wer ist der Erreger?
Die Erreger der
Poliomyelitis sind aus der Gruppe der so genannten Picornaviren.
Das sind Viren mit RNA als genetischer Information, sie gehören
zu den sog. Enteroviren (in dem Namen ist schon enthalten, daß
sie in der Regel über den Darm den Weg in den Organismus
finden). Sie haben eine relativ einfache Struktur ohne
Schnickschnack wie Hüllen oder Spikes etc. genetische
Information und ikosaedrisches Kapsid und damit basta! Sie
können mittlerweile ohne allzu großen Aufwand sogar im Labor
künstlich erzeugt werden. Sie besitzen eine Größe von 24-30 nm
(1 nm = 10-9 m) und gehören damit zu den kleinsten
Viren überhaupt. Es gibt drei verschiedene Serotypen, die alle
von der Impfung abgedeckt werden.
Wie steckt man sich an Kinderlähmung an?
Die Infektion erfolgt
vor allem fäkal-oral durch Schmierinfektion, oder einfach
ausgedrückt: Die Viren werden gegessen. Es kommen also als
Erregerquelle in Frage:
Ganz ähnlich wird z. B. die Hepatitis A
übertragen. Die Polioviren sind äußerst ansteckend. Sie
vermehren sich zunächst im Darm und erreichen von da aus ihr
Zielorgan über den Blutweg.
Eine Infektion über Tröpfchen, also durch Niesen, Husten,
Küssen gilt als ziemlich unwahrscheinlich.
Kinderlähmung ein Thema von gestern?
Durch die
Durchimpfung der Bevölkerung ist sie in Zentraleuropa und
anderen Industrieländern hohen medizinischen Standards seit etwa
1960 sehr selten geworden und die Erkrankung mit ihren sichtbaren
Folgen ist weitgehend aus dem Alltagsleben verschwunden, obwohl
die Durchimpfung der Bevölkerung leider eine abnehmende Tendenz
zeigt. In Ländern mit hohem Durchimpfungsgrad tritt die
Poliomyelitis nur bei Impflücken durch eingeschleppte Erreger
sporadisch auf. Vor Einführung der Schluckimpfung (1962) gab es
auch in den Industriestaaten regelmäßig verheerende Epidemien.
Es gab damals viele Krankheitsverläufe mit schwerwiegenden,
bleibenden Schäden und sogar Todesfolge. Heute spielt die
Kinderlähmung in den Entwicklungsländern noch eine große
Rolle, besonders gefährdet sind Kinder in Indien, in großen
Teilen Afrikas sowie in einigen Ländern Südostasiens.
Entsprechend spielt Kinderlähmung als Risiko auf Fernreisen
ebenfalls noch eine Rolle, deshalb ist ein Impfschutz für Kinder
wie für Erwachsene auch heute noch aktuell und wird auch lange
Zeit noch nötig bleiben.
Polio als Reisekrankheit - wo sie noch viel vorkommt:
Wie lange ist die Inkubationszeit?
Die Inkubationszeit,
also die Zeit von der Infektion bis zum Ausbruch der Erkrankung,
beträgt etwa 5 bis 14 Tage, in seltenen Fällen sogar bis zu 35
Tagen.
Welche Beschwerden treten auf, wie verläuft
die Krankheit?
Nach der Infektion
mit dem Virus kommt es im Körper zur Virusvermehrung im
lymphatischen Gewebe des Rachenraumes und im Darm, dann erreichen
die Viren über den Blutweg andere Organe, bei der Kinderlähmung
insbesondere das Zentralnervensystem. Die Erkrankung ist durch
den Ablauf von zwei separaten Phasen gekennzeichnet:
1. Krankheitsphase
Dazwischen: Ein beschwerdefreies Intervall, ohne Fieber
2. Krankheitsphase: Der Erreger dringt in das Zentralnervensystem (ZNS) ein und befällt bevorzugt die Vorderhörner des Rückenmarks, wo die Nervenzellen lokalisiert sind, welche die Bewegungen der Muskeln kontrollieren. Hirnhautentzündung
Vielfach verläuft eine Erkrankung auch latent, d. h. es treten keine Beschwerden auf, obwohl eine Infektion stattgefunden hat. Nur in 1% aller Fälle kommt es zu den beschriebenen Lähmungen, die beeinträchtigen den Patienten dann aber lebenslang.
