Bernhard
Peter
HIV
und AIDS: Wie verläuft eine Infektion an HIV?
Ganz
grob:
Was ist das Ziel der HI-Viren im Körper?
Ziel der
Viren sind Zellen des
Immunsystems, und zwar die sog. T-Helferzellen. T-Helferzellen
oder T-Lymphozyten oder kurz T-Zellen sind eine für die
Immunabwehr wichtigen Gruppe von Blutzellen. Es handelt sich bei
ihnen um eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen
(Leukozyten). T-Lymphozyten sind neben B-Lymphozyten an der
adaptiven Immunantwort beteiligt. Die Untergruppe der
CD4-T-Helferzellen wird durch HI-Viren kontinuierlich
zerstört,
bis am Schluß Immundefizite auftreten und das Vollbild AIDS
entwickelt wird. Am Anfang kann die körpereigene Neuproduktion
von Helferzellen die zerstörten wieder ausgleichen, aber
irgendwann ist das System erschöpft. Pro Tag werden ca. 10^7
bis
10^9 (!) CD4-T-Helferzellen zerstört. Die Zerstörung
der
Helferzellen geschieht auf verschiedenen Wegen:
Phasenweiser
Verlauf der Erkrankung:
Ein
„natürlicher“
Verlauf der Erkrankung ist in mehrere Phasen unterteilt:
1.
Phase:
Befall der Makrophagen und dann der T-Helferzellen
Wenn man
sich an HIV-haltigem
Material infiziert, sind nur die makrophagotropen R5-Stämme
übertragbar. Dabei breiten sich die Viren nicht sofort
systemisch im ganzen Körper aus, sondern infizieren an den
Schleimhäuten zuerst die lokalen Zellen des Immunsystems wie
z. B. Langerhans-Zellen. Wenn die Übertragung nicht
auf
sexuellem Wege, sondern durch Schnitt oder Stich erfolgt, werden
ebenfalls zuerst Makrophagen des lymphoretikulären Systems
infiziert. Diese infizierten Makrophagen im Gewebe sind zum einen
für die Erst-Vermehrung der Viren verantwortlich. Zum anderen
bilden sie später ein lebenslanges Reservoir, gemeinsam mit
Astrozyten, Gliazellen, Knochenmarksmakrophagen und vielen
anderen Varianten der Makrophagen (Freßzellen des
Immunsystems).
Erst später im weiteren Verlauf der Infektion entstehen die
T-lymphotropen X4-Varianten durch Mutations- und
Adaptationsprozesse, die dann die T-Helferzellen zerstören.
2.
Phase:
Virämie
In dieser
Phase kommt es zu
einem rasanten Anstieg der Virenmenge im Blut innerhalb weniger
Wochen. Man findet bei HIV-1 bis zu über 10^6 Genkopien pro ml
Blut, ein Maß für die Viruslast. Bei Abwesenheit
einer
adaptiven Immunantwort vermehrt sich der Virus rasant. In dieser
Phase findet die Aussaat der Viren in Reservoirs verschiedener
Gewebe statt. Die Inkubationszeit beträgt ca. 2-8 Wochen. In
dieser virämischen („viele Viren im Blut“)
Phase kann
es zu Beschwerden kommen, muß aber nicht. Wenn Beschwerden
auftreten, ähneln sie häufig denen eines banalen
grippalen
Infektes und werden meist nicht sonderlich ernst genommen: Leicht
erhöhte Temperatur bis Fieber, Abgeschlagenheit, Kopf- und
Gliederschmerzen, Muskelschmerzen, Nachtschweiß, geschwollene
Lymphknoten, Appetitverlust, Gewichtsverlust, orale Ulzerationen,
Rachenentzündungen. Die Infektion kann auch zu einem
Hautausschlag und zu einer Lymphadenopathie führen, was
mononukleoseartige Beschwerden sind. Da die Beschwerden nicht
besonders typisch oder charakteristisch sind, werden sie in der
Regel nicht mit HIV in Zusammenhang gebracht. Wenn Patient oder
Arzt entscheidende Verdachtsmomente übersehen, wird das
häufig
als banaler grippaler Infekt diagnostiziert und behandelt. Im
Hintergrund „geht aber die Post ab“! Denn die sich
während dieses akuten HIV-Syndroms rasant vermehrenden Viren
zerstören die T-Helferzellen, deren Population einbricht. Der
Körper versucht gegenzuregulieren: Zum einen werden
verstärkt
T-Helferzellen produziert, weiterhin sorgen zytotoxische T-Zellen
des noch intakten Immunsystems dafür, daß die
Viruslast wieder
absinkt. So kommt es zu dem peakförmigen Verlauf der
Viruslast.