Welche Komplikationen sind möglich?
Was ist das Post-Polio-Syndrom?
Das ist die nach
einer überstandenen Erkrankung an Kinderlähmung auftretende
Schwäche mit Schmerzen und starken Erschöpfungszuständen,
relativ unabhängig von den unter Umständen gleichzeitig
vorhandenen Lähmungen. Diese Beschwerden treten oft erst
Jahrzehnte nach der Erkrankung auf. Schlimm ist, daß es auch bei
latenten Infektionen, also unbemerkten Erkrankungen ohne
Beschwerden lange danach zu dem Post-Polio-Syndrom kommen kann.
Da die Polio-Erkrankung seit etwa 1960 in Deutschland als nahezu
ausgerottet gilt, betrifft dieses Problem alle im Jahr 2004 über
44 jährige Menschen. Möglicherweise liegt in dem
Post-Polio-Syndrom auch die wirkliche Ursache für viele
Erkrankungen, deren Ursachen weitgehend noch im Dunklen liegen,
wie z.B. das chronische Erschöpfungssyndrom.
Wie kann der Arzt Kinderlähmung behandeln?
Eine kausale
Therapie, also eine direkte Bekämpfung des Virus mit
Medikamenten ist derzeit immer noch nicht möglich. Im
Vordergrund stehen daher Maßnahmen, welche die Beschwerden
lindern und dem Kranken Erleichterung verschaffen:
Wie kann der Arzt das Post-Polio-Syndrom
behandeln?
Die an
Post-Polio-Syndrom leidenden Menschen leiden an einem Mangel von
L-Carnitin. L-Carnitin ist in den Muskeln ein in der
Energiegewinnung wichtiges Molekül, ein Transporter, der
Acylreste vom Abbau von Fetten in die Mitochondrien einschleust,
wo diese dann weiter abgebaut werden. Unter PPS leidende Menschen
benötigen täglich ca. 4 g L-Carnitin als Nahrungsergänzung.
Wie kann man einer Polio-Erkrankung
vorbeugen?
Kein Kind in
Deutschland ist diesem oben gezeichneten Schicksal hilflos
ausgeliefert, denn es gibt nicht nur eine, sondern gleich zwei
hervorragende Impfungen!
Totimpfung = IPV = "Salk-Impfung": Sie erfolgt durch Injektion aus inaktiven (abgetöteten) Polioviren der Erregertypen I, II und III. Nach der Grundimmunisierung (heute meist in Form einer Kombinationsimpfung) sind in Zeiträumen von ca. 10 Jahren Auffrischungen erforderlich.
Lebendimpfung = Sabin-Schluckimpfung = OPV = Orale Polio Vakzine. Die Schluckimpfung ist naturgemäß einfacher durchzuführen, meist auf einem Stück Zucker (nach dem Motto: Schluckimpfung ist süß Kinderlähmung ist grausam), insbesondere für Eltern angenehm, weil hier kein großes Geschrei der Sprößlinge ansteht wie bei Spritzen! Sie wird im 4., 6. und 18. Lebensmonat verabreicht (Mindestabstand 6 Wochen zwischen 2 Impfungen); auch hier sind Auffrischungen nach etwa 10 Jahren notwendig.
Welche Art von Impfung wird derzeit in
Deutschland empfohlen und warum?