Der Mensch entwickelt eine Immunantwort, die die Viren-Vermehrung
im weiteren Verlauf kontrolliert. Diese akute Phase dauert in der
Regel nur 7-10 Tage, selten länger als 2 Wochen, in
Ausnahmefällen 4 Wochen. Gleichzeitig werden
Antikörper
gebildet. Die Kurve der Antikörperkonzentration hinkt der
Virenkurve zeitversetzt hinterher. Die Konzentration der
Antikörper erreichen ihren Maximalstand erst bis zu 3 Monate
nach der Infektion. Das erklärt, warum ein HIV-Test erst nach
Ablauf dieser Frist sinnvoll ist.
3.
Phase:
Asymptotische Phase – Kategorie A
Die Zahl
der Viren sinkt nach
der virämischen Phase stark ab. Die anschließende
Phase wird
asymptotische oder subklinische Phase genannt. Sie kann Jahre
dauern, Beschwerden gibt es in der Regel keine, die Patienten
sind symptomfrei. Im Hintergrund läuft aber ein
außergewöhnlicher Umsatz an CD4-T-Helferzellen:
Ständig werden
vorhandene Helferzellen zerstört und neue gebildet.
Zerstörung
und Neubildung befinden sich im Gleichgewicht. Die Reserven des
Organismus reichen aber noch aus, um die Anzahl der im Blut
vorhandenen Helferzellen auf relativ hohem Niveau zu halten.
Deswegen kommt es in dieser Phase zu keinen spürbaren
Immundefiziten. Die Phase kann Jahre dauern. Erst wenn die
Neuproduktion von Helferzellen sich erschöpft, kommt es zur
nächsten Phase. Wie lange die beschwerdefreie Zeit
anhält,
hängt auch von der anfänglichen Viruslast ab. Liegt
diese unter
1000 Genomkopien pro ml Blut, stehen die Chancen auf eine lange
asymptotische Phase mit persistierender Virusvermehrung auf
niedrigem Niveau gut. Ist sie aber deutlich höher, kann sich
die
Zeit erheblich verkürzen. Die Viruslast kann 4-6 Wochen nach
der
Infektion auf weniger als 1% der Höchstwerte sinken. Auch ohne
Behandlung verbleibt die Viruslast auf einem niedrigen Niveau
(„viraler Setpoint“), meist zwischen 10000 und
50000
Kopien/ml (mit Ausnahmen).
Wieviel
Zeit bleibt?
Für
die Betroffenen ist die
entscheidende Frage, wie lange sie in dieser Phase bleiben, wie
viele Jahre ihnen bleiben, bevor sich das Krankheitsbild
gravierend verschlimmert. Einige individuelle Faktoren können
diese „freie“ Zeit, die ganz grob 8-10 Jahre
beträgt,
beeinflussen:
Entgegen allen Gerüchten: Weder Ernährung noch sportliche Gewohnheiten noch Streß oder Schlaf spielen dagegen eine Rolle.
4.