Lange Jahre war in
Deutschland die Schluckimpfung Standard. Ein großer Vorteil der
Schluckimpfung ist, daß sie den natürlichen Infektionsweg der
Erreger nachzeichnet und dafür sorgt, daß schon in der
Darmschleimhaut ein Minengürtel aus einer speziellen
Sorte von Antikörpern aufgebaut wird. Weiterhin ist der Schutz
längerfristig stabiler. Eine ambivalent zu bewertende
Begleiterscheinung der Schluckimpfung ist aber, daß die
Geimpften echte Viren ausscheiden. Positiv gesehen führt das zu
einer Herdimmunität in der nächsten Umgebung (Familie). Aber:
Beim zunehmenden Anteil an Menschen mit geschwächtem Immunsystem
in unserer Gesellschaft (z. B. immunsupprimierte
Transplantationspatienten, HIV-Patienten) ist es riskant
geworden, Lebendausscheider zu haben. Es entstehen ferner bei
dieser Vorgehensweise auch immer wieder echte Wildviren wegen des
Phänomens der Quasispezies, sodaß zwar die Krankheit
ausgerottet wird, nicht aber der Erreger. Aus diesen Gründen ist
seit dem Jahr 1998 die STIKO (Ständige Impfkommission) zu einer
anderen Empfehlung, nämlich der Totimpfung übergegangen.
Deshalb wird heute fast nur noch die "Inaktivierte
Polio-Vakzine" (IPV = Inaktivierte Polio-Vakzine) empfohlen
und auch verwendet. Dieser Impfstoff wird in den Muskel
gespritzt. Er verfügt über eine hohe Wirksamkeit und verursacht
auch keine Vakzine-assoziierte paralytische Poliomyelitis (VAPP),
die als seltene Impfkomplikation bei der Schluckimpfung auftreten
konnte. Auch Menschen, die unter einer Immunschwäche (Aids)
leiden, können ohne Risiko mit diesem Tot-Impfstoff geimpft
werden. Im Gegensatz zur Schluckimpfung handelt es sich um einen
Individualschutz jede Person muß also für ihren eigenen
Schutz sorgen.
Ab wann hat man die Grundimmunisierung?
Was ist bei einer unvollständigen
Grundimmunisierung?
Bei unvollständig
Geimpften ist es jederzeit möglich, noch fehlende Dosen zu
komplettieren, egal, wie groß der Abstand war. Nur ein
Mindestabstand zur letzten Impfung muß eingehalten werden.
Was ist, wenn mal mit einer Auffrischung
länger als 10 Jahre gewartet wurde?
Kein Problem, die
Grundimmunisierung geht nicht verloren. Jede Impfung zählt. Ganz
normal eine einzige Auffrischimpfung machen lassen, sobald die
Lücke im Impfbuch festgestellt wird, und ab da besser darauf
achten, wann wieder 10 Jahre rum sind!
Wenn man schon mal an Polio erkrankt war,
ist man dann immun?
Ja und nein! Denn es
gibt drei verschiedene Serotypen des Polio-Erregers. Wenn man
durch den einen Typ krank wird, hinterläßt die Erkrankung nur
Immunität gegen diesen einen Typ, gegen die beiden anderen wäre
man hilflos. Auch hier schützt nur eine Impfung, die alle drei
Serotypen berücksichtigt.
Kann man sich auch während einer
Schwangerschaft impfen lassen?
Auch werdende Mütter
sollten über einen ausreichenden Impfschutz verfügen.
Schwangerschaft und Stillzeit sind keine Kontraindikationen für
eine Impfung mit IPV.
Kann man zwischen zwei verschiedenen
Impfstoffen wechseln?
Es ist völlig
problemlos, Personen, die früher Schluckimpfung bekommen haben,
können ohne Probleme ihre weiteren Auffrischimpfungen als
Spritze bekommen. Auch während einer Grundimmunisierung kann von
OPV auf IPV umgestellt werden, es ist kein Neubeginn der
Impfserie nötig, jede Impfung zählt.
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