Phase:
Folgestadium – Kategorie A
Die
Virusmenge (Viruslast) im
Blut und die Zahl der CD4-T-Helferzellen sind wichtige Werte zur
Einschätzung der Entwicklung der Krankheit. In der
asymptotischen Phase nimmt die Zahl der Helferzellen immer weiter
ab. Eine ganze Weile können die normalen Funktionen des
Immunsystems aufrechterhalten werden. Aber wenn die Zahl der
Helferzellen unter 500 pro µl Blut sinkt, gilt das als
Zeichen
einer beginnenden Immunschwäche. Das Immunsystem kann mit
seinen
sonstigen Waffen die Virusvermehrung nicht mehr auf niedrigem
Niveau in Schach halten. Der Umsatz an Helferzellen ist so
groß,
daß die Produktion nicht mehr in der Lage ist, für
Ausgleich zu
sorgen. Das System erschöpft sich, die Viruslast steigt
exponentiell an. Wenn entweder die Viruslast über 55000
Viruskopien pro ml Blut steigt oder die Helferzellen unter 200
pro µl absinken, ist der Startpunkt für eine
antiretrovirale
Kombinationstherapie gegeben. In diesem Stadium kommt es zum sog.
Lymphadenopathiesyndrom (LAS), das durch generelles Anschwellen
aller Lymphknoten charakterisiert ist.
5.
Phase:
Beginnendes AIDS – Kategorie B
Diese Phase
ist gekennzeichnet
durch das Auftreten von Erkrankungen, die noch nicht in die
Kategorie C (Vollbild AIDS) fallen, die aber dennoch durch eine
ernsthafte Störung der Immunabwehr
zurückzuführen sind.
Beispiele:
CDC-Klassifikation
der Stadien
Die
Klassifikation erfolgt mit
einem Buchstaben und einer Zahl, z. B. „A1“ oder
„B2“. Der Buchstabe A, B oder C kennzeichnet die
Symptome, wie auch hier verwendet. Die Zahl kennzeichnet den
Zustand der Immunabwehr nach der Labordiagnostik wie folgt:
6.
Phase:
Vollbild AIDS – Kategorie C
Chronische
Fieberzustände,
Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Durchfälle sind
Zeichen der
Entwicklung des Vollbildes AIDS. Ab unter 200 CD4-Zellen/µl
liegt ein schwerer Immundefekt vor, und ab dieser Schwelle
muß
mit AIDS-definierenden Erkrankungen gerechnet werden. Das
heißt
noch nicht, daß AIDS sofort auftritt. Opportunistische
Infektionen breiten sich aus, verursacht durch Erreger, die bei
einem Gesunden keine echte Chance hätten. Bagatellerkrankungen
führen zu lebensbedrohlichen Zuständen. AIDS macht
den Körper
wehrlos gegen viele andere Viren und Bakterien, die ein gesunder
Mensch ohne Probleme abwehrt. Charakteristische Tumore entstehen
wie z. B. das Kaposi-Sarkom oder Lymphome (z. B.
Burkitt-Lymphom). Das Vollbild AIDS kann von einer
Encephalopathie begleitet sein, die zu Demenz führt. Einige
der
schwersten AIDS-Erkrankungsformen wie CMV-Retinitis oder
atypische Mykobakteriose treten erst ab unter 100
CD4-Zellen/µl
auf. Die durch die Schwächung des körpereigenen
Immunsystems
ausgelösten Krankheiten führen letztendlich zum Tode.
Zwischen
den ersten AIDS-Komplikationen und dem Todeseintritt liegen
– ohne HAART – 2-4 Jahre. Die Patienten sterben
meist
an opportunistischen Infektionen mit Mikroorganismen, die
Menschen mit einem gesunden Immunsystem nicht erkranken lassen:
Anmerkung: In Deutschland wird AIDS nach der Symptomatik definiert, aber in den USA wird schon das Absinken der CD4-Zahl unter 200 als AIDS gewertet.
